Elsässisches Museum: Germain, der Elsässer
„Germain! Wie geht’s?“, so grüßten
viele Elsässer Germain Muller, wenn sie ihm auf der Straße
begegneten. Die Anrede zeugt zum einen von Vertrautheit und zum
anderen von Mullers großer Bekanntheit: Der Familienname
erübrigte sich, weil jeder wusste, wer gemeint war.
Germain Muller verband ein familiäres, vertrauensvolles
Verhältnis mit seinem Publikum. Die Menschen sahen in ihm
jemanden, von dem sie sich zutiefst verstanden fühlten und
sogar störende Wahrheiten akzeptieren und – im Falle
des Barabli – Jahr für Jahr wieder hören wollten!
Die liebevolle und fröhliche Satire des Elsass, die Germain
Muller in seiner langen Karriere schuf, hatte in dieser verunsicherten,
einer erträumten Identität nachhängenden Region
eine kathartische Wirkung.
André Wenger (1927-1991),
Illustration des Lackmaier-Sketchs, Siebdruck, 1988
© Archives Germain Muller / Mario Hirlé,
© Famille Wenger Das Konzept der Ausstellung „Germains Elsass“ unterscheidet
sich von dem der Schau „42 Johr Barabli“ aus dem
Jahr 1988, in der Malou Schneider Geschichte und Wirkung des
Kabaretts auf großartige Weise vermittelte. Auch will sie
keinen erschöpfenden Überblick über Germain Mullers
Leben und Schaffen geben; darüber kann man in verschiedenen
Veröffentlichungen nachlesen, und eine Zusammenfassung ist
im „Petit Journal“ enthalten. Ziel ist vielmehr ein
impressionistisches Porträt, das die Sammlung des Elsässischen
Museums um die Zeugnisse einer konkreten Geschichte bereichern
und ihr ein weiteres Kapitel hinzufügen soll. Die Ausstellung
versteht sich als ein Beitrag zu den Bestrebungen, Figur und
Wirken Germain Mullers fest im Kulturerbe zu verankern. Ein weiteres
Anliegen der Initiative besteht darin, den Fundus im Laufe der
Zeit um weitere Berichte, Objekte und Ton- und Bilddokumente
von Besuchern zu bereichern.
Elf in der ständigen Sammlung des Elsässischen Museums
platzierte Video- und Tonaufzeichnungen veranschaulichen folgende
Themenkreise:
- Germain Muller, der Mensch: Kindheit, Ausbildung, künstlerisches
Schaffen, persönliche Erinnerungen u. a.
- Sketche des Barabli mit Bezug zur kulturellen Identität
des Elsass (Sprache und Akzent, häusliches Leben, Regionaltracht,
Wehrpflicht, Wein usw.)
- Musikbeispiele aus dem Programm des Barabli
Neben diesen Highlights sind in der Sammlung verschiedene Exponate
platziert, die bei den Vorbereitungstreffen zur Ausstellung von
Germains vielen Freunden und Mitarbeitern beigesteuert wurden.
Sie erinnern an den Menschen und das Kabarett, heben bestimmte
Aspekte hervor oder erzählen eine Begebenheit, über
die sich die Besucher austauschen können.
Abgerundet wird die Schau mit einem interaktiven Bereich. Hier
können die Besucher in die Rolle eines Barabli-Schauspielers
schlüpfen, Kostüme ausprobieren, Bühnenbilder
auswählen, Karaoke singen. An einem Multitouchscreen lassen
sich 200 Dokumente des virtuellen Germain-Muller-Museums aufrufen,
die Besucher können auch an einem Videoautomaten (entwickelt
mit dem Verein Horizome) einen Kommentar über Germain Muller
oder das Barabli hinterlassen.
Ein sehr bemerkenswerter Aspekt in Germain Mullers Werk ist
die Verwendung der elsässischen Sprache. Seine Stücke
zeigen, dass sich mit dem Elsässischen nicht nur das Alltagsleben
treffend beschreiben lässt, sondern dass es sich auch sehr
gut zur Vermittlung von Humor, Tragik und Poesie eignet. Die
Ausstellung bietet die Gelegenheit, die ansonsten in Museen kaum
präsente Regionalsprache zu hören.
