Präsentation
der bäuerlichen Unterschicht - Das Taglöhnerhaus
Würdevoll
liegen die großen, alten Bauernhäuser im Schwarzwälder
Freilichtmuseum Vogtsbauernhof am Hang, selbstbewusster Ausdruck
des Wohlstands ihrer Besitzer. Fasziniert tauchen die Besucher
hier in die Welt der Schwarzwaldbauern ein. Doch wie lebten
die bäuerliche Unterschicht, die Tagelöhner und Handwerker?
Mit dem Tagelöhnerhaus aus Oberprechtal, das bis 2002
ins Gutacher Freilichtmuseum umgesetzt werden soll, wird
ihr Leben bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nachvollziehbar.
Anton Kern
erbaute 1819 das kleine Gebäude in der Nähe der Passhöhe
Landwassereck mit einer Grundfläche von neun auf zehn
Meter. Der Vergleich mit dem 32 auf 15 Meter großen Falkenhof
im Freilichtmuseum macht deutlich, wie ärmlich die Verhältnisse
der Familie Kern waren. Auf zwei Stockwerke verteilen sich
im Tagelöhnerhaus acht Räume sowie ein Stall, eine
Räucherkammer und der Heustock. Im Keller waren der Saustall
untergebraucht und zwei weitere Räume, von denen einer
vermutlich als Webkammer genutzt wurde.
Die Weberei
war für Anton Kern eine wichtige Einkommensquelle. Außerdem
verdingte er sich auf anderen Höfen, denn sein halber
Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und sein Kraut-
und Grasgarten beim Haus reichten nicht aus, um die Familie
zu ernähren. Die wirtschaftliche Situation der nachfolgenden
Besitzer blieb im Wesentlichen unverändert. Noch im Übergabevertrag
von 1921 wurde der übergebende Augustin Kern als Weber
bezeichnet. Der neue Besitzer, Richard Kern, wird später
als Holzhauer und Waldarbeiter bezeichnet. Sein Sohn, Johann
Kern, lebte noch bis zu seinem Tod 1993 im Haus.
Ein Jahr
später fanden die ersten Gespräche zwischen dem Schwarzwälder
Freilichtmuseum und den neuen Besitzern hinsichtlich einer
Umsetzung des Hauses ins Museum statt. Wegen des grundsätzlichen
Interesses der Museumsleitung, erklärten sich die Eigentümer
bereit, Haus und Inventar zu pflegen, bis für oder wider
eine Translozierung entschieden wäre. So kann das Freilichtmuseum
heute das Gebäude mit allen Gebrauchsgegenständen
der letzten Bewohner, vom Messer bis zum Fernseher, nach Gutach
bringen.
Im Freilichtmuseum
wird das Gebäude ein Licht auf die engen, ärmlichen Lebensverhältnisse
der Tagelöhner werfen, ein Aspekt, der im Museum bisher noch
nicht umfassend dargestellt werden konnte. Das Haus wird im Zustand
der 1960er und 1970er Jahre zu sehen sein. Aus dieser Zeit stammt
das meiste Inventar. Danach veränderte sich kaum mehr etwas.
Die Besucher
werden die Küche der Familie besuchen können, wo
sie Geschirr, Töpfe und Kaffeedosen jener Zeit entdecken
werden. In der Stube stehen der Fernseher und das Radio, das
auch in der Küche zu hören war.
In der ehemaligen
Webkammer wird es eine Ausstellung zur schwierigen Situation
der Tagelöhner im 19. Jahrhundert geben. Im Schopf, dem
ans Haus angebauten Abstellraum, wird es Informationen zum
Thema Hygiene geben.
Pressemitteilung
des Landratsamts Ortenaukreis
Gutach / Offenburg, 2000-08-09
Hinterprechtal,
Taglöhnerdoppelhaus
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