Schlossgeschichten

Schloss Ludwigsburg und die Herren Württembergs - Notizen zur Baugeschichte

Spatzen für Ludwigsburg? - Was das Schloss kostete

Bau- und Sanierungsmaßnahmen in Schloss Ludwigsburg

Neueinrichtung des Schlossmuseums im Alten Corps de Logis und Riesenbau zum Ludwigsburger Schlossjubiläum 2004

Wie richtet man ein Schloss ein ?

Dreihundert Jahre Geschichte in den Räumen Herzog Eberhard Ludwigs und seiner Familie

Das Flair eines festlichen Rokokoappartements aus der Zeit des Herzogs Carl Eugen

  

Wie richtet man ein Schloss ein?

Ein Gespräch mit Dr. Saskia Esser, Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und verantwortliche Kunsthistorikerin für Schloss Ludwigsburg

Vor 300 Jahren wurde das Alte Corps de Logis als ältester Teil des Ludwigsburger Residenzschlosses begonnen. Was ist im Schlossmuseum vom Schlossgründer Eberhard Ludwig nach dieser langen Zeit noch zu sehen?

Esser: Barocke Innenräume waren stark von Textilien, besonders von Wandteppichen bestimmt. Sie gehörten damals zu den teuersten Posten der Raumausstattung. Die Räume des heutigen Schlossmuseums waren zur Zeit Eberhard Ludwigs geradezu mit Tapisserien "tapeziert", die wertvollen Stücke wurden wandfüllend montiert. Vor den Fenstern und den Türen hingen schwere Samtvorhänge. Freilich: aus dieser Zeit ist nicht mehr alles erhalten. Der Geschmack änderte sich von Generation zu Generation, Stoffe verschleißen. Dennoch haben wir das Glück, dass sich im Ludwigsburger Schloss einige Tapisserien aus der Zeit Herzog Eberhard Ludwigs erhalten haben. Die kostbaren Stücke wurden in den letzten Jahren im Vorfeld des Schlossjubiläums aufwändig restauriert und werden bald wieder die ehemaligen Wohn- und Repräsentationsräume des Schlossgründers schmücken.

Woher stammen die Tapisserien des Herzogs Eberhard Ludwig, die heute im Schlossmuseum zu sehen sind?

Esser: Die Tapisserien, die aus der Zeit Eberhard Ludwigs erhalten blieben, sind zum Teil bei ausländischen Herstellern gekauft. Typisch war es, die teueren Stücke bei französischen oder niederländischen Manufakturen zu erwerben. Aber Herzog Eberhard Ludwig wollte die Wirtschaft im Land fördern: Deshalb gründete er 1698 eine eigene Tapisserienmanufaktur in Stuttgart. Er folgte damit auch den zeitgenössischen Wirtschaftstheorien des Merkantilismus. Wir wissen, dass er dafür den hugenottischen Tapisserienweber Charles Leonhardt Tellier aus der Manufaktur Schwabach abwerben ließ. Tellier hatte sein Handwerk ursprünglich in Aubusson gelernt; das war damals ein Zentrum der französischen Tapisserienweberei. Aus der neuen Stuttgarter Manufaktur stammt beispielsweise die Folge der "Vier Jahreszeiten" - die können wir zum Jubiläum wieder im Schlossmuseum zeigen. Durch einen Glücksfall haben sich alle vier Wandteppiche der Serie erhalten: Man erkennt ihre Zusammengehörigkeit daran, dass alle die gleiche prachtvolle Bordüre tragen. Die vier Tapisserien werden ein wunderbar geschlossenes Raumbild erzeugen und uns einen Eindruck der einstigen barocken Ausstattung vermitteln. Für unsere Arbeit hilfreich war übrigens, dass die gesamten Tapisserien der Staatlichen Schlösser in Baden-Württemberg in einem Bestandskatalog wissenschaftlich bearbeitet werden konnten; der Band erschien erst vor 2 Jahren.

