23.7.19

Blog: Schlösser an der Loire

Schloss Chenonceau

Ist Amboise eher etwas für Geschichte und Eindruck und Stadt und Aussicht auf die Loire, so ist Chenonceaux eher etwas fürs Herz und fürs Empfinden. Es liegt aber auch ZU schön mit seiner Galeriebrücke über den Cher, am einen Ufer gezirkelte Gärten im Renaissancestil, am anderen der ursprünglich anmutende Wald.

Schloss Chenonceau von Westen

Schlafzimmer der Katharina de MediciGalerie, ErdgeschossBlick aus dem Schlossfenster auf den CherTurm der MarquesOben: Schloss Chenonceau von Westen

Darunter: Schlafzimmer der Katharina de Medici

Galerie, Erdgeschoss

Blick aus dem Schlossfenster auf den Cher

Ganz unten: Turm der Marques

Von Bléré nach Chenonceau führt ein wunderschöner Radweg, zum größten Teil am Cher entlang, nur am Ende ein kurzes Stück durch den Ort Chenonceau selbst. Für Frankreich scheint es selbstverständlich zu sein, die Regionen mit Picknickplätzen zu versorgen, und auch die Hütten in der Nähe des Campingplatzes entpuppen sich als lauschige Orte für ein genussvolles Zusammensein in der Natur.

Schloss Chenonceau ist zunächst eine beeindruckende Pappelallee, die direkt auf den Schlosseingang zielt. Der Weg führt über einen tiefen Wassergraben (der kommt noch von der abgebrochenen Vorgängeranlage) und öffnet dabei einen ersten Blick auf die Gartenanlage.

Schloss Chenonceau ist als „Damenschloss“ bekannt. In seiner fünfhundertjährigen Geschichte beherbergte es sieben Frauen, Bauherrinnen, königliche Mätressen, königliche Witwen oder einfach bürgerliche Frauen, die den Mut aufbrachten, das Schloss mit Leben und Sinn zu erfüllen. Begonnen wurde es zu Beginn des 16. Jahrhunderts von der Gattin des königlichen Steuereinnehmer Thomas Bohler, Katherine Briçonnet. Sie ließ eine ältere Burg der Familie des Marques, die den Schiffsverkehr auf dem Cher kontrollierte, sowie die dazu gehörende befestigte Mühle abbrechen und durch einen zweistöckigen, fast quadratischen Palazzo an deren Stelle ersetzen. Nur der Donjon der alten Burg blieb stehen und wurde als bequemer Wohnturm umgebaut. Die Burg selbst verschwand, ihre Stelle wurde zu einem geräumigen Vorhof.

Nach Brohlers Tod ergab eine Finanzprüfung einen Fehlbetrag von 190.000 Livres, die er veruntreut haben sollte. Obwohl es ihm nicht nachgewiesen werden konnte, gaben seine Erben den gesamten Besitz an die Krone zurück und Franz I. nutzte das Schloss als Jagdschloss. Die nächste Besitzerin, Diane de Poitiers, die Geliebte des Königs Heinrich II., plante den Bau einer Galerie über den Cher, von der aber nur der Unterbau als Brücke verwirklicht wurde. Nach dem Tod des Königs ging es nach dem Willen seiner Witwe Katharina de’Medici nicht an, dass Diane weiterhin in einer königlichen Domäne wohnte. Sie veranlasste Diane, Chenonceau zu verlassen und statt dessen Schloss Chaumont zu beziehen. Katharina de’Medici vollendete den Galeriebau, der seither ein bestimmendes Merkmal des Schlosses ist. Darüber hinaus plante sie eine Erweiterung des Schlosses, die den Platz der alten Burg zu einem Schlosshof mit zwei halbrunden Arkadenstellungen samt dahinter liegenden Pavillons aufgeweitet und den Vorhof völlig umbaut hätte. Davon wurde allein der erhaltene Flügel der Orangerie gebaut.

