Das älteste Pin-Up der Welt“ titelte die Zeitschrift
GEO zur Entdeckung der Venus vom Hohle Fels. Die Begeisterung über
den „XXL-Busen“ (BILD) oder die „sexuelle
Energie“ (FAZ) war groß. Die Venus vom Hohle
Fels schlug ein wie eine Bombe! Ist sie aber deswegen auch
eine Sexbombe? Keine andere altsteinzeitliche archäologische
Fundkategorie steht so stark im ideologischen Kreuzfeuer,
wie die Venusstatuetten. Waren die Figuren nun in Frauenhand
oder waren sie in Männerhand? Je nach dem werden die
Figuren als Beweis für eine naturgegebene sexuelle
Dienstbarkeit der Frau gegenüber dem Mann gesehen
oder als Beleg für die natürliche Überlegenheit
der Frau.
Die starke Betonung der Geschlechtsmerkmale wird als ein
Beleg dafür gesehen, dass die Figuren von Männern
für Männer erschaffen wurden. Während einsamer
Jägerstündchen soll sie Begleiterin gewesen sein.
Sexualhistoriker sehen im Aufkommen der Statuetten den
Beginn der Geschlechtertrennung und die Definition der
Frauenrolle allein über ihre Geschlechtlichkeit.
Die Venusfiguren der Jüngeren Altsteinzeit werden
aber vor allem gerne mit dem Etikett „Fruchtbarkeitssymbol“ ausgezeichnet.
Doch war damals eine große Kinderzahl überhaupt
erstrebenswert? Eiszeitliche Jäger-Sammler-Gruppen
waren mobile Gemeinschaften. Feste Wohnsitze, Reichtümer
oder ein Besitz, der über das hinausging, was man
tragen konnte, gab es nicht. Die Menschen lebten im Rhythmus
der jahreszeitlichen Wanderungen der Tierherden. Unter
diesen Lebensbedingungen war eine Steigerung der weiblichen
Fruchtbarkeit nicht erwünscht. Ein Stamm darf nicht
zu viele Kinder haben, sonst können die Erwachsenen
sie nicht mehr versorgen.
Erst mit der Jungsteinzeit werden die Menschen sesshaft.
Je nach Region begannen die Menschen vor über 10.000
Jahren damit, Siedlungen aus festen Häusern anzulegen.
Die Lebensgrundlage stammte aus Gärten und von Ackerflächen.
Tierherden lieferten Rohstoffe und Fleisch. Jetzt wurden
die Gemeinschaften größer. Es entstand ein neues
Gesellschaftssystem, das auch die Arbeitsteilung vorsah.
Gezielte Nahrungsproduktion und Vorratshaltung führten
zu einer Bevölkerungszunahme. Die Fruchtbarkeit bei
den Tierherden und den Frauen war nun erwünscht. Bei
der Betrachtung der Frauenstatuetten muss klar unterschieden
werden, aus welcher Vorstellungswelt und Wirtschaftsweise
heraus diese entstanden sind.
Verschiedene Deutungsansätze sehen die altsteinzeitlichen
Venusstatuetten in Frauenhand. Die Figuren werden beispielsweise
als Geburtsbegleiterin, Hebammenwerkzeug oder Deflorationsinstrument
bei der Initiation junger Mädchen gesehen. Auch könnten
die Figuren Sinnbilder für Frauen in allen Lebensabschnitten
sein, von der Pubertät bis zur Menopause. Statuetten
mit eindeutigen Schwangerschaftszeichen sind seltener als
allgemein angenommen. Auch gibt es so gut wie keine eindeutigen
Mutter-Kind-Darstellungen. Die Figurenreihen aus russischen
Fundstellen könnten zum Beispiel Ahnfrauen verschiedener
mütterlicher Familienlinien symbolisiert haben.
Die Fundzusammenhänge für die Statuetten sind
nicht einheitlich oder eindeutig. Vor allem bei den sibirischen
Figuren ist beobachtet worden, dass diese in kleinen Gruben,
meist in der Nähe der Feuerstelle lagen. Andere Beispiele
zeigen, dass die Objekte weggeworfen wurden. Aus solchen
Fundzusammenhängen wird wahrscheinlich, dass die Figuren
einen eindeutigen Zweck hatten. Möglicherweise fanden
sie wie Amulette Verwendung als magisches Schutzobjekt,
das nach Erfüllung seines Zwecks verworfen wurde.
Keine der Figuren wurden in einer Grabstätte gefunden
oder in einem anderen eindeutigen geschlechtlichen Zusammenhang.
Männer- und Frauendarstellungen der Jüngeren
Altsteinzeit zeigen in jedem Fall einen positiven Umgang
mit körperlicher Nähe und Nacktheit. Die Gestaltungsweise
der Statuetten eröffnet einen Zugang zur möglichen
Deutung der Darstellungen. Ob nun rundlich oder schlank – das
Geschlecht der altsteinzeitlichen Venus wird ganz klar überbetont.
Die Figurinen signalisieren Weiblichkeit und Sexualität
gleichermaßen. Sie stehen in Verbindung mit Geburt
und Fortpflanzung. Diese Deutungsansätze, mögen
sie nun von Frauen- oder Männerseite kommen, schließen
sich gegenseitig nicht aus. Es existiert ein natürlicher
Zusammenhang von Erotik, Sex, Schwangerschaft und Geburt.
Ohne die sexuelle Begegnung beider Geschlechter wäre
Fortpflanzung nicht möglich. Und allen Jäger-und-Sammler-Kulturen
ist der Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung
bekannt.
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