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Die Stadt in der Frühen Neuzeit

Doppelherrschaft, Teilung und Widerstand

Mit dem Übergang der 1277 in der Geroldsecker Hausteilung begründeten Herrschaft Lahr an den Erben des letzten Geroldseckers begann die Zeit der Doppelherrschaft, da das erbberechtigte Haus Moers-Saarwerden vermutlich wegen der finanziellen Folgen des geroldseckischen Erbfolgekriegs die Hälfte der Herrschaft verpfänden musste, zuerst an die Stadt Straßburg, dann an Baden. Bei der Erbteilung im Haus Baden kam dessen Hälfte an Baden-Baden, der Anteil von Moers-Saarwerden 1512/27 im Erbweg an Nassau-Saarbrücken.

Die Kondominatsherrschaft begünstigte die Wahrung der städtischen Privilegien gegenüber denn untereinander konkurrierenden Stadtherren.

Um die religiösen Streitigkeiten zwischen der evangelischen Herrschaft Nassau und der katholischen Herrschaft Baden-Baden zu lösen, wurde 1627 die Realteilung des bisherigen Kondominats vollzogen. Beide Herrschaften wurde künftig nach ihren Hauptorten benannt, die Herrschaft Lahr wurde nassauisch und blieb evangelisch, die Herrschaft Mahlberg wurde baden-badisch und blieb katholisch, da vor allem die Lahrer Bürger sich dem evangelischen Glauben zugewandt hatten.

Durch die Anerkennung des hohengeroldseckischen Anspruchs auf das Lahrer Erbe aus dem Erbfall von 1428 nach einem Spruch des Reichskammergerichts von 1625 ging die nassauische Herrschaft Lahr als Pfand für die Verpflichtungen Nassaus an den Markgrafen von Baden-Durlach als Allodialerben über, wo sie bis zur Auslösung 1726 blieb.

Der ständigen Konkurrenz der Stadtherrschaften scheint es unter anderem zuzuschreiben zu sein, dass die Stadtprivilegien peinlich genau und buchstabengetreu beachtet wurden. In Folge der Festschreibung auf den Wortlaut des 1377 ausgefertigten Freiheitsbriefs, besonders in steuerlicher Hinsicht, scheint Lahr im 18. Jahrhundert als "Steuerparadies" attraktiv für Investoren geworden zu sein. Die Wirtschaftsstruktur der Stadt wandelte sich nachhaltig von der regionalen Produktion (Schuhmacher, Gerber, Weber) zum Engagement von Kaufleuten im Fernhandel und zur frühen Industrie (Tabak, Kartonagen, Buchdruck). Immer noch blieb, vor allem in den Vorstädten und Randbezirken, die Landwirtschaft ein dominierender Erwerbszweig.

Das Stadtbild war im 18. Jahrhundert vor allem in den Vorstädten, und hier besonders in der nach Westen gehenden Dinglinger Vorstadt (Kaiserstraße) von großbürgerlichen Villen, Handelsniederlassungen und frühen Industrieanlagen gekennzeichnet.

Erste Widerstandsbewegungen gegen die (damals badische) Stadtherrschaft 1705 blieben zunächst ohne Folgen, stärkten aber das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft. 1772 verlangte die nassauische Stadtherrschaft eine Abkehr vom Text des Freiheitsbriefs von 1377, scheiterte aber angesichts des Widerstands der Bürgerschaft vor dem Reichskammergericht in Wetzlar. Nassau verschleppte die Ausführung des Gerichtsurteils und versuchte anschließend, die Stadt durch neue Gerichtsurteile wegen der finanziellen Folgen des Prozesses in die Knie zu zwingen. Diese Haltung stärkte jedoch den Durchhaltewillen der Bürger, die um eine Demontage ihrer Privilegien fürchteten.

Als die Stadt 1795 kurzzeitig von Truppen der französischen Republik besetzt wurde, sympathisierten die Bürger offen mit den Besetzern, so dass vermutlich deshalb von Plünderungen nichts bekannt ist. Übrig blieben Gerüchte und der Fasnachtsruf der Lahrer Narren "Seira seira seirassa!", der das Revolutionslied "Ah ca ira, ca ira ca ira" verharmlosend aufgreift.

Bild: Zweites Bürgerbuch der Stadt Lahr von 1699

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