Womit waren - außer mit den Tapisserien - die Wohn- und Repräsentationsräume des Schlossgründers noch eingerichtet?

Esser: Höfische Räume waren für heutige Verhältnisse sparsam möbliert. Konsoltische an der Wand, dazu so genannte Gueridons, also kleine Tische, die beispielsweise Leuchter trugen, einige Sitzmöbel. Die Konsoltische hatten ihren festen Platz zwischen den Fenstern. Darüber hing meist ein Spiegel, der zur Zeit von Herzog Eberhard Ludwig gleichfalls ein teures Luxusprodukt war. Die Kombination von Konsoltisch und dem darüber montierten Spiegel wurde als typisch höfisches Ausstattungselement von den späteren Generationen stets beibehalten, auch wenn man sie in der Form dem aktuellen Zeitgeschmack anpasste. Aus diesem Grund stammen die Spiegel und Konsoltische, die man heute in den Räumen sieht, vorwiegend aus der Zeit von König Friedrich I. von Württemberg: Er ließ die Räume Herzog Eberhard Ludwigs um 1800 für hochrangige Gäste modernisieren.
Rechts und links der Konsoltische standen oft die Gueridons, auf denen Girandolen, pyramidenförmige, mehrflammige Leuchter, standen. Die Sitzmöbel, deren Bezüge farblich auf die Wandbespannungen und Vorhänge abgestimmt waren, standen in schöner Ordnung entlang der Wände.

Woher wissen Sie so genau, wie es bei Eberhard Ludwig aussah?

Esser: Wir haben Quellen aus der Zeit des Schlossgründers: die "Mobilieninventare". Beispielsweise: Im Jahre 1721 ließ der Herzog alle mobilen Objekte des Ludwigsburger Schlosses Raum für Raum in ein schriftliches Inventar aufnehmen. Das Inventar von 1721, ein dickes Buch, hat sich bis heute im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart erhalten. Zu den Mobilien zählte man nicht nur die aus Holz geschaffenen Möbelstücke, sondern auch die Wandteppiche, die ja abnehmbar - also mobil - waren, die Spiegel und natürlich auch die kostbaren Leuchter. Wenn das Inventar uns kein plastisches und anschauliches Bild liefert, suchen wir Vergleichsbeispiele der Zeit, etwa zeitgenössische Innenraumansichten, wie sie beispielsweise am Dresdner Hof oder auch in Wien angefertigt wurden.
Grundlage für die Arbeit: Bevor man an die Einrichtung eines Appartements gehen kann, muss man die alten Inventare studieren, die die Ausstattung der einzelnen Räume im Detail beschreiben. Bei jedem einzelnen Stück, sei es eine Wandbespannung, ein Möbelstück oder ein Gemälde, muss man anhand der Inventare durch die Jahrhunderte nachprüfen, wie und wo es verwendet wurde. Um die verschiedenen Einrichtungsphasen der Ludwigsburger Schlossräume zu entschlüsseln, fallen schon mal drei Regalmeter zu sichtendes Aktenmaterial an - niedergeschrieben von verschiedenen Händen und in altdeutscher Schrift! Bei manchen Dokumenten fühlt man sich an das Entschlüsseln von Hieroglyphen erinnert. Besonders, wenn man die später hinzugefügten Randnotizen über Verkäufe und ähnliche oft wichtige Bemerkungen entziffern will, braucht es Übung und Geduld.

Zum Jubiläum wird das Schlossmuseum im Alten Corps de Logis und im Riesenbau mit einer neuen Möblierungskonzeption auftreten. Gab es einen konkreten Anlass für die derzeitigen Veränderungen im Schlossmuseum?

