Die Macht des Tieres - Die eurasischen Tierstildarstellungen
Den Begriff ‚eurasischer' oder ‚skythischer Tierstil'
für künstlerische Darstellungen von Tiermotiven prägte 1922
der Russe Michael Rostovtzeff. Der Tierstil entwickelte
sich ab etwa 800 v. Chr. in Steppengebieten Asiens und Südrusslands
und ist typisch für Reiternomaden. Man kennt eine Reihe
verschiedener Tiermotive, darunter Hirsche, Raubkatzen oder
Greifvögel. Meist werden sie recht naturgetreu abgebildet.
Diese Tiere verkörpern bestimmte Eigenschaften wie Schnelligkeit,
Kraft und Gewandtheit. Eigenschaften, die auch Steppennomaden
brauchen, um erfolgreich zu überleben. Die Tierdarstellungen
fungieren wohl als Symbole, deren mythische Kraft auf den
Träger übergeht.
Die Kombination verschiedener Tierkörperteile zu einem
neuen Fabelwesen ist nicht selten. So konnte man in einem
Kunstobjekt gleich mehrere Tiereigenschaften vereinen. Der
Formenreichtum ist vielgestaltig: Es gibt Einzeltiere und
Tierprozessionen, Darstellungen im Kampf verbissener Wesen
und Tiere, deren Hinterleib um 180º verdreht ist, was der
Szene noch mehr Bewegung verleiht.
Ausgehend von der skythischen Tierstilkunst entwickelten
sich regionale Besonderheiten. So wurde in den Wüstengebieten
der Taklamakan das Kamel in den Kanon der Motive aufgenommen.
Am Schwarzen Meer findet man griechischen Einfluss. Anhand
dieser Unterschiede versucht man heute, Einzelfunde bestimmten
Gegenden zuzuordnen.
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