18.7.19

Blog: Schlösser an der Loire

Amboise, das Schloss des Königs

Wie in Plessis Bourré durchdringen sich auch in Amboise Spätgotik und Renaissance geradezu symbiotisch. Das Schloss trägt die Handschrift des Königs Karl VIII., an dessen Hof sich auch, wohl zu Beginn der 1490er Jahre, Pfalzgraf Ludwig aus Heidelberg aufhielt. Den spätgotischen Flamboyant-Stil zeigen vor allem noch die 1493 erbaute Hubertuskapelle und der Flügel Karls VIII. an der Nordseite. Die beeindruckendsten Bauwerke aber sind die beiden großen Türme, di dem Schloss im Süden und im Norden vorgelagert sind. Das sind keine Verteidigungstürme, diese Türme enthalten gewendelte Rampen, um zu Pferd von der Stadt ins Schloss zu gelangen.

Schloss Amboise von der anderen Seite der Loire gesehen

Um Karl VIII. und seine Politik einschätzen zu können, muss man etwas weiter ausholen. Der große politische Konflikt lag 1490 gerade einige Jahre zurück. Es ging um das Erbe am Herzogtum Burgund, das zum Streit zwischen Habsburg und Frankreich geführt hatte. der deutsche König Maximilian, ein Habsburger, sah sich durch seine Ehe mit der einzigen Tochter des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund, Maria, als Erbe des Herzogtums an. Das aber konnte der französische König, das war zu der Zeit noch Ludwig XI., nicht zulassen, da die französischen Gebiete von Burgund nicht nur französisches Kronlehen waren, sondern auch seinerzeit als Krondomäne als Ausstattung für den zweitgeborenen Sohn des Königs von Frankreich, für Philipp den Kühnen als Herzog von Burgund gedient hatten. Der Konflikt wurde beigelegt, indem die französischen Gebiete an die Krone Frankreichs zurückfielen, Maximilian die Reichsgebiete mit seinen habsburgischen Ländern vereinigte. Eine Machterweiterung, die eigentlich mit dem Erbfall erhofft wurde, konnte keine der beiden Parteien für sich verzeichnen.

Schloss Amboise: erhaltene Schlossflügel auf der Terrasse des SchlossesIn der Folge dient Italien als Konfliktfeld, um genau diese Hegemonialpolitik noch durchzusetzen. Wer Italien hatte, hatte die Vorherrschaft in Europa. Karl VIII. nutzte also alte Erbrechte des Hauses Anjou auf das Königreich Neapel und zog 1494 nach Italien. 1496 kehrte er als Sieger nach Amboise zurück und hatte italienische Künstler im Gefolge, die dann Schloss Amboise im innovativen Renaissancestil weiterbauten.

Es ist im Übrigen interessant, wie sehr die pfälzische Seite in diesen Konflikt eingebunden ist. Zunächst hatte 1445 Kurfürst Ludwig IV. die Witwe des Titularkönigs Ludwig III. von Neapel aus dem Haus Anjou geheiratet – das ist die Familie, deren Erbe jetzt Karl VIII. beanspruchte. Titularkönig bedeutet in diesem Fall, dass die reale Herrschaft in Neapel zunächst bei einem andren Zweig der Familie gelegen und dann auf das Haus Aragon übergegangen war. Also eine politische Demonstration. Und unser Kurfürst Philipp hat seinen Namen nach seinem Urgroßvater, dem eben erwähnten Herzog Philipp dem Kühnen von Burgund.

Auf das burgundische Erbe hatte dann auch Kurfürst Friedrich der Siegreiche spekuliert, indem er sich Hoffnungen auf die Erbtochter Maria von Burgund als Frau seines Neffen und Adoptivsohns Philipp machte. Philipp selbst sah sich durch die Ehen seines Vaters als Nachkommen des französischen Königs Jean le Bon und seines Sohns, des Herzogs Philipp von Burgund – damit vermutlich als gleichrangig mit dem französischen König.

Karl VIII. seinerseits sah den drohenden Verlust der Bretagne, da Anne, die letzte Tochter der bretonischen Herzöge, im Begriff war, den deutschen König Maximilian zu heiraten und ihm damit Ansprüche auf dieses Erbe mit in die Ehe zu bringen. Die Heirat wurde im Dezember 1490 auch geschlossen – in Rennes und per procurationem. Das war vorerst ein Titel für beide. Bevor die Ehe aber vollzogen – und damit rechtskräftig – wurde, griff Karl VIII. zu und nahm sich Braut und Bretagne. Die Ehe wurde 1491 in derselben Kathedrale von Rennes geschlossen, Maximilian hatte die Schmach und das Nachsehen. Die Vergeltung für diese Schmach traf dann einen anderen.

Im folgenden Jahr 1492 schloss Kurfürst Philipp ein gegenseitiges Hilfeabkommen mit Karl VIII, in dem er ihn seinen „lieben Blutsverwandten“ nannte. Offenbar meinte Philipp, in Karl VIII., dem Brauträuber, den passenden Partner im lange schwelenden Konflikt mit Habsburg gefunden zu haben. Es steht zu vermuten, dass 1492 auch Philipps Sohn Ludwig an den französischen Hof geschickt wurde. Der war zu dieser Zeit 14 Jahre alt, im passenden Alter also, um seine Erziehung an einem Königshof vollenden zu lassen.Vermutlich nahm Ludwig am Italienzug Karls VIII. nicht teil, sondern kehrte 1494 wieder nach Heidelberg zurück.

