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Der Keuschheitsgürtel – Realität oder Legende?

Keuschheitsgürtel, 18./19. Jahrhundert, Eisen, SamtDie Geschichte des Keuschheitsgürtels ist ein Phänomen: Die meisten werden wohl schon einmal davon gehört haben und haben ein Bild im Kopf, regt er doch seit vielen Generationen die Fantasie der Menschen an. Auch als Florentiner Gürtel bekannt, schürt er düstere Imagination und evoziert Bilder grausamer Bestrafung, Kasteiung oder ausschweifender Wollust. Doch was können wir überhaupt mit Sicherheit sagen? Und was ist dran an diesem Bild?

Keuschheitsgürtel, 18./19. Jahrhundert, Eisen, Samt
© Badisches Landesmuseum, Foto: Danz

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Keuschheitsgürtel in verschiedenen Museen ausgestellt. Die Präsentation stützte sich auf die Annahme, dass dieses eiserne Zwangskorsett ein Relikt aus dem Mittelalter sei: Im Angesicht eines bevorstehenden Kreuzzuges in den Nahen Osten wollte sich manch Edelmann von quälenden Gedanken befreien, seine Gemahlin könnte sich während seiner monate- oder gar jahrelangen Abwesenheit einen Liebhaber suchen. Um dies auszuschließen, zwang er sie, sich einen Keuschheitsgürtel anzulegen, der den Unterleib fest verschloss. Er selbst verriegelte ihn und nahm den Schlüssel mit ins Heilige Land, um sich der Enthaltsamkeit seiner Angebeteten gewiss zu sein.

Aus wissenschaftlicher Sicht scheint dieser Zweck allerdings wenig realistisch. Das dauerhafte Tragen eines Keuschheitsgürtels wäre nicht nur äußerst unhygienisch, es würde auch zu Infektionen führen, die angesichts der im Mittelalter herrschenden hygienischen Bedingungen zu schweren Krankheiten und schließlich zum Tode geführt hätten. Der Mythos scheint endgültig widerlegt, da die ausgestellten Keuschheitsgürtel bekannter Museen wie dem Pariser Musée de Cluny oder dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg als europäische Erzeugnisse des 18. oder 19. Jahrhunderts enttarnt wurden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit waren sie zu keiner Zeit dazu bestimmt, über einen längeren Zeitraum getragen zu werden.

Auch das Exemplar des Badischen Landesmuseums wird auf das 18. Jahrhundert datiert. Die feine und aufwendige Ornamentik, der eingenähte rote Samt sowie die eingelassenen Herzen legen die Vermutung nahe, dass es sich weniger um ein Instrument zur fremdgesteuerten oder selbst auferlegten Sicherstellung sexueller Enthaltsamkeit gehandelt haben mag. Vielmehr könnte es – und der Umkehrschluss ist hier vielleicht das Bemerkenswerte bei der Entschlüsselung des Rätsels um das Artefakt – als Spielzeug zur Steigerung sexueller Lust gedient haben.

 

30.9.2017 – 5.8.2018
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Text: BLM

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