Kurfürst Friedrich V.
Leben
1.5.4 Schlacht am Weißen Berg
Ein besserer Vorwand für den Einmarsch kaiserlicher Truppen
in die Pfalz und die Beseitigung eines wichtigen protestantischen
Vorpostens als die Annahme der böhmischen Krone durch Friedrich
konnte kaum gefunden werden. Generalleutnant Spinola hatte
bereits nach dem Bekanntwerden der Wahl Truppen in den spanischen
Niederlanden und im Elsass zusammengezogen. Der Marschbefehl
für Spinola wurde am 23. Juni 1620 erteilt und erreichte
ihn kurz nach der Unterzeichnung des Ulmer Vertrages. Am
23. Juli 1620 überschritt Maximilian von Bayern mit 25.000
Mann des Heeres der Katholischen Liga die Grenze von Bayern
nach Österreich, um zuerst die protestantischen Stände der
Erblande des Kaisers zu unterwerfen. Anfang August brach
Spinola mit seinem Heer von 25.000 Mann aus Flandern auf
und wandte sich anfangs nach Böhmen. Doch in der dritten
Augustwoche machte er kehrt, zog gegen die nahezu schutzlose
Pfalz und besetzte zunächst Mainz. Nur 2000 Freiwillige
aus England, denen König Jakob erlaubt hatte, in die Pfalz
zu ziehen, standen zur Unterstützung bereit. Sie setzen
sich in Frankenthal und Mannheim fest. Am 5. September überschritt
Spinola den Rhein, eroberte am 10. September Kreuznach und
am 14. September Oppenheim. Der in Böhmen befindliche Friedrich
konnte nichts gegen die Eroberung seiner Stammlande tun,
außer den englischen König um Hilfe anzuflehen. Nachdem
Maximilian in Linz die österreichischen Stände unterworfen
hatte, vereinigte er sich mit den Resten des kaiserlichen
Heeres und überschritt am 26. September die böhmische Grenze.
Kurz darauf, am 5. Oktober, fiel der Kurfürst von Sachsen
von Norden her in Böhmen ein. Bei Rokitzan traf Maximilian
auf das bunt zusammengewürfelte, schlecht bezahlte, mangelhaft
ausgerüstete und kurz vor einer Meuterei stehende Heer Friedrichs,
das etwa 15.000 Mann umfasste. Friedrich weilte seit dem
28. September beim Heer, überließ aber die Kriegführung
seinen Generälen, da er selbst kein ausgebildeter Militär
war. Stattdessen organisierte er den Nachschub, kümmerte
sich um Befestigungen und um die Versorgung der Verwundeten.
Nach einer Reihe folgenloser Scharmützel zog Friedrich
am 5. November das Heer in Richtung Prag zurück - die kaiserlichen
Truppen folgten. Am Abend des 7. November hielt das Heer
nur wenige Meilen vor Prag und bezog Stellung auf dem Gipfel
des Weißen Berges. Einen Tag zuvor hatte König Friedrich
die Linien abgeritten und die Soldaten ermahnt, weder seine
noch die böhmische Sache im Stich zu lassen. Er eilte nach
Prag, um die böhmischen Stände um Geld für seine Truppen
anzuflehen und den Abgesandten des englischen Königs zu
empfangen, von dem er sich die lang ersehnte Nachricht über
die Unterstützung Jakobs erhoffte. Es war jedoch zu spät.