Esser: Wir haben mehr Platz bekommen und damit die Möglichkeit, die Einrichtung des Alten Corps de Logis und des Riesenbaus stärker als bisher auf die Person des Schlossgründers und sein Umfeld abzustimmen. Ab Juni 2004 wird das Schlossmuseum im zweiten Geschoss des Neuen Corps de Logis um die acht Räume des Carl Eugen Appartements erweitert. In diesem Gesellschaftsappartement des Herzogs Carl Eugen wird der umfangreiche Bestand an französischen Möbeln des 18. Jahrhunderts präsentiert - in einer wunderbar erhaltenen Raumfolge aus der Zeit des Rokoko. Herzog Carl Eugen hat die Möbel damals selbst erworben, etwa bei Besuchen in Paris.

Was waren und sind die Gesichtspunkte und Kriterien, nach denen man diese fürstlichen Wohnungen wieder möbliert?

Esser: Grundlage für ein solches Möblierungskonzept war zum einen das schon erwähnte Inventar aus dem Jahre 1721, an dem wir uns orientieren konnten. Zum anderen verfolgen wir das Anliegen, jeweils den ältesten bekannten Bewohner als historische Persönlichkeit anschaulich vor Augen zu führen. Mehrere Porträts, von denen einige im Vorfeld des Jubiläums aus dem Kunsthandel erworben wurden, vergegenwärtigen im Alten Corps de Logis diese Menschen des frühen 18. Jahrhunderts: Herzog Eberhard Ludwig, seine Familie und sein historisches Umfeld, wie beispielsweise Kaiser Leopold I. oder Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden. Im Riesenbau wohnte der jung verstorbene Sohn von Herzog Eberhard Ludwig, Erbprinz Friedrich Ludwig von Württemberg. Außerdem hatte hier der Nachfolger von Herzog Eberhard Ludwig, Carl Alexander seine Wohnung. An diese beiden Männer erinnern gleichfalls Porträts. In den einstigen Räumen Carl Alexanders führen Schlachtengemälde vor Augen, dass er, bevor er Herzog von Württemberg wurde, eine erfolgreiche Karriere als kaiserlicher Feldherr absolviert hatte. Nachdem er an die Regierung gelangt war, kaufte Carl Alexander in Wien die Gemäldesammlung des Grafen Gotter, die seither den Grundstock für den reichen Bestand an barocken Gemälden im Schloss bildet. Um auf diesen gezielten Ankauf hinzuweisen, haben wir zwei mythologische Szenen für das einstige Vorzimmer Carl Alexanders ausgewählt: Die beiden Bilder sind in typisch barocker Weise als zusammengehörige Pendants aufgefasst und hängen jetzt auch wieder als Paar.

Wir hatten noch ein weiteres Ziel bei der Neupräsentation: Wir führen die historische Aufteilung der Raumfluchten in Zugangsräume, Festräume und Appartements vor Augen. Nicht jeder Raum eines barocken Schlosses war gleich prächtig ausgestattet. Innerhalb eines Appartements steigerte sich die Innenausstattung auf raffinierte Weise, um am Ende im Prunk des fürstlichen Audienzzimmers zu gipfeln.

Was musste geschehen, bevor die Räume im Alten Corps de Logis und im Riesenbau wieder eingerichtet werden konnten?

Esser: Für die Neueinrichtung des Alten Corps de Logis und des Riesenbaus konnten wir auf 22 Stücke zurückgreifen, die in den Depots aufbewahrt wurden. Sie konnten jetzt in das Schlossmuseum integriert und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mit acht Neuerwerbungen ergänzen wir in Altem Corps de Logis und Riesenbau den bisherigen Bestand. Für die umfangreichen Umstrukturierungen des gesamten Schlossmuseums wurden in den letzten sechs Jahren knapp 900.000 Euro an Restaurierungsmitteln aufgewandt.
Hinter der Neupräsentation des Schlossmuseums steckt eine enorme Arbeitsleistung der Restauratoren. Sie haben im Vorfeld jedes Stück unter die Lupe genommen und die jeweils geeigneten Maßnahmen zur Konservierung geplant. Ein großer Teil der Mittel entfiel dabei auf die Tapisserien, die in langwierigen Arbeitsprozessen vor dem weiteren Verfall bewahrt werden müssen. Ein fragmentarisch erhaltener Konsoltisch mit prächtig vergoldeten Löwenköpfen aus der Zeit König Friedrichs I. stellte gleichfalls eine besondere Herausforderung dar. Hier waren in alten Handwerkstechniken zentrale Stücke nachzuarbeiten.