Am Ende des Jahrhunderts war das Schloss ein letzten Mal Sitz einer königlichen Witwe, als Louise von Lothringen, die Gemahlin des Königs Heinrich III., hier einzog. Von ihr wird berichtet, dass sie gemäß der Etikette am königlichen Hof nur Weiß als Trauerkleidung trug. Das mag noch hingehen, aber sie ließ – ebenfalls als Zeichen ihrer Trauer – ihr Schlafgemach vollständig mit einer schwarzen Täfelung auskleiden. Welch ein Kontrast! Die Weiße Königin im schwarzen Raum. Optische Sinnlichkeit lag der Dame sicher fremd, aber ein Ausflug in die Illusion ist über vier Jahrhunderte später erlaubt.

Einen letzten sehr bedeutenden Punkt in der Schlossgeschichte setzte Simonne Menier im 20. Jahrhundert. Sie richtete in den Galerien während des Ersten Weltkriegs ein Lazarett für verwundete Soldaten ein, in dem über 2000 Verwundete ärztliche Hilfe genießen konnten. Im Zweiten Weltkrieg, als der Cher die Grenze zwischen dem besetzten und dem nicht besetzten („Vichy“-) Frankreich bildete, arbeitete Simonne Mennier aktiv im Widerstand und ermöglichte zahlreichen Widerstandskämpfern den heimlichen Übertritt durch die Galerie ins freie Frankreich.

Im Innern sind die Räume im Stil der verschiedenen Schlossbewohner und -bewohnerinnen eingerichtet. Da ist das Schlafzimmer der Diane de Poitiers, der Salon Franz I., das Schlafzimmer der Katharina de’Medici und schließlich ein Schlafzimmer, das gleich fünf Königinnen gewidmet ist. Keines von diesen Zimmern ist natürlich im Original erhalten, aber alle überraschen mit einer unglaublichen Fülle von Tapisserien an den Wänden und geben so einen durchaus lebendigen und realistischen Eindruck von der Pracht eines königlichen Raums.

Königlicher Raum? Nur Bett, Kamin und Wandteppiche? Gehen wir davon aus, dass da wohl noch Tisch und Stühle standen, wie es verschiedene Inventare aus dieser Zeit zeigen, aber ja. Königlich.

Chenonceau ist selbst ein must-see, aber in diesem must-see ist die Galerie selbst noch einmal ein absolutes must-see. Sie ist 60 Meter lang und 6 Meter breit, mit diagonal verlegten schwarzen und weißen Platten belegt. Wer noch nie etwas von Zentralperspektive gesehen oder gelesen hat, hier ist die gebaute Wirklichkeit.

Nach der Besichtigung der Innenräume, die für den einen oder anderen anstrengend sein mag, sollte man unbedingt viel Zeit einplanen für die Außenanlagen und die Landschaft im Umkreis des Schlosses. Der Cher fließt in stiller Ruhe durch den Wald, durchströmt die Zwischenräume der Galerie, es ist einfach friedlich hier – um so friedlicher, je mehr man sich vom Schloss selbst entfernt.

Haben wir Erfahrungen gewonnen? Unbedingt ja – die Schönheit des Ortes ist unvergleichlich, die Reihe der ausgestatteten Schlafzimmer ist eindrucksvoll, die Menge der Wandteppiche kann begeistern. Das sind Dinge, die bleiben.

Was aber auch fasziniert, von Seiten der Architektur, ist der einzeln stehende alte Donjon, der zum Wohnturm ausgebaut worden war. Er ist allerdings erst zu einer Zeit umgebaut und neu durchfenstert worden, als unser Pfalzgraf Ludwig längst nicht mehr in Frankreich war, so dass die Ähnlichkeit mit dem Glockenturm im Heidelberger Schloss rein äußerlich ist und nicht auf ein eventuelles Vorbild hier zurückgeht. Immerhin mag man nach einem gemeinsamen Vorbild suchen.

 

www.chenonceau.com/

Eintritt 11,50 bis 14,50 €

Führungsheft „Château de Chenonceau. Übersicht“ in deutscher Sprache im Eintrittspreis enthalten.

credits:  
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