Das Zeigen von Geschlechtsorganen hat nicht immer einen
erotisierenden Hintergrund. Aus der Verhaltensforschung
bei Affen kennt man das Präsentieren der Genitalien
als Abwehrhandlung. Neben dem Vulva- und Penisweisen existiert
bei Primaten das drohende Starren oder Zähnefletschen.
Diese Verhaltensmuster wurden auch bei einfach lebenden
Jäger- und Sammlervölkern beobachtet. Neben der
Abwehrgestik wurde auch das Verspotten durch Zeigen der äußeren
Geschlechtsmerkmale beobachtet. Das Abwehrprinzip und Verspotten
eines Gegners funktioniert nicht nur unter den lebenden
Menschen selbst, sondern auch bei einer Übertragung
dieser Gestik auf eine Figur oder einer Darstellung als
Zeichen. Auf Türstöcke gemalte Phalli und Handabdrücke
sollen übel gesinnte Mächte abwehren und beschwichtigen.
Eine Deutung der Venusstatuetten, der in Höhlenwänden
eingeritzten Phalli und Vulven und der aufgemalten Handzeichen
geht soweit, darin ebenfalls frühe Bannzeichen zu
sehen. Bis ins Christentum hat sich die Tradition der Abwehrzeichen
an Kirchen erhalten.
Die Verhaltensforschung sieht also im Zeigen der weiblichen
Scham oder der männlichen Geschlechtsteile einen aggressiven,
bannenden Hintergrund. Ganz anders verhält es sich
mit der Geste des weiblichen Brustzeigens. In verschiedenen
regionalen Kulturen und Zeiten wird beobachtet, dass Frauen
ihre Hände unter die Brust legen und diese leicht
anheben. Stillende Mütter lassen dabei Milch hervorspritzen.
Dieses Verhalten soll beschwichtigend wirken und Verbindungen
stiften. In verschiedenen archaisch lebenden Kulturen werden
Krieger in eine Gruppe aufgenommen, indem diese an der
Brust der Stammesältesten saugen. Sie werden so zu
Milchbrüdern der gesamten Sippe. Auch verschiedene
Statuetten der Jüngeren Altsteinzeit zeigen die Geste
des Brustweisens. Ob dieselbe Absicht dahinter steht, wie
bei den anderen, wesentlich jüngeren Figuren, ist
nicht gewiss.
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