Kurfürst Friedrich V.
Rezeption
2.1 Zeitgenössische Publizistik und Propaganda
Die Ereignisse um Friedrich lösten den ersten großen „Medienkrieg“
der Geschichte aus. Dieser Propagandakrieg wurde erstmals
mit den Mitteln des 150 Jahre zuvor erfundenen Buchdruckes
geführt. Dieser hatte die massenhafte Verbreitung von Nachrichten
und Meinungen in Form von Flugblättern erst möglich gemacht.
Nachdem bereits im 16. Jahrhundert während der Reformationszeit
mit erläuternden Kurztexten oder Versen versehene Einblattholzschnitte
kursierten, wurde nun vornehmlich mit der Technik des Kupferstiches
oder der Radierung gearbeitet. Diese Drucke prägen bis heute
zu einem Teil das Bild über die Ereignisse während des Dreißigjährigen
Krieges und halten teilweise auch falsche oder einseitige
Darstellungen der Personen und Geschehnisse lebendig. Besonders
im süddeutschen Raum wurden viele Drucke hergestellt, da
die dortigen zumeist lutherischen Reichsstädte gleichzeitig
bedeutende Druckzentren waren. So entstand hier in den Jahren
1620 bis 1622 eine wahre Flut von Flugblättern gegen den
calvinistischen Winterkönig.
Bereits seit der glanzvollen und ungewöhnlichen Hochzeit
mit Elisabeth Stuart zog Friedrich die Aufmerksamkeit der
zeitgenössischen Publizistik auf sich. Aber besonders seit
der Annahme der Krone Böhmens stand er im Mittelpunkt des
Interesses und war einer der am meisten dargestellten Personen
auf Flugschriften während des Dreißigjährigen Krieges. Rund
200 Blätter sind überliefert, in deren Zentrum seine Person
und seine Entscheidung, die böhmische Krone anzunehmen,
stehen. Damit wurde er beispielsweise wesentlich häufiger
dargestellt als Wallenstein. Die Bandbreite der Schriften
über Friedrich war enorm und umfasste auch juristische und
theologische Abhandlungen[18], Veröffentlichungen von Akten
aus der nach der Schlacht am Weißen Berg in Prag gefundenen
pfälzischen Kanzlei und Rätselbilder in Form von Rebussen,
sowie Labyrinthe und Chronogramme für die gebildeten Kreise.
Bei letzteren bestand die Aufgabe und das Vergnügen für
den Leser darin, die Absicht des Verfassers zu enthüllen.
Daneben gab es Kriegs- und Gräuelpropaganda und zahlreiche
Hohn- und Spottverse auf den Winterkönig und den geflohenen
Palatin.
Bis zur Schlacht am Weißen Berg sind neun Zehntel aller
Streitschriften protestantisch. Anfangs war es die Aufgabe
der pfälzischen Publizistik, die Legitimität und Rechtsgültigkeit
der Regierung Friedrichs in Böhmen zu unterstützen. Die
wichtigste dieser Unterstützungsschriften war Unser Friderichs
[…] Offen Außschreiben Warumb Wir die Cron Boeheim und der
incorporirten Laender Regierung auff Uns genommen[19], die
in deutscher, tschechischer und französischer Sprache verbreitet
wurde. Als Grundlagen für die Argumentation dienten Bibeltexte,
und Friedrich wurde als Beschützer des Evangeliums, als
neuer Gideon bzw. David dargestellt. Friedrich sei ähnlich
wie David anstelle des unwürdigen Sauls, was sich auf Ferdinand
bezog, von Gott zum König berufen worden. Der Winterkönig
wurde also in den Heilsplan Gottes eingefügt und war somit
der Retter des protestantischen Glaubens.
Die katholische Partei war den Protestanten im Kampf der
Federn anfangs nicht gewachsen. Einzig die Erfindung der
Bezeichnung Winterkönig durch die Jesuiten hatte einen durchschlagenden
Erfolg. Das Bild wandelte sich aber nach der Flucht Friedrichs
grundlegend. Siegesfroh und rachsüchtig lärmten die Kaiserlichen.
Die erbeuteten Akten der Kanzlei wurden von den kaiserlichen
Gegnern veröffentlicht und jahrelang in Flugblättern ausgeschlachtet.
Zwar wurde in ihren Broschüren die protestantische Seite
insgesamt nur mäßig angefeindet, denn noch war das lutherische
Sachsen zu schonen. Doch um so mehr wurde der flüchtige
Winterkönig in zahllosen satirischen Bildern und Versen
verspottet. Er wurde mit seinem Stolz und seiner Kopflosigkeit
in jeder erdenklichen kläglichen Situation abgebildet: Brot
suchend, auf schlechtem Wagen abziehend, sich eine Grube
grabend. Auch seine Gemahlin und die Kinder blieben von
dem Hohn nicht verschont.
Im Gegensatz zu den Zeitgenossen sahen sich Friedrich
und seine Gattin stets als Opfer ihrer Glaubensfestigkeit
und Ehrhaftigkeit. So gibt es nicht ein einziges Dokument,
in dem Friedrich irgendeine Schuld einräumt, den Reichsfrieden
gebrochen zu haben. Er habe seine Länder und sich selbst
für den Kampf um die protestantische Sache, die Libertät
der Fürsten und die Reichsverfassung gegen die habsburgische
Übermacht geopfert. Dementsprechend verewigte Elisabeth
Stuart ihren verstorbenen Gatten auf einem Gemälde posthum
als römischen Kaiser mit den altrömischen Tugenden eines
Helden, der für seine Überzeugungen Besitz und Leben opfert.
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