Sie sprachen von Neuerwerbungen. Konnten Sie von der einstigen Ausstattung Teile nachkaufen?

Esser: Wichtige Möbel aus der Zeit Herzog Eberhard Ludwigs haben die Zeiten nicht überdauert. Im Audienzzimmer befanden sich beispielsweise, das war im Barock in Fürstenwohnungen so üblich, versilberte Möbel. Im Inventar von 1721 heißt es: "6 gros Massiv silbernen Gueridons mit 6 silberne Leuchter daruf, auch massiv". Die Gueridons (das waren Leuchtertische), und ihre Leuchter wurden schon bald unmodern. Vermutlich hat man sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeschmolzen und das wertvolle Metall für andere Dinge verwendet. Trotzdem konnten die Staatlichen Schlösser und Gärten im Vorfeld des Jubiläums einige Stücke aus der Zeit von Herzog Eberhard Ludwig hinzuerwerben. Beispielsweise stand im Boisserienkabinett des Jagdpavillons ein Schreibsekretär mit kunstvoller Holzeinlegearbeit. Ein mit der Beschreibung im Inventar übereinstimmendes Möbel konnte bereits im Jahr 2000 erworben werden - noch dazu angefertigt von dem Kirchheimer Kunstschreiner Isaak Roos, der nachweislich für Eberhard Ludwig gearbeitet hat. Wir haben es jetzt genau an die Stelle platziert, an der ein solcher Schreibsekretär 1721 laut Mobilieninventar stand.

Ein wichtiger Neuzugang ist auch das 1999 erworbene Porträt der Erbprinzessin Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt. Sie bewohnte die Gemächer zur Linken des zentralen Speisesaals im Alten Corps de Logis - und hatte damit die zweitwichtigste Wohnung in der Rangfolge der Räume. Als Gemahlin des Erbprinzen und Schwiegertochter des Herzogs Eberhard Ludwig war sie am Ludwigsburger Hof die erste Dame (die rechtmäßige Gemahlin des Herzogs residierte ja in Stuttgart). Ihr Gemälde, auf dem sie auf einem blau gepolsterten Fauteuil posiert und einen Mops bei sich auf dem farblich passenden Taburett sitzen hat, wird ab Mai zum ersten Mal in ihrem einstigen Audienzzimmer zu sehen sein.

Hat es im Vorfeld des Jubiläums auch überraschende Entdeckungen gegeben?

Esser: Ja! Wir haben beispielsweise im ehemaligen Audienzzimmer von Herzog Eberhard Ludwig eine originale Wandbespannung entdeckt - allerdings nicht die des Barock, sondern die der klassizistischen Ausstattung durch den Architekten Nikolaus Friedrich von Thouret. An einigen Stellen hat sich der Stoff, apricotfarbene Seide (oder wie der alte Fachbegriff heißt: "Seidengourgourand") in seiner ursprünglichen Farbigkeit erhalten. Wir konnten ihn daher nachweben lassen. Unter Nikolaus Friedrich von Thouret erhielt der Raum passend zur Wandbespannung neue Supraporten. Auch diese dekorativen Gemälde über der Tür sind wieder aufgetaucht: Sie haben sich gleichfalls erhalten und ergänzen das Ensemble wunderbar. Sie sehen: Dreihundert Jahre württembergische Geschichte sind im Ludwigsburger Schloss auch dreihundert Jahre Ausstattungsgeschichte.

Text: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg


   

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