Die
Kirche witterte hinter so viel weiblicher Eigenständigkeit “ketzerische” Tendenzen.
Der wiederholte Vorwurf führte im Jahr 1311 dazu,
dass die Beginenbewegung auf Druck deutscher Bischöfe
von Papst Clemens V. verboten wurde. In einigen Städten
wurden die Frauen verfolgt und ihr Besitz beschlagnahmt.
1318 widerrief Papst Johannes XXII. die Anordnung seines
Vorgängers.
Bis zu drei Prozent der weiblichen Bevölkerung sollen
in den 70 Beginenhöfen Belgiens gelebt haben. Die
Höfe in Lüttich, Brüssel oder Löwen
beherbergten zeitweise bis zu 1500 Beginen. Zum "fürstlichen" Beginenhof
beförderte Philipp der Schöne, König von
Frankreich, den Hof in Brügge. Mit der französischen
Revolution hörten die meisten Beginenhöfe auf
zu existieren. Die Höfe wurden in Altenwohnanlagen
oder Klöster umgewandelt. Heute ist die Beginenbewegung
ohne Nachwuchs, im ganzen Land gibt es gerade noch fünf
Beginen. Kein Wunder also, dass Schwester Hoogewijs dem
Besucher mit Bitterkeit erklärt: „Es ist ein
Jammer, dass mit uns die Beginen für immer verschwinden.
Was nach unserem Ableben mit dem Beginenhof geschieht,
weiß ich nicht. Es ist wirklich kein Vergnügen
die letzten zu sein und durch die Medien in das Blickfeld
der Öffentlichkeit zu geraten. Ich komme mir vor,
als sei ich Teil eines Tierparks.“
Ein ewiges Auf und Ab
Das 14. Jh. war ein dunkles Jh. für die Beginen.
Nicht nur Pestepidemien suchten Europa heim, - obwohl die
Niederlande noch halbwegs verschont blieben, - so forderte
sie auch im nordwestlichen Teil Europas ihre Opfer. Zahlreiche
Opfer bezahlten mit ihrem Leben, auch Beginen blieben nicht
verschont. Hinzu kamen die Gräuel des Hundertjährigen
Krieges mit den üblichen Folgen maßloser Zerstörung.
Einbrüche auf dem landwirtschaftlichen Sektor blieben
da nicht aus, und die Entbehrungen waren nur schwer zu
verkraften. Hungersnöte waren die natürliche
Folge. Wie ein ewiges Damoklesschwert hing über den
Beginen auch immer noch der Ruf der Ketzerei. Das 15. Jh.
läutete wieder so etwas wie die fetten Jahre ein,
denn, makaber aber wahr: weniger Menschen hieß mehr
Nahrung für die wenigen, die das 14. Jh. überstanden
hatten. Eine regelrechte Nahrungsmittelschwemme versorgte
die Bevölkerung und garantierte die Aussicht auf ein
halbwegs sorgenfreies Dasein. Die Beginenhöfe waren
zu diesem Zeitpunkt schon völlig integriert in die
Gesellschaft als autonome Gemeinschaften. Zudem durften
sie steuerfrei ihrem Gewerbe nachgehen. Manche Neider sahen
das gar nicht so gerne, da sie eine große Konkurrenz
darstellten. Andererseits sorgten die Beginen für
die Pflege älterer und kranker Beginen in eigenen
Hospizen, den sog. Infirmerien, die eine essentielle Rolle
spielten für jeden Beginenhof; denn so wurde die medizinische
Versorgung gewährleistet, und gleichzeitig war damit
dem karitativen wie solidarischem Prinzip Folge geleistet.
Das 16. Jh. bedeutet für die meisten Beginenhöfe
einen erneuten Niedergang, vor allem verursacht durch die
Religionsunruhen. 1578 wurde der Große Beginenhof
von Mechelen gar gänzlich verwüstet, ein Jahr
später traf es den Beginenhof von Brüssel mit
schweren Plünderungen, andere wurden mehr oder weniger
beschädigt. Doch die Geschichte ist noch nicht vorbei:
der Fortbestand der Beginenhöfe im 19. bis ins 20.
