Spatzen
für Ludwigsburg? - Was das Schloss kostete
Schöner Wohnen kostet Geld. Und richtig teuer wird der
Neid der Nachbarn im Schlossformat. Ludwigsburg, Eberhard
Ludwigs Schloss, verschlang bis 1733 mehr als drei Millionen
Gulden. Dazu kamen jährliche Ausgaben für die Hofhaltung
von 391.000 Gulden. Carl Eugen, der ab 1744 regierende Herzog,
verbaute nochmals sechs Millionen Gulden und trieb bis 1765
die jährlichen Kosten der Hofhaltung auf 516.000 Gulden.
Seit dem Beginn des Jahrhunderts hatte sich dieser Posten
damit fast vervierfacht.
Solche Zahlen lassen sich für heutige Leser nur schwer übersetzen.
Die Zahl direkt in heutige Kaufkraft umzusetzen oder auch
einfach die Preise anhand der Löhne und Preise umzurechnen,
scheidet aus, weil die Bedürfnisse im 18. Jahrhundert ganz
andere waren und ein großer Teil der Wirtschaft - und auch
der Löhne und Gehälter - in Naturalien abgewickelt wurde.
Dass die Hofhaltung und der Schlossbau unter Eberhard Ludwig
für ein Viertel des württembergischen Staatshaushaltes zu
Buche schlugen, vermittelt aber doch einen Eindruck von
der Bedeutung der Baukosten.
Herzog Eberhard Ludwigs Bauprogramm entsprang nicht individuellen
Launen, sondern den Spielregeln aristokratischer Politik.
Einem Fürsten war die Aufgabe in die Wiege gelegt, die "Hoheit"
und "Gloire" des eigenen Hauses im Wettstreit der Dynastien
zu mehren. Kleinere und mittlere Potentaten wie die Herzöge
von Württemberg gaben im 18. Jahrhundert für ihren Hof und
ihre Schlossbauten vergleichsweise hohe Beträge aus, weil
ihnen auf diesem Gebiet noch möglich war, was militärisch
außer Reichweite lag: auf der europäischen Bühne etwas vorzustellen.
Herzog Carl Eugens glanzvoller Hof etwa wurde auf dem ganzen
Kontinent gerühmt. Dagegen fielen seine 15.209 Soldaten,
die den Herzog mit 2.107.547 Gulden bedeutend teurer als
die Hofhaltung kamen, gegenüber den mehrere 100.000 Köpfe
zählenden Armeen der Großmächte kaum ins Gewicht.
Nach alteuropäischem Rechtsdenken sollte der Fürst von "Eigenem"
leben: von seinem Hausgut und von den staatlichen Domänen.
Die nicht auf diesen Gütern lebenden Untertanen durfte er
nur mit der Zustimmung ihrer Herren, des Landadels und der
städtischen Oberschichten, besteuern. Ebenso waren die Besitzungen
der Kirche seinem Zugriff entzogen. Groß und mächtig wurden
Staaten, wenn es ihren Herrscherhäusern gelang, diese Aufteilung
zu durchbrechen und ihre Finanzierungsbasis dauerhaft zu
verbreitern. Klein und schmächtig oder - wie im Falle Württembergs
- Mittelmaß blieb die Staatsmacht, wo sich die alten Strukturen
erhielten. Die württembergischen Herzöge konnten nur 4 %
ihrer Untertanen selbst besteuern, weil die Landstände ihr
"gutes altes Recht" zu wahren wussten - notfalls indem sie
beim Kaiser klagten. Und auch der Griff in den "Kirchenkasten"
war für die Herzöge im Prinzip tabu.
Dass sich ein Projekt wie das Ludwigsburger Schloss dennoch
finanzieren ließ, hing an den Inkonsequenzen der Politik
im Ancien Régime. Auch den württembergischen Landständen
war klar, dass sich die Geschäfte des Herzogtums nicht allein
aus der herzoglichen (Privat-) Schatulle finanzieren ließen.
Seit dem 17. Jahrhundert übernahmen die Landstände die beim
Herzog aufgelaufenen Schulden in unregelmäßigen Abständen
- nach mehr oder weniger ritualisierten Streitereien und
gegen politische Zugeständnisse. Gelegentlich half auch
ein Trick: Eberhard Ludwig errichtete sein Schloss teilweise
auf Kirchenland und konnte darum doch Mittel aus dem "Kirchenkasten"
abzweigen. Not und fiskalischer Erfindergeist gebaren schließlich
manch kurioses Projekt. Beispielsweise erhob Eberhard Ludwig
seit dem 1.12.1719 so genannte "Spatzengelder". Jeder Untertan
war verpflichtet, der Obrigkeit jährlich 24 tote Spatzen
abzuliefern. Bei Nichterfüllung wurde ein Strafgeld von
6 Kreuzern fällig. Technisch gesehen war das eine Maßnahme
zur Policey, der Landespflege also. Real handelte es sich
um eine verdeckte Steuer, deren Erträge aber lächerlich
gering blieben. 1724 gingen gerade einmal 2.319 Gulden und
19 Kreuzer ein.$Merke: Anders als es das Sprichwort weiß,
wäre es hier vielleicht manchmal sinnvoll gewesen, auf die
Taube auf dem Dach zu warten.
Text Harald Haury, Staatsanzeiger-Verlag
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