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Stadthaus in Konstanz

Stadthaus in Konstanz, StraßenfrontSichtbar gemachte ältere Baustadien der WändeModerne eingezogene TreppeGerade einmal 69 Quadratmeter misst die Grundstücksfläche des Kleinhauses in einer Altstadtgasse von Konstanz, das den Architekten Rolf Huesgen schon seit längerem interessierte. Es stand viele Jahre leer, weil sein Zustand völlig heruntergekommen war und der Grundstückszuschnitt bei einer Breite von wenig mehr als drei Metern ein Wohnen nach heutigen Vorstellungen kaum zuzulassen schien. Rolf Huesgen reizte aber die Aufgabe, das bis ins Mittelalter zurückreichende Kulturdenkmal in sein künftiges Wohnhaus umzuwandeln.

Bauforschung und Bauaufnahme durch Burghard Lohrum, Befunduntersuchungen durch den Restaurator Robert Lung sowie archivalische Recherchen und die Erfassung der kompletten Ausstattung in einem Raumbuch klärten zunächst die komplexe Geschichte des verwinkelten Anwesens, dessen baulicher Bestand bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Keller ließ sich dendrochronologisch auf 1290 datieren, wobei dieser sogar die ottonische Stadtmauer mitverwendet hatte. Die Fachwerkkonstruktion wurde um 1356 errichtet und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die heutige Tiefe des Grundstücks erweitert. War der Bau zunächst über Jahrhunderte offenbar nur ein Speicherbau eines der Nachbarhäuser, so zeugt der Einbau einer Bohlenstube mit einer Bretterbalkendecke ab dem 16. Jahrhundert auch von einer kontorähnlichen Nutzung. Erst Veränderungen des späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert belegen eindeutig die Funktion als beheizbares Wohnhaus.

Die genauen Voruntersuchungen schärften den Blick für die historischen Wertigkeiten, was für eine substanzschonende Sanierung unverzichtbar ist. Notwendige Modernisierungseingriffe wurden so gelenkt, dass die historische Substanz weitestgehend erhalten blieb. Die durch die große Haustiefe bedingte unbefriedigende Belichtungssituation ließ sich durch ein von der Straße aus nicht sichtbares, schlitzförmiges Atelierfenster im Dach lösen. Von dort fällt das Tageslicht in der Mitte des Hauses durch Glasböden von oben bis ins Erdgeschoss. Auch dank der Wiederöffnung des nachgewiesenen Bandfensters des 16. Jahrhunderts zur Straße wurde es heller im Haus. Neue Elemente sind bewusst in modernen Formen ausgeführt, während mittelalterliche Oberflächen bis hin zu Tapetenresten des 20. Jahrhunderts restauratorisch gesichert in die collageartige Gestaltungskonzeption einbezogen wurden.

Die aufwändige Sicherungsmaßnahme führt beispielhaft vor Augen, dass auch eine äußerst schwierige und sensible Denkmalsubstanz mit zeitgemäßen Wohnansprüchen verbunden werden kann. Es gelang der Spagat zwischen denkmalgeschützter Bausubstanz, Wiederherstellung des statischen Gefüges ohne zerstörerische Eingriffe, modernem Energiekonzept und den heutigen Funktionen eines kleinen Einfamilienhauses von 100 Quadratmetern Wohnfläche auf vier Ebenen.

© Text: Schwäbischer Heimatbund 2016
© Bilder Ulrich Graef (oben), Bernd Langner (Mitte), Rolf Huesgen (unten

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