Kurfürst Friedrich V.
Leben
1.5.2 Wahl und Krönung
Am 26. August 1619 wurde Friedrich V. von der Pfalz schließlich
mit den Stimmen aller in der Böhmischen Konföderation zusammengeschlossenen
Länder zum König gewählt. Der Kandidat selbst hatte die
Entscheidung in Heidelberg abgewartet. Die Wahl Ferdinands
II. zum Kaiser zwei Tage später konnte Friedrich angesichts
der katholischen Mehrheit im durch die Kurfürsten des Reiches
gebildeten Wahlgremium nicht verhindern. Auch die Stimmen
der protestantischen Kurfürsten aus Sachsen und Brandenburg
gingen an den Habsburger. Gegen den Einspruch einer aus
Prag angereisten Delegation der böhmischen Stände wurde
Ferdinand die dem König von Böhmen zustehende Kurstimme
von den drei geistlichen Kurfürsten und den Kurfürsten aus
Brandenburg und Sachsen zugesprochen. Nur die pfälzischen
Gesandten plädierten für eine Anhörung der böhmischen Gesandten. Um
Einstimmigkeit zu erzielen, zogen die pfälzischen Gesandten
ihre ursprüngliche Stimmabgabe für Maximilian von Bayern
zurück und votierten auch für Ferdinand. Diese Entscheidung
sollte für die zukünftige Entwicklung aber fatal sein. Denn
mit dieser Entscheidung hatte nun das gesamte Kurfürstenkollegium
bestätigt, dass es die Absetzung Ferdinands und eine erneute
Königswahl in Böhmen als illegal betrachtete. Im Reich war
der Pfälzer daher in einer denkbar schwachen Position. Genau
am Tag der Kaiserwahl traf die Nachricht von der Wahl Friedrichs
V. zum König von Böhmen in Frankfurt ein. Da Friedrich nicht
zum Wahltag in Frankfurt erschienen war, schickten ihm seine
dort als Gesandte vertretenen Hofräte ein Gutachten, in
dem sie ihm davon abrieten, die böhmische Wahl anzunehmen. Über
die Gründe der folgenschweren Annahme der Krone wurde in
den folgenden Jahrhunderten viel spekuliert. Dass ihn seine
Frau gedrängt habe, da sie unbedingt Königin sein wollte,
ist eine Legende der katholischen Propaganda, ebenso wie
der von Friedrich Schiller in seinem 1792 erschienenen Geschichtswerk
Geschichte des 30jährigen Kriegs kolportierte Ausspruch
Elisabeth Stuarts: "Konntest du dich vermessen, [...]
die Hand einer Königstochter anzunehmen, und dir bangt vor
einer Krone, die man freiwillig dir entgegenbringt? Ich
will lieber Brod essen an deiner königlichen Tafel, als
an deinem kurfürstlichen Tische schwelgen."[4] Auch wenn
die lang ersehnte Standeserhöhung sicherlich hochwillkommen
war, dürften aber vorrangig religiöse Gründe ausschlaggebend
gewesen sein. In seinem Rechtfertigungsschreiben sprach
Friedrich von einer göttlichen Berufung und stilisierte
sich in einem Gebet, das er kurz vor der Abreise nach Prag
verfasste, zu einem "Kreuzritter des Protestantismus". Dennoch
blieb er schwankend zwischen der Heiligkeit seiner Pflicht
gegenüber dem Kaiser und dem Bedürfnis, Glaubensgenossen
in einer gerechten Sache zu unterstützen. Neben machtpolitischen
und religiösen Beweggründen könnten aber auch wirtschaftliche
Überlegungen eine Rolle gespielt haben, weshalb Christian
von Anhalt seinem Dienstherren zur Krone verhelfen wollte.
Die Oberpfalz um Amberg war zu dieser Zeit das europäische
Eisenzentrum; Böhmen war ein Brennpunkt für Zinn- und Glashandel.
Ein Zusammenlegen hätte eine neue Exportmacht in zentraler
Lage bedeuten können[5]. Für Christian von Anhalt als Statthalter
der Oberpfalz wäre dies auch finanziell lohnend gewesen. Die
am 12. September stattfindende Versammlung der protestantischen
Union in Rothenburg ob der Tauber riet Friedrich mehrheitlich,
sich nicht in die böhmischen Angelegenheiten einzumischen.
Auch die anderen Verbündeten der Protestanten im Reich,
wie die Vereinigten Niederlande, der Herzog von Savoyen
oder die Republik Venedig, wollten oder konnten das Projekt
weder militärisch noch finanziell unterstützen. Nur der
Fürst von Siebenbürgen, Gábor Bethlen, sandte ermutigende
Briefe an Friedrich.
Doch der Kurfürst schlug alle Warnungen und Bedenken in
den Wind. Zwischen dem 24. und dem 28. September 1619 entschloss
sich Friedrich, dem Willen des Allmechtigen nicht zu widerstreben[6]
und die Wahl anzunehmen. Die Vereinigten Niederlande, Dänemark,
Schweden und die Republik Venedig erkannten Friedrich als
König an, das gemeinsame Zusammengehen der protestantischen
Fürsten des Reiches kam jedoch nicht zustande. Am 31. Oktober
1619 zog Friedrich mit insgesamt 568 Personen und fast 100
Wagen in Prag ein, wo er begeistert willkommen geheißen
wurde. Auch wenn ein großer Teil des Landes vom Krieg bereits
verwüstet war und viele Flüchtlinge in der Stadt lagerten,
feierte man anlässlich der Ankunft und der Krönung am 4.
November rauschende Feste[7]. Seine zuvor erteilte Garantie
der böhmischen Ständeverfassung, die vermeintliche Tüchtigkeit
seines Kanzlers Christian von Anhalt und der Umstand, dass
sich seine schöne Gattin in hochschwangerem Zustand auf
die beschwerliche Reise gemacht hatte, nahmen seine neuen
Untertanen für den neuen König ein.
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