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Was ist was?

Kurfürst
Als Kurfürsten werden die sieben Fürsten des Reiches bezeichnet, die nach dem Verfassungsgesetz der "Goldenen Bulle" von 1356 das Recht hatten, den deutschen König zu wählen. Dieses Königswahlrecht bestand schon lange vorher, so dass die "Goldene Bulle" nur einen bestehenden Rechtszustand fixierte.
Unter den Kurfürsten ist der Pfälzer nicht der ranghöchste (das ist der König von Böhmen) und schon gar nicht der mächtigste, aber er ist die Nummer eins. Nach mittelalterlichem Rechts- und Demokratieverständnis ist die erste Stimme die wichtigste, da sich nach ihr die anderen am ehesten richten.
1648 erhält die Pfalz als Ergebnis des Dreißigjährigen Kriegs eine neue, achte, Kurstimme, 1693 erhält Hannover eine neunte. Da indessen der Habsburger als Erzherzog von Österreich auch König von Böhmen war und in dieser Zeit in aller Regel ein Habsburger zum König und Kaiser gewählt wurde, wurde die böhmische Stimme oft nicht ausgeübt.
Bis zur bayerischen Eroberung 1623 ist der Pfälzer Kurfürst der vornehmste im Kürfürstenkolleg. Er hat nicht nur die erste Stimme, er ist auch (zusammen mit dem Kurfürsten von Sachsen) als Reichsvikar Stellvertreter des Kaisers und er ist Oberster Richter im Reich.

Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, Detail der Originalstatue von Johannes Schoch (um 1605) aus der SchlosskapelleWappen des Kurfürsten Friedrich II. am Gläsernen Saalbau, um 1550Pfalzgraf
Pfalzgraf ist eins der schillerndsten Ämter in der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte. Für den Pfalzgrafen bei Rhein war entscheidend, dass er mehrere Traditionslinien in sich vereinigte: Zum einen waren die hochmittelalterlichen Pfalzgrafen eine Art von Beauftragten des Königs auf den Gebieten der rechtsprechung und Verwaltung. Die lothringischen Pfalzgrafen waren mit der wichtigen Kaiserpfalz Aachen verbunden, standen also von je her in unmittelbarer Nähe zum Königtum. Weiterhin war der Raum ihrer politischen Vernetzung das alte Herzogtum Lothringen (weswegen sie zunächst "lothringische Pfalzgrafen" genannt wurden). Dann hatte ihre Machtbasis von Anfang an den Rang eines Herzogtums mit mehr als einem Dutzend Grafen in ihrem Gefolge. Und schließlich sollte die Pfalzgrafschaft bei Rhein in der Mitte des 12. Jahrhunderts einen wichtigen Platz im Gefüge der staufischen Macht einnehmen, weswegen sie im Bereich zwischen Vorderpfalz und Kraichgau noch einmal kräftigen territorialen Zuwachs erfuhr.

Links: Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, Detail der Originalstatue von Johannes Schoch (um 1605) aus der Schlosskapelle

unten: Wappen des Kurfürsten Friedrich II. am Gläsernen Saalbau, um 1550

Wappen
Das Wappen der Kurfürsten von der Pfalz aus dem Haus der Wittelsbacher entspricht auf den ersten Blick dem Wappen der Herzöge von Bayern, die ja aus derselben Familie kamen. Es hat in der vollen Form drei Schilde: Zum ersten den pfälzischen Löwen als das eigentliche Wappentier der Pfalz, zum zweiten die weiß-blauen Rauten ("Wecken") der Wittelbacher Familie und zum dritten den roten Kurschild als das Symbol der kurfürstlichen Würde. Dieser rote Kurschild war bis 1544 leer und nur mit einer Damaszierung geschmückt. 1544 verlieh Kaiser Karl V. dem Kurfürsten das Recht, den Reichsapfel im Wappen zu führen. Seitdem steht der Reichsapfel im roten Kurschild. Steht im dritten Schild etwa ein blauer Löwe, handelt es sich um das Wappen der Seitenline Pfalz-Zweibrücken.
1623, nach der Eroberung der Pfalz im Dreißigjährigen Krieg, nahm der Bayernherzog als Kriegsbeute sowohl die Kurfürstenwürde als auch deren Abzeichen, den roten Schild mit dem Reichsapfel an sich. Seitdem ist dieses Wappen das des Kurfürstentums Bayern. Die Pfalz führte nach ihrer Wiederherstellung 1648 den leeren roten Schild - bis auf eine kurze Unterbrechung während des Spanischen Erbfolgekriegs 1708 - 1714 bis zum Herrschaftsantritt des Pfläzer Kurfürsten Carl Theodor 1778 in Bayern. Das Wappen des vereinigten pfalz-bayerischen Kurfürstentums war wieder die Dreiheit mit dem Reichsapfel.