Maximilian konnte die Schmach, die ihm vom französischen König zugefügt worden war, nicht vergessen und reagierte wohl äußerst befremdet angesichts der engen Kontakte zwischen Frankreich und der Pfalz. Er verweigerte zunächst Kurfürst Philipp weiterhin die Belehnung mit den Reichlehen, gab sie ihm aber dann doch – wohl im Zusammenhang mit der Rückkehr Ludwigs nach Heidelberg – 1494 als eine versöhnliche Geste gegenüber dem Pfälzer.

Maximilian forderte dann von Kurfürst Philipp, dass ein jüngerer Sohn an den habsburgischen Hof kommen sollte. Philipp folgte dem Ansinnen und schickte Friedrich, den späteren Kurfürsten Friedrich II., an den burgundischen Hof nach Brüssel. Gleichzeitig schickte er aber Ludwig 1502 ein zweites Mal an den französischen Hof – diesmal nicht mehr zur Vollendung der höfischen Erziehung, sondern zu politischen Gesprächen. Diese aber verliefen ergebnislos – König Ludwig XII. ließ sich nicht zu einem formellen Bündnis mit der Pfalz überreden, der Konflikt mit Habsburg, auf den Philipp mit seiner Spekulation auf das Landshuter Erbe zusteuerte, lag nicht im französischen Interesse.

Pfalzgraf Ludwig indessen dürfte sich bei seinem ersten Aufenthalt sicher, bei seinem zweiten Aufenthalt zumindest zeitweise in Amboise aufgehalten haben. Angesichts der durch seinen Vater Philipp gepflegten Tradition der Königsgleichheit dürfte er zweifellos die Elemente der Selbstdarstellung des französischen Königtums kennengelernt und studiert haben.

Schloss Amboise: Aufgang mit SchlosskapelleZurück nach Amboise. Die Stadt liegt an der Loire, in einem flachen Taltrichter, den das Flüsschen Amasse bei seiner Mündung in den Strom hier gebildet hat, zu Füßen des Schlosses. Der Bergsporn, auf dessen Plateau das Schloss steht, ist gegen die Loire und gegen die Stadt mit starken Mauern gesichert. Das könnte ein Motiv sein, das sich im Kopf des jungen Pfalzgrafen als Ikone der Machtdemonstration festsetzte. Zu seiner Zeit war erst die Hubertuskapelle im Schloss fertig, die Bauarbeiten am Südflügel war noch im Gang.

Der heutige Besucher betritt das Schloss über eine große Rampe und hat gleich zu Beginn die steil aufragenden Unterbauten der Hubertuskapelle im Blick. So eindrucksvoll diese sich erheben, so bescheiden wirkt dagegen die Kapelle selbst. Durch den späteren Abriss der Wohnbauten steht sie heute verloren am Rand des Schlossareals.

Gegenüber erheben sich die zwei übrig gebliebenen Schlossflügel, das sind der erhaltene Bau aus der Zeit Karls VIII. an Nordrand des Plateaus und rechtwinklig dazu der Flügel Franz I. Ersterer wird in Amboise als „die gotische Wohnstätte“ bezeichnet und enthält im Erdgeschoss eine Reihe von Sälen für die Wache, die den Gemächern für den Adel vorgelagert sind. Dass diese Säle aufwendiger gestaltet sind als bloße Unterkünfte für Haudegen, versteht sich von selbst. Im Obergeschoss dann der „Ratssaal“ (Salle de Conseil), zweischiffig und gewölbt. Die Renaissanceformen des Flügels Franz I. finden ihre Entsprechung in drei Renaissance-Räumen, die übrigen wurden im 18. Jahrhundert durch die Herzöge von Choiseul und Orléans grundlegend umgestaltet.

Gibt es „must-sees“? Natürlich muss man die beiden Reiterrampen gesehen haben. Was in Heidelberg eine offene Frage ist (wie kam der Fürst ins Schloss), ist hier auf repräsentative Weise gelöst: Mit einer innen liegenden Rampe, die auch von Kutschen befahren werden kann, werden die 40 Meter Höhenunterschied bewältigt. Die „Tour des Minimes“ ist Teil des Rundgangs selbst, auf dem Dach des Turms öffnet sich ein grandioses Panorama von Stadt und Fluss. Der andere Turm, „Tour de Heurtauld“, ist der gewöhnliche Ausgang zur Stadt.

Eindrucksvoll ist auch die Hubertuskapelle, sowohl in der Ansicht von unten, vom Eingang her, als auch von der Terrasse des Schlosshofs her. Interessant hier die Warmluftheizung hinter den königlichen Betstühlen, die die Askese in einer kalten Kapelle doch auf ein Minimum reduzierten.

Bleibt etwas für den Bezug zur Pfalz und zu Schloss Heidelberg? Ganz sicher – Terrassenmauern, die als Befestigung dienten, wurden standardmäßig abgeböscht. So wie bei der stadtseitigen Mauer in Amboise.

Und die Sache mit der „spätgotischen“ Kapelle, die muss man noch mal aufgreifen.

www.chateau-amboise.com/n/de/

Eintritt 8,80 – 12,80 €

Heft Amboise Château Royal Besichtigungsführer“ in deutscher Sprache im Eintrittspreis enthalten.

Folder mit Veranstaltungsübersicht „Année Léonard de Vinci“ kostenlos.

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