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Uhlandhaus (Tübingen)

Uhlandhaus Tübingen, Ansicht von der StraßeUhlandhaus Tübingen, FlurJahrelang sorgten sich die Restauratorin Simone Korolnik und der Journalist Burkhard Baltzer um den Zustand des stattlichen Hauses in der Tübinger Altstadt, in dem sie zur Miete wohnten. Das Dach war undicht, und eingedrungenes Wasser zog mehr und mehr die Fachwerkkonstruktion in Mitleidenschaft. Sanitäreinrichtungen und Brandschutz waren unzureichend, die Wohnungen feucht und durch unsachgemäße Renovierungen in den 1990er-Jahren in ihrem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt worden.

Dabei bildete das Gebäude in der Zeile der hohen Giebelhäuser einen besonderen Glanzpunkt der Neckarhalde, einer der schönsten Straßen der Universitätsstadt. Der eindrucksvolle, tief in den Boden eingegrabene Gewölbekeller, direkt von der Straße aus durch eine steile Treppe erschlossen, und der vom Keller bis auf das Niveau des Neckars hinabreichende Brunnenschacht stammen spätestens aus dem 16. Jahrhundert. Das steinerne 1. Obergeschoss, zwei weitere Geschosse in verputztem Fachwerk und die zwei Dachgeschosse sind ein repräsentativer Neubau des Jahres 1772, der nicht nur in der spätbarocken Fassadengestaltung, sondern auch in der inneren Ausstattung mit Türen, Böden und Stuckdecken in seiner Substanz noch gut erhalten ist. Eine Tafel an der Fassade vermeldet zudem, dass hier 1787 der schwäbische Dichter und Politiker Ludwig Uhland geboren wurde, ein weiterer Grund, warum das Haus 1993 als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuch eingetragen wurde. Den Niedergang des Anwesens schien dies trotzdem nicht aufzuhalten, was bis in die Lokalpresse hinein thematisiert wurde.

Die Wende kam erst mit der Entscheidung der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG, sich von der Immobilie zu trennen. Korolnik und Baltzer beschlossen deshalb 2014, selbst als Käufer aufzutreten. Mit dem syrischen Arzt Rami Archid sowie Erika Gaier und Jürgen Heerlein fanden sie weitere Miteigentümer und potentielle Bewohner, um nun als Baugemeinschaft bürgerlichen Rechts eine professionelle Sanierung des wertvollen Hauses in Angriff zu nehmen. Das Planungsbüro für Architektur und Denkmalpflege Lukaschek & Zimmermann in Bad Schussenried wurde mit einer detaillierten Schadensaufnahme beauftragt, und förderte eine Fülle von Baumängeln bis hin zu massivem Schwammbefall zutage. Die Architektin Verena Klar in Mähringen und der Architekt Pierre Archid in Tübingen leiteten danach die Bauarbeiten, an der zwei begutachtende Restauratoren, ein Statiker, ein Energieberater und nicht weniger als 17 Handwerksfirmen unterschiedlichster Gewerke beteiligt waren. Zudem brachten sich die Eigentümer mit viel Eigenarbeit ein, um die Kosten niedrig zu halten.


Uhlandhaus Tübingen, Innenraum

Es gelang, die erhaltene Originalsubstanz weitestgehend zu bewahren, ohne gravierende Eingriffe in die Struktur heutigen Ansprüchen an Sicherheit, Haustechnik und Hygiene zu entsprechen und den Wohnwert deutlich zu steigern. Der Rückbau von abgehängten Decken, aufgedoppelten Fußböden sowie anderen unzulänglichen „Modernisierungen“ der letzten Jahrzehnte machen die Geschichtlichkeit des Hauses wieder erlebbar. Beispielhaft fand die Jury zudem, wie die vier Eigentümer trotz unterschiedlicher Herkunft und Berufe sowie begrenzter Mittel sich gemeinschaftlich auf das Projekt eingelassen haben und das Haus unter Zurückstellung von Einzelinteressen weiterhin als bauliche Einheit erscheint.

© Text: Schwäbischer Heimatbund 2016
© Bilder: Preisträger (oben), Ulrich Graef (untere beiden)

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