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19.12.07

Hortus Palatinus:
Über die 12 Thesen wider den schönen Schein

Der manieristische Hortus Palatinus des Ingenieurs Salomon de Caus und seines gerade den Jugendjahren entronnenen Bauherrn, des Kurfürsten Friedrich V., vereinigt in sich mehrere Schichten fürstlicher Repräsentation:

Die allein von den Ausmaßen her beträchtliche Leistung der Geländeterrassierung bot die Voraussetzung für die Unterwerfung der als "wild" angesehen Natur unter die mathematisch-geometrische Ordnung der Menschen. Diese Ordnung wurde durch das Spiel der sich überlagernden und durchdringenden Ornamente versinnbildlicht. Ein umfangreicher Figurenschmuck erlaubte programmatische und mythologische Aussagen. In seinen Bauwerken bot er Orte der Selbstdarstellung, der höfischen Lust sowie Plätze der als "privat" angesehenen, aber immer och im Dienst der Reputation stehenden Rückzugsmöglichkeit. Maschinen und Wasserkünste spiegelten schließlich den Triumph der Technik.

Diese Anlage wurde 1614 mit dem Bau der Terrassen begonnen, 1619 wurden die Arbeiten mit dem Wegzug des Kurfürsten nach Prag abgebrochen. Im folgenden Jahr 1620 legte der Architekt eine Dokumentation vor, in deren Vorrede er bedauert, nicht noch das halbe Jahr zur Fertigstellung zur Verfügung zu haben. Diese Schrift von Salomon de Caus dokumentiert nun allerdings nicht, wie vielfach behauptet, den Zustand des Gartens, sondern allein seine eigenen Pläne und Vorhaben, die durch eine Fülle von Planzeichungen verdeutlicht werden. Vor allem die geometrischen Ornamente der Beete werden ausführlich dargestellt, jedoch, der Drucktechnik des 17. Jahrhunderts entsprechend, nur in schwarz-weiß-Kupferstichen. Jegliche Farbigkeit des Gartens und seiner Beete gerät damit in den Bereich der haltlosen Spekulation, bei der man, um überhaupt Anhaltspunkte zu erhalten, auf andere, gleichzeitige Anlagen zurückgreifen müsste. Das aber ist die Arbeitsweise des Historismus, die aus Analogien eine scheinbare Authentizität vorgaukelt.

Der Figurenschmuck der Hauptterrassen bleibt, bis auf die liegende Figur des "Vater Rhein", völlig ausgeblendet. Von einem Bildhauer, der die Figuren geschaffen haben könnte, ist auch nichts überliefert, so dass hier evtl. auch von Unvollendetheit ausgegangen werden kann. Erst die Innenausstattung der Grottengalerie wird wieder detailliert dargestellt.

Von all diesen Ebenen des Gartens hat die Terrassenstruktur überlebt und bildet gleichsam das Grundgerüst jeder Weiterentwicklung. Sie ist die Voraussetzung, überhaupt von einer Fortexistenz des alten Hortus Palatinus sprechen zu können.

Der geplante Neubau versucht, der vielfältigen Geschichte des Geländes dadurch gerecht zu werden, dass er Bereiche der Rekonstruktion und Bereiche der sogenannten Romantik unvermittelt nebeneinander gestellt.

Dieses Vorgehen wird mit dem Argument legitimiert, dass nur nachgebaut werde, was archäologisch nachgewiesen sei. Das kann nicht gelten, weil es damit die scheinbare archäologische Sicherheit zum Maßstab dessen erhebt, was man "darf". Das gilt vielleicht für die didaktische Rekonstruktion römischer Kastelltore, aber nicht für Objekte mit einer so vielschichtigen Entwicklung.

Im Bereich des rekonstruierenden Nachbaus sollen die Feinstrukturen nicht nur angedeutet, sondern in ihrer dinglichen Substanz verwirklicht werden. Das würde bedeuten, dass auch der gesamte "stehende" Schmuck des Gartens, allen voran die Bildwerke und Statuen, ebenfalls zu rekonstruieren wäre. Das verbietet sich jedoch angesichts sowohl der fehlenden Überlieferung als auch der fehlenden Sach-Überreste von selbst.

Allein das Kronenbeet wird bei de Caus mit 64 Bäumchen dargestellt, 56 auf der Umfriedung, 8 in den Ecken des Innenrunds. Auch hier wird das Feld der Spekulation betreten, man kann nur annehmen, dass es Buchsbäume sind, da ja die jahreszeitliche Veränderung von Laubbäumen dem Gedanken der Unterwerfung der Natur unter den Schein widerspräche. Andererseits erwähnt de Caus selbst "vierhundert andere" Bäume, "mittlere und kleine", die ihr Winterquartier im Pomeranzenhaus finden sollten. Von der Tatsache abgesehen, dass das Pomeranzenhaus niemals Platz für so viele Bäume geboten hätte, stellt sich die Frage, ob diese 400 Bäume auch den gesamten Baumbestand ausmachten.