Schloss
Repräsentativ ausgestattete Residenz eines Adligen. In Heidelberg zeigt sich deutlich die Entwicklung des Schlosses aus der mittelalterlichen Burg, bei der noch ganz die Befestigung im Vordergrund steht. Im Lauf des 16. Jahrhunderts werden die Paläste im Hof immer aufwendiger und die Burg entwickelt sich zum Schloss.

Schlosshof
Der Schlosshof war zu allen Zeiten der Raum, in dem sich das Zeremoniell des Hofes, vor allem beim Empfang von hohen Gästen, abspielte. Dass der Schlosshof von Anfang an fast so groß war wie er sich heute darstellt, ist eine Besonderheit für Heidelberg.

Torturm und Schildmauer von der Terrasse des Schlossgartens aus gesehenTorturm
Der Torturm (links im Bild) ist das höchste Gebäude im Schloss und misst von der Sohne des Grabens aus 53 Meter. Er ist das Gebäude, mit dem der Fürst dem Gast gleich bei seinem Eintreten seine machtvolle Stellung demonstriert. Insofern ersetzt er den bei den meisten mittelalterlichen Burgen vorkommenden Burgtum (Bergfried). Am Torturm war nach außen hin das große kurfürstliche Wappen angebracht, von dem nur noch die beiden Löwen als Schildhalter übrig sind. Auch die beiden Ritterfiguren ("Torriesen") symbolisieren Macht und Stärke.

"Bau"
In Heidelberg heißen die einzelnen Gebäude im Schloss "Bau", anderswo heißen sie "Flügel". Das Heidelberger Schloss hat 9 "Bauten", dazu kommt ein bewohnbarer, ein festlich nutzbarer und ein eher praktisch genutzter Turm. Von den 9 Hauptbauten dienten 7 dem fürstlichen Wohnen, einer war ein reiner Repräsentationsbau, einer diente als Wirtschaftsbau. Von den 7 fürstlichen Wohnbauten entstanden drei im "Goldenen Zeitalter" der Residenz, der Zeit zwischen 1540 und 1620, dazu kommen noch der Repräsentationsbau und der Ausbau des Festsaals auf dem Dicken Turm. Die drei Genannten sind der Ottheinrichsbau, der Friedrichsbau und der Englische Bau, der noch dazu zu zählende Repräsentationsbau ist der Gläserne Saalbau.

Baugeschichte
Das Schloss wurde vermutlich um 1225 als mittelalterliche Großburg über der gleichzeitig gegründete Stadt begonnen. Älteste Reste sind aus dieser Zeit. Die Fundamente von Ludwigsbau und Gläsernem Saalbau stammen wohl ebenso noch aus dem 13. Jahrhundert. Mit dem Ruprechtsbau (um 1420) beginnt die spätmittelalterliche Baugeschichte, in der vermutlich auch schon der Frauenzimmerbau (oder ein ebenso großer Vorgängerbau) entsteht. Unter Kurfürst Ludwig V. wird das Schloss für fast 30 Jahre zur Großbaustelle, im "Goldenen Zeitalter" (1540 - 1620) entstehen schließlich die Renaissancepaläste, die das Bild des Schlosses bis heute prägen.

