Der Name de Barabli
Als Germain Muller und Raymond Vogel bei der Gründung ihres
Kabaretts im Jahr 1946 nach einem Namen suchten, erzählte
Muller, dass die Kabarette in der Schweiz „Kaktus“ oder „Gürkchen“ hießen.
Für „Barabli“ (Regenschirm auf Elsässisch)
entschieden sie sich, weil dieses Wort in den Kriegsgefangenenlagern
als „Beweis für die elsässische Herkunft“ benutzt
worden war: Den Häftlingen wurde ein Regenschirm gezeigt,
dessen Namen sie nennen mussten. Nur Elsässer antworteten
mit „e Barabli“, was ihnen gegenüber Deutschen
zu einer Vorzugsbehandlung verhalf. Letztere beantworteten die
Frage natürlich mit „ein Schirm“.
Das Kabarett trat zunächst in der Aubette auf. 1950 zog
es in das Théâtre du Cercle um und gastierte im
gesamten Elsass. In dieser Zeit erstarkte das kollektive Bewusstsein
wieder, Tabus und die Bedeutung des Staates wurden relativiert,
was zu einer Entheiligung patriotischer oder auch klerikaler
Eitelkeiten führte.
Die Höhepunkte des Barabli
Gemeinsam mit Raymond Vogel, Robert Breysach, René Wieber,
Alfred Litzelmann, Félice Haeuser, Dinah Faust und der
Sängerin Enid Mosier nahm Germain Muller die Thematik des
deutsch-französischen Wechselbades des Elsass aus allen
erdenklichen Perspektiven unter die Lupe.
Mit „La Chambre civique“, einer schonungslosen Satire
gegen die willkürliche Bestrafung eines der Kollaboration
beschuldigten kleinen Elsässers, sprach er seinen Landsleuten
aus dem Herzen, denen nach dem Krieg allgemeines Unverständnis
entgegenschlug.
Links: André Wenger (1927-1991), Programm
der Revue "Mer s’Kanakefollik" (Wir, das Kanakenvolk),
1985
©
Archives Germain Muller / Mario Hirlé , Archives de Strasbourg, © Famille
Wenger
In der Revue „Daawi Miller, beesi Zunge“ (1947)
gibt es die Szene „das chinesische Elsass“, die Frédéric
Hoffet später in seiner Abhandlung „Psychoanalyse
des Elsass“ aufgriff. Die Revue „D’litt han
ke Geld“ (1948) spielt auf den 300. Jahrestag der Angliederung
des Elsass an Frankreich an. Germain Mullers bekanntestes Werk „Enfin…redde
m’r nimm devun!“ entstand 1949. 1953 führte
de Barabli vor dem Hintergrund der Oradour-Affäre das Stück „Die
g’hert verbodde“ auf.
Trotz seines eindeutig kabarettistischen Charakters wurde de
Barabli unter Druck gesetzt und unter dem Vorwand der Störung
der öffentlichen Ordnung mit Schließung bedroht – im
Grunde eine großartige Würdigung von Germain Mullers
Ensemble! De Barabli brachte in den Elsässern mehr als eine
Saite zum Klingen: Sie erkannten sich in ihm wieder.
Als Sprachrohr einer Region, in der sich trotz vieler nicht
verheilter Wunden ein starker Wille zur Erneuerung den Weg bahnte,
spiegelte Germain Muller in seinen Stücken vorwiegend das
politische Zeitgeschehen:
- 1954 „Wie gedruckt“, eine bissige Satire gegen
die elsässische Regionalzeitung „Dernières
Nouvelles d’Alsace“
- 1955 „Dreck am Hewele“ (Dreck am Stecken)
- 1956 „Zehn Johr g’stupf“ (Zehn Jahre gestänkert)
- 1958 „Mach de Gaul nit schej“ (Mach die Pferde
nicht scheu, Wortspiel mit De Gaulle)
Rechts: André Wenger (1927-1991),
Programm der Revue "O Strossburi un Ke End", 1988
©
Archives Germain Muller / Mario Hirlé , Archives de Strasbourg, © Famille
Wenger
Der Theaterautor, Schauspieler,
Dichter, Kabarettist und Kulturpolitiker Germain Muller stach
als subtiler und frecher Geist hervor, als ein engagierter Künstler
mit einem Faible für die Provokation. 1959 wurde er in den Straßburger Stadtrat gewählt,
wo er für Theater, Konzerte, Tourismus und Kulturveranstaltungen
zuständig war. Gleichzeitig schrieb er weiter Lieder und
Texte, die in die Annalen des Barabli eingingen:
- 1963 „Mir sin schient’s d’Letschte!“ (ein
Lieblingslied des Barabli-Publikums)
- 1968 „Schmecksch de bouchon“ (Merkst du, was läuft?)
mit dem Sohn von Dinah und Germain,
Dominique Muller, der frischen Rebellionsgeist einbrachte
- 1969 „Hoppla Schorsch (Pompidou)“
- 1975 „Widder emol 30 Johr franzeesch“ (Wieder mal
30 Jahre Französisch)
Darüber hinaus war Germain Muller auch in anderen kulturellen
Bereichen wie Radio und Fernsehen tätig. |