Im Zusammenhang mit diesem Ereignis wird auch die anlässlich
der Schau „Réminiscences“ initiierte Partnerschaft
mit berufsbildenden Schulen der Region fortgeführt. Für „Germains
Elsass“ fertigten Schüler des Ausbildungsgangs „Bühnenberufe
Fachrichtung Kostümbild“ des Straßburger Gymnasiums
Jean Rostand fantastische Nachbildungen von Barabli-Kostümen
an. Ferner befragten vier Klassen der Straßburger Gymnasien
Oberlin und Sainte-Clotilde der Fachrichtung „Pflege und
personennahe Dienstleistungen“ Senioren nach ihren Erinnerungen.
Die Ergebnisse werden in die Präsentation einfließen.
Zur Ausstellung wird das Elsässische Museum in Partnerschaft
mit OLCA auch eine elsässische Fassung seines Audioguides
einweihen. Er kommentiert die ständige Sammlung und bringt
außerdem unveröffentlichte Tonaufzeichnungen aus dem
Programm des Barabli zu Gehör.
Historisches Museum: Die Straßburger Geschichte durch
die Brille von Germain Muller
Der Rundgang präsentiert dem Besucher:
- Sketche über die römischen Vergangenheit der Stadt,
die Angliederung Straßburgs an die Französische Krone,
den Zweiten Weltkrieg, die europäischen Institutionen
usw.
- Germain Mullers Arbeit als Beigeordneter für Kultur im
Straßburger Stadtrat mit der Gründung der Opéra
du Rhin und des Centre dramatique de l’Est
Anhand von Auszügen aus der Revue des Barabli veranschaulicht
die Ausstellung Germain Mullers Auseinandersetzung mit geschichtlichen
Perioden und Ereignissen, die er zum Teil selbst miterlebte.
Ferner beleuchtet sie sein kulturpolitisches Engagement, insbesondere
für das Theater- und Opernschaffen in Straßburg und
im Elsass.
Ines Wagner, Kostümstudie "Die Alemannen", 1988. ©
Inès Wagner
Museum Tomi Ungerer- Internationales Zentrum für Illustration:
André Wenger, Schöpfer der Plakate des Barabli
André Wenger (1927-1991) zählt zu den besten elsässischen
Humorzeichnern des 20. Jahrhunderts. Markenzeichen des Künstlers,
den Daniel Riot sehr treffend den „Liebevollen“ nannte,
waren seine mal schelmischen, mal griesgrämigen Durchschnittselsässer,
mit denen er das Muster des Genres erneuerte.
Wenger war zutiefst in seiner Region verankert und nahm in der
Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace über
lange Jahre Zeitgeschehen und Politiker aufs Korn. Als einer
der Illustratoren des Barabli schuf er von 1969 bis 1988 Bühnenbilder,
Plakate und Programme für die berühmte Jahresrevue
des Kabaretts.
Diesen Aspekt beleuchtet das Museum Tomi Ungerer in Ergänzung
der Germain Muller gewidmeten Ausstellungen im Elsässischen
und Historischen Museum. Germain Muller sagte über André Wenger: „Wenn
der Vorhang gefallen war, war er der Star des Barabli. Wie kein
anderer brachte er den Barabli zum Lachen.“ Wenger erkor
den Gründer des Kabaretts zu seinem bevorzugten Werbemotiv
aus. Dabei gelang es ihm meisterhaft, Mullers Ausdruckskraft
und Urwüchsigkeit einzufangen, ob er ihn zeigte, wie er
sich eine Zigarette am Münsterturm anzündet, oder als „Lackmaier“,
eine zum 300. Jahrestag der Angliederung Straßburgs an
Frankreich geschaffene Figur.
„Seine Karikaturen misshandeln ihre Opfer nie, sie haben
immer auch etwas Herzliches.“ (Tomi Ungerer). Zwar rücken
Präzision und satirischer Gehalt seiner Zeichnungen Wenger
in die Nähe großer französischer Zeichner wie
Poulbot und Dubout. Doch sein Stil hat auch eine typisch elsässische
Weichheit, ganz in der Tradition eines Braunagel oder Schneider.
Das Museum Tomi Ungerer zeigt eine Auswahl von Plakaten und
Programmen der Revue sowie eine Bild-Präsentation mit Aufnahmen
des Barabli.
Dazu: Auditorium der Museen, 6. Mai: „André Wenger,
Illustrator des Barabli“, mit Thérèse Willer
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