Jh. ist in erster Linie zwei Namen zu verdanken: Beginenhofpastor
Nicolaas Esschius förderte in erster Linie die Wiederbelebung
des geschlossenen Charakters und wollte so die Kontakte
nach außen eindämmen. Er sorgte denn auch unter
den Beginen für einen Einheitslook: schwarze Kutten
wurden fortan von allen Frauen getragen. Außerdem
hielt er die Frauen an zur Rückbesinnung auf Armut
und Gebet.
Auch die Reformen Johann Hauchinus´, der ab 1583
das neue Erzbistum Mechelen leitete, sorgte auf den Beginenhöfen
für eine strengere Reglementierung: Er propagierte
mehr Gehorsam gegenüber der Beginenhofleitung und
Einhaltung aller christlicher Feiertage sowie der Beginenheiligen
eines jeden Hofes. Außerdem unterzog er jeden Hof
einer regelmäßigen Visite. Die Beginenhöfe
erlebten im Zuge der Contrareformation nochmals so etwas
wie eine Blütezeit. Die Zahlen sprechen da ganz für
sich: eine von 20 Frauen war eine Begine zu dieser Zeit.
Beginenexpansion bedeutete aber auch gleichzeitig, dass
die zur Verfügung stehenden Gebäude und Unterkünfte
einer Sanierung unterzogen werden mussten, um den Ansturm
auffangen zu können.
Im Rahmen größerer Bauaktivitäten wurden
die traditionellen Lehmbauten ersetzt durch Steinhäuser.
Kirchen im gotischen Baustil erhielten eine kosmetischen
Behandlung und erstrahlten anschließend im barocken
Kleid. All diese Bestrebungen konnten dem Niedergang der
Beginenhöfe an sich jedoch nicht entgegenwirken. Die
Verbürgerlichung der Gesellschaft im 18. Jh. und der
damit einhergehende Materialismus waren offenbar unvereinbar
mit Religiosität. Kaiserin Maria – Theresia
verhängte 1753 hohe Steuerabgaben auf kirchliche Besitztümer,
darunter fielen auch die Beginenhöfe, wobei viele
so reagierten, dass sie Häuser zur Miete freigaben
an Nicht- Beginen. Doch mehr und mehr Beginen verließen
ihr angestammtes Umfeld, kehrten in ein neues Leben ein
und sorgten unweigerlich dafür, dass die Höfe
langsam aber sicher verfielen. Unter Josef II wurden die
Klöster aufgelöst, und zahlreiche Nonnen fanden
Zuflucht in den Beginenhöfen; Im Zuge der Französischen
Revolution und der antiklerikalen Politik wurden 1795 die
Klöster dann definitiv geschlossen.
Die Beginenhöfe fanden ihren Fortbestand in Form
karitativer Einrichtungen; das Eigentumsrecht wurde abgeschafft,
die Beginen mussten ihre Kutten ablegen und durften keine
Novizen mehr annehmen. Nach einem kurzen Wiederaufleben
der Beginenkultur im 19. Jh. bezeichnete das 20. Jh. die
Zeit des Niedergangs der Höfe. Zum Teil liegt dies
auch an der Tatsache, dass sich vielen Frauen neue Tätigkeitsbereiche
und Berufe eröffneten, mit denen sie genauso ihren
Lebensunterhalt bestreiten konnten wie innerhalb der Mauern
eines Beginenhofes. Dass deren Anziehungskraft langsam
verloren ging, war nur die natürliche Konsequenz aus
den neuen Lebensumständen. Während im Jahre 1900
noch insgesamt 1500 Beginen Flanderns Beginenhöfe
besiedelten, schrumpfte ihre Anzahl bis zum Jahre 1960
auf gerade einmal 500. Und heute sind ganze fünf echte
Beginen noch am Leben und fristen ihr Dasein in Altenheimen.
Bild: Beginenhof im Schatten zweier Kirchen: Kortrijk |