Als Friedrich gegen Mittag des 8. November aus der Stadt
zu den Truppen zurückreiten wollte, traf er am Stadttor
auf flüchtende Soldaten seines Heeres und seinen Kanzler
Christian von Anhalt, der ihm die Katastrophe mitteilte:
Das böhmische Heer war am Morgen des Tages in der Schlacht
am Weißen Berg vernichtend geschlagen worden. Detail aus
einer Spottschrift auf den Winterkönig nach der verlorenen
Schlacht am Weißen Berg: Daß Haidelberger Faß gar groß /Vor
zeit voll Wein jetzt bodenloß /Daß mag der Winterkönig sparnDaß
er drauf mit seim aff mög farnEr sitzt darauff/sehr schwach
vnd kranckt /Vom böhmischen Biergetranck.Sein Magen nit
mehr dewen [verdauen] kon Wirfft herauß Länder/Stätt vnd
Cron. Detail aus einer Spottschrift auf den Winterkönig
nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg: Daß Haidelberger
Faß gar groß / Vor zeit voll Wein jetzt bodenloß / Daß mag
der Winterkönig sparn Daß er drauf mit seim aff mög farn Er
sitzt darauff/sehr schwach vnd kranckt / Vom böhmischen
Biergetranck. Sein Magen nit mehr dewen [verdauen] kon Wirfft
herauß Länder/Stätt vnd Cron. [Flugschrift auf Wikisource:
Eigentliche
Abbildung des Winterkönigs]
Christian konnte nur
eine einzige Lösung vorschlagen: die sofortige Flucht. Am
Morgen des 9. November machte Friedrich sich auf den Weg
in die schlesische Hauptstadt Breslau, begleitet von seiner
Gattin und einigen seiner Räte - im Gepäck nicht viel mehr
als die Kronjuwelen. Der Aufbruch geschah gerade noch rechtzeitig,
da die Bevölkerung Prags drauf und dran war, den König an
Maximilian auszuliefern. Schon zuvor waren die Stadttore
vor den flüchtenden Soldaten gnadenlos geschlossen worden.
Nach Friedrichs hastiger Abreise ergab sich Prag Maximilian.
In Schlesien wollte Friedrich die Niederlage am Weißen Berg
nach allen Kräften rächen, jedoch versagten ihm die schlesischen
Stände die Unterstützung, so dass Friedrich das Herzogtum
Anfang des Jahres 1621 in Richtung des Kurfürstentums Brandenburg
verließ. Zum Abschied schrieb er dem böhmischen Feldherrn
Graf Heinrich Matthias von Thurn: kein Geitz noch Ehrgeitz
hat uns in Böhmen gebracht/kein Armuth noch Elend soll uns
von unserm lieben GOtt abtrünnig machen/noch etwas wider
Ehr und Gewissen thun lassen.[13] Die zeitgenössischen
Verfasser von Flugschriften, egal ob katholisch oder protestantisch,
schonten den geschlagenen König nicht. Ein weitverbreitetes
Motiv der Flugschriften war der Postillion, der überall
im Reich nach dem verlohren Palatin[14] oder einem jungen
Mann, mit Frau und Kindern suchte, der im vorigen Winter
noch König war[15]. Auch der Fund des Hosenbandordens durch
einen kaiserlichen Soldaten im zurückgelassenen Haushaltsgut
Friedrichs wurde publizistisch verarbeitet. Von nun an erschien
Friedrich auf den meist sehr derben Karikaturen mit bandlosen
Strümpfen, die ihm über die Knöchel herabhingen. Für die
böhmischen Rebellen hatte die Niederlage schreckliche Folgen.
Der Kaiser ließ in Prag vor dem Altstädter Rathaus am 21.
Juni 1621 in einem viereinhalbstündigen Spektakel achtundzwanzig
protestantische böhmische Adelige öffentlich hinrichten.
Die Köpfe von zwölf der Hingerichteten und die rechte Hand
des Grafen Joachim Andreas von Schlick, eines der wichtigsten
Führer des Aufstandes, wurden an den Altstädter Turm der
Karlsbrücke genagelt, wo sie zehn Jahre lang als Mahnung
für den verlorenen Krieg blieben. Das Wahlkönigtum wurde
abgeschafft, Böhmen zum habsburgischen Erbkönigreich erklärt
und die Stände durch die Verneuerte Landesordnung weitgehend
entmachtet. Die Urkunde der böhmischen Religionsfreiheit,
der Majestätsbrief, soll von Ferdinand eigenhändig zerrissen
worden sein. Die protestantischen Konfessionen wurden ausgerottet,
nur die Lutheraner wurden angesichts der Teilnahme des sächsischen
Kurfürsten am Krieg vorerst noch geduldet. Der Grundstein
zur gewaltsamen Rekatholisierung des Landes und zur Durchsetzung
absolutistischer Herrschaft war gelegt. Nach der Schlacht
am Weißen Berg blieb Böhmen dreihundert Jahre lang, bis
zur Gründung der Ersten Tschechoslowakischen Republik 1918,
Teil der Habsburgermonarchie.
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