Renaissance und "Goldenes Zeitalter"
Kurfürst Ludwig V. (reg. 1508 - 1544) kannte von seinen Aufenthalten in Frankreich her die französische Renaissance und scheint sie in Heidelberg fast schon experimentell verwirklicht zu haben. Seine Bauten stehen daher am Beginn der Renaissance, obwohl sie in vielen Details noch sehr spätmittelalterlich anmuten. Die "deutsche" Frühform der Renaissance, die sich an romanischen (in der Art der Römer also errichteten) Bauten orientierte, wurde nicht weiter gepflegt, als man mit Blick auf Italien ein anderes Bild von antiker Kunst gewann. Friedrich II. (1544 - 1556) setzte diese Bautradition, die sehr konservativ wirkt, im Gläsernen Saalbau fort. Erst Ottheinrich (1556 - 1559) wendet sich konsequent den antiken Formen und Mustern zu. Mit Friedrich IV. wird zwar die Renaissance auf klare Ornamentik reduziert, gleichzeitig aber keimen erste frühbarocke Zierelemente auf. Friedrich V. schließlich greift den Klassizismus eines Andrea Palladio auf, setzte aber in Elisabethentor und Gartenbauten gleichfalls deutliche Akzente des Frühbarock.
MIt dieser repräsentativen Ausformung der Paläste einher geht eine wachsende politische Aktivität im Zusammenhang mit den konfessionellen Auseinandersetzungen in Europa. Unter Friedrich III. und Johann Kasimir (1559 - 1576 bzw. 1584 - 1592) greift die Kurpfalz in fünf von acht Hugenottenkriegen in Frankreich ein und unterstützt die Niederlande in ihrem Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien. Ein bereits 1610 eingegangenes politisches Bündnis mit England wird durch die Heirat Friedrichs V. mit der englischen Königstochter Elizabeth Stuart zum verwandtschaftlichen Bund.

Burg-/Schlossgraben
Ein Burggraben ist eine künstlich gegrabene Trennung des Burggeländes vom Umfeld. Stekt man auf der Brücke mit Blick zum Torturm, ist in diesem Sinn "Graben" nur der rechte Teil unterhalb der starken Burgmauer, dazu kommen die ersten Meter auf der linken Seite.
Der breite und tiefe "Hirschgraben" zwischen der "Stückgarten" genannten Aussichtsterrasse und dem eigentichen Schlossgelände ist streng genommen kein Graben, sondern entstand, als das Festungswerk des Stückgartens im Abstand von 20 Metern vor den alten Burgmauern errichtet wurde.

Festung
Das Schloss war als mittelalterliche Großburg im 13. Jahrhundert begonnen worden. Ab dem 15. Jahrhundert musste man mit der Entwicklung der Waffentechnik Schritt halten und befestigte das Schloss weiter. Zuerst wurden ab der Mitte des 15. Jahrhunderts an der Ostseite Artillerierondelle angelegt (Kraut-, Apotheker- und Glockenturm), Dann legte Ludwig V. ab etwa 1520 vor die Westseite das massive Festungswerk des Stückgartens, des Dicken Turms und des Nordwalls. Im 17. Jahrhundert wurden diese Befestigungen dadurch verstärkt, dass man Bastionen davor errichtete und an der Ostseite einen Kasemattengang entlang führte. Schließlich ließ nach 1680 Kurfürst Karl II. noch an der Nordostecke die "Karlsschanze" errichten.

Zugangsportal zur Großen Grotte im SchlossgartenSchlossgarten
Wohl schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bestand ein kleiner ummauerter Bezirk östlich des Schlosses, das "Hasengärtlein". Er war wohl schon als Lustgarten im Stil der französischen Renaissance angelegt. Für den Hof im 16. Jahrhundert war dieser Garten zu klein, eine Erweiterung war technisch nciht möglich. Daher wurde in der Stadt der "Herrengarten" angelegt, in dem Turniere stattfanden und Orangenbäume gezogen wurden. In einem groß angelegten Entwurf ließ Kurfürst Friedrich V. dann ab 1614 das gesamte Gelände östliche des Schlosses planieren und den Hang mit Hilfe von Stützmauern auffüllen - der große Heidelberger Schlossgarten, der viel gerühmte "Hortus Palatinus" entstand. Der Wegzug des Kurfürsten als neu gewählter König von Böhmen 1619 und der ausbrechende Dreißigjährige Krieg verhinderten die Fertigstellung.