Es muss also alles vermieden werden, was den Elementen dieses Gartens in ihrer Reihung den Eindruck verschafft, hier bestünde auch nur der Anschein historischer Authentizität. Die Lösung des Problems liegt in der überall sichtbaren Durchdringung der verschiedenen historischen Zustände, also sowohl der manieristischen Anlage (die im Übrigen bereits in der Terrassenstruktur ihre Manifestation hat), der barocken Überformung wie auch des offenen Landschaftsgartens und schließlich des offenen Bürgergartens des jüngsten Vergangenheit. Das bedeutet nicht, dass jeder einzelne Zustand seiner Geschichte ablesbar bleiben muss.

Hervorstechende Tatsache ist jedoch, ungeachtet aller Fragen der sicheren oder unsicheren Überlieferung, dass ein historisierender Nachbau den Grundsätzen des Umgangs mit kulturellem Erbe widerspricht. Er zerstört Gewachsenes zu Gunsten eines billigen Anscheins, der noch dazu einen einzigen scheinbaren Höhepunkt darzustellen scheint. Geschichte wird hier ganz im obrigkeitlichen Sinn auf die glanzvollen Höhepunkte reduziert, während die Tiefpunkte der Geschichte ausradiert und überbaut werden. Das zerstörte Schloss ist ein Monument seiner Geschichte, der Garten in der Gesamtheit seiner Erscheinungsformen ist es auch. Eine Verbesserung der Infrastruktur und seines Erscheinungsbildes muss die Geschichte - und die gegenwärtige Nutzung! - respektieren.

Den Umgang mit historischem und kulturellem Erbe dagegen in den Bereich der Beliebigkeit zu rücken und Bedingungen von Schönheit und Attraktivität zu unterwerfen, liegt im Zug der Zeit. Was für wirtschaftlich genutzte Baudenkmale noch gelten kann, muss nicht von selbst für alle Objekte des Kulturerbes gelten. Heidelberg tut sich groß damit, Weltkulturerbe werden zu wollen, reißt aber ein Architekturjuwel der 1920er Jahre, die Kolonnaden am Ebertplatz ab, weil es vergammelt und hässlich sei. Umgang mit Kulturerbe muss aus einem Gefühl für Geschichte - und der Sicherheit im Umgang - kommen, gerade weil es Zeitströmungen enthoben werden muss. Das ist der tiefere Sinn der Denkmalpflege.

Der jetzt verkündete Plan geht nach wie vor von einer Rekonstruktionsidee aus. Er fußt auf den ehemals vorgelegten Plänen einer Totalrekonstruktion und wurde allein aus dem Grund der fehlenden archäologischen Legitimation im Umfang reduziert.

Hans-Joachim Wessendorf sagt wissentlich die Unwahrheit und führt die nach wie vor zahlreich vorhandenen Gegner des Projekts hinters Licht, wenn er behauptet, dass von den 5 ha Gartengelände nur 2 ha umgestaltet würden. Er bezieht damit nicht nur den Stückgarten, der nie zu dem von de Caus angelegten Hortus Palatinus gehörte und der nie in irgendeiner Planzeichnung des Ingenieurs auftaucht, sondern auch den gesamten Bereich des Zugangswegs vom Zugangstor bis zum Eingang in den Gartenbereich ein. Legt man den eigentlichen Bereich des Hortus Palatinus zu Grunde, verfallen bis zu 70% des Geländes der "Rekonstruktion".

Er sagt weiterhin die Unwahrheit, wenn er zusichert, dass nur das gebaut würde, was der Denkmalschutz zuließe. Sobald Stellungsnahmen der Denkmalpflege vorliegen, wischt er sie als irrelevante Einzelmeinung vom Tisch.

Die Badische Heimat e.V. fordert die Ausschreibung eines offenen Ideenwettbewerbs zur Neugestaltung des Schlossgartens unter vollständiger Berücksichtigung der von den oberen Ebenen der Denkmalpflege erhobenen Forderungen und unter Verzicht auf den Gedanken, "rekonstruieren" zu wollen.

Sie fordert weiterhin ein Moratorium aller bereits eingeleiteten Schritte, um gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege zu einer konstruktiven Lösung zu kommen, die der äußerst vielfältigen Geschichte des Ortes mitsamt seinen Beziehungen zur Heidelberger Romantik gerecht wird.


mehr: Die 12 Thesen

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