Die Staufer und Italien


Rundgang durch die Ausstellung

 

Auf insgesamt drei Stockwerken entfaltet sich dem Ausstellungsbesucher die Welt der Stauferzeit. Die Ausstellungsmacher entführen ihn auf eine spannende Zeitreise in die europäische Vergangenheit. Dabei begegnet er anhand kostbarer Exponate den kulturellen Errungenschaften, die während der staufischen Herrschaft die europäische Gesellschaft prägten. Im Mittelpunkt stehen die drei Regionen Rhein-Main-Neckar-Gebiet, Oberitalien und Sizilien, die sogenannten Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa. Hier fanden wesentliche gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen statt, die weit über die Regionen hinausweisen und die abendländische Epoche des 12. und 13. Jahrhunderts prägen sollten.

I. Auftakt: Staufermythen

Am Anfang des Ausstellungsrundgangs, der sich in insgesamt sechs Themenabschnitte gliedert, stehen die „Staufermythen“. Das Erbe der Staufer in unserer heutigen Zeit spielt hier eine wichtige Rolle. Schlaglichtartig werden die geläufigsten Mythen und Meistererzählungen um die bekannteste Herrscherfamilie des Mittelalters beleuchtet. Dazu zählen der schlafende Barbarossa im Kyffhäuser ebenso wie die Verherrlichung des Jünglings aus Apulien, Friedrich II. Die Bandbreite erstreckt sich von nationalen Instrumentalisierungen der letzten beiden Jahrhunderte in Deutschland wie in Italien hin zu populären Aufarbeitungen, wie sie den erfolgreichen Ausstellungen zu diesem Thema (1977 in Stuttgart, 1995/1996 in Bari und Rom und Palermo) geboten wurden.

II. Die Staufer: Aufstieg einer Familie

Die neun staufischen Herrscher von Konrad III. (1138-1152) bis Konradin (1262-1268) prägten die europäische Geschichte des Hochmittelalters entscheidend. Eingesetzt als schwäbische Herzöge, gewählt zu römischen Königen und erhoben in den Rang römischer Kaiser standen die Staufer an der Spitze der mittelalterlichen Hierarchie und regierten darüber hinaus auch als normannische Könige und Erben des Königreichs Jerusalem bisweilen weite Teile des christlichen Abendlandes. Dieser Themeneinheit spürt den Wurzeln der Familie nach, deren Ursprünge im Dunkeln liegen. Anhand von Siegelbildnissen wird der Aufstieg in den höchsten Rang des Reiches nachgezeichnet. Ambitioniertes Auftreten, politisches Durchsetzungsvermögen und historisches Legitimationsbedürfnis fanden ihren Ausdruck in zahlreichen zeitgenössischen Text- und Bildquellen, so zum Beispiel in der Weingartener Welfenchronik, die ein facettenreiches Bild der staufischen Familie und ihrer Mitglieder zeichnen. Eine Inszenierung der Grabmalanlage von Palermo leitet als Schlusspunkt dieser Abteilung über zur nächsten Sequenz „Italien: Vorbild und Faszination“.

III. Italien: Vorbild und Faszination

Eine der spannendsten Fragen früh- und hochmittelalterlicher Herrschaft ist die nach der Bedeutung Roms. Seit Karl dem Großen sind Romzüge zur Kaiserkrönung nicht aus dem Herrschaftsverständnis mittelalterlicher Herrscher wegzudenken. Daher gewann Italien zunehmend an Bedeutung für die nachfolgenden Herrscher bis hin zu den Staufern – für manche Regenten wurde die Herrschaft in Italien sogar wichtiger, als die Geschicke des Reiches nördlich der Alpen zu lenken. Mit Rom rückten antike Regenten als Vorbilder und mit ihnen deren Herrschaftszeichen sowie Bau- und Kunstwerke der Antike in den Blick. Die Ausstellung wird diese beiden Facetten exemplarisch aufzeigen: Übersichten zu Aufenthalten und Residenzorten der Staufer in Italien, Herrschaftszeichen wie Augustalen stehen neben der Herrscherreihe, in der ein Anschluss an Augustus gesucht wird. Außerdem werden höfische Sammlungen kostbarer Dinge, die nach antikem Vorbild gefertigt wurden, gezeigt. Dazu gehören beispielsweise kostbare Gemmensammlungen.

IV. Beschleunigung: Drei Kraftregionen in Stauferreich

Innerhalb des weiträumigen Herrschaftsbereiches der Staufer lassen sich bestimmte regionale Schwerpunkte erkennen. Bischofsstädte, Pfalzen und Kastelle waren wichtige materielle und personelle Stützen der hochmittelalterlichen Politik und ihr Stellenwert für die Herrschaftspraxis wurde bereits von den Zeitgenossen erkannt. Regionen an Rhein-Main- Neckar, am Po und das Königreich Sizilien mit Apulien und Kalabrien lassen sich auch als Kernregionen staufischer Herrschaft bezeichnen. Einzelne Orte, wie Mainz und Wimpfen, Mailand oder Palermo wurden zu Schauplätzen glänzender Hoffeste und Hoftage oder zum erbitterten Gegner in kriegerischen Auseinandersetzungen, aber auch zum Hort des Wissens und Zentrum künstlerischer Aktivität.

Der Austellungsbesucher „durchwandert“ im Folgenden die drei