Zerstörung
Im Dreißigjährigen Krieg erlitt das Schloss nur geringe Schäden. Nach dem Krieg mussten vor allem die schadhaften Dächer und zerborstene und angefaulte Fenster repariert werden. Plünderungen fanden wohl keine statt. Im Neunjährigen Krieg sollte das Schloss 1689 und 1693 von den französischen Truppen planmäßig in Schutt und Asche gelegt werden, was jedoch nicht vollständig gelang. Was die französischen Agenten 1685 als "Erbe" noch übrig gelassen hatten, wurde spätestens da geplündert.
In den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wurden vor allem die Gebäude an der Nord- und Ostseite des Schlosses wieder hergerichtet, so dass vermutlich Kurfürst Carl Philipp 1719/20 den Apothekerturm bewohnen konnte. Ein Blitzschlag vernichtete allerdings 1764 fast alle Gebäude, das Schloss blieb Ruine.
Vor allem ausländische Besucher fragen ab und zu nach Zerstörungen im 2. Weltkrieg: Keine.

Wiederaufbau
Das Aufkommen des deutschen Nationalismus beflügelte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhhunderts Pläne, das Schloss wieder aufzubauen. Kaiser Wilhelm II. und der badische Großherzog waren dafür, doch blieb der Wiederaufbau auf den Friedrichsbau beschränkt. Seine Fassade zum Hof und zur Stadt hin war noch original erhalten, so dass nur die Innenräume neu gebaut werden mussten. Duch den vollständigen Mangel an Unterlagen über das frühere Aussehen musste der Architekt Carl Schäfer eine neue Renaissance erfinden.
Der darüber ausbrechende "Schlossstreit", ob und vor allem wie weitere Gebäude rekonstruiert werden sollten, verhinderte einen Weiterbau und führte auch dazu, dass der moderne Gedanke des Denkmalschutzes entwickelt wurde.
1934 wurde auf Veranlassung der nationalsozialistischen Regierung Badens der Königssaal wieder hergestellt, 1955 erhielt das Erdgeschoss des Ottheinrichsbaus ein Dach, um Ausstellungs- und Betriebsfläche zu gewinnen, 1957 wurde das eine zerstörte Gewölbe im Ruprechtsbau geschlossen, schließlich wurde in unserem Jahrhundert in den Gläsernen Saalbau ein Dach eingezogen.

Spuren in die Gegenwart
Die Kurpfalz wurde in der napoleonischen Zeit aufgelöst, der rechtsrheinische Teil kam an Baden und als Teil Badens 1952 um Bundesland Baden-Württemberg. Die Erbschaft des Kurfürstentums Bayern, die Kurfürst Carl Theodor 1778 antrat, bringt es mit sich, dass die Könige von Bayern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Nachfahren des pfälzischen Zweigs der Wittelsbacher waren. Nach der Revolution von 1918 verloren sie zwar den Königstitel, tragen aber immer noch den Titel Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein.
Diesen Titel Pfalzgraf bei Rhein trägt auch der Landgraf von Hessen. Seine Familie hatte ihn 1806 wegen Besitzungen im ehemals kurpfälzischen Rheinhessen übernommen.
Die Tochter Friedrichs V. und Elizabeth Stuarts, Sophie, brachte ihren Erbanspruch auf die britische Krone mit in das Haus Hannover, so dass das heutige britische Königshaus sich von den Pfälzer Kurfüsten herleitet.
Ein anderer Sohn Friedrichs V., Rupert, gründete nach einer langen militärischen Karriere im Dienst des englischen Königs Charles I. 1670 die in Nordamerika tätige Hudson's Bay Company und wurde so der erste britische Gouverneur des heutigen Kanada.
Die Enkelin Friedrichs V., die bekannte Liselotte von der Pfalz, wurde über ihre Ehe mit dem Bruder des Sonnenkönigs, dem Herzog Philipp von Orléans, die Stammmutter des französischen Königshauses der Bourbonen, die in der Revolution von 1832 den französischen Königsthron bestiegen und heute den Titel "Grafen von Paris" tragen.
Schließlich ist die Pfalz Namensbestandteil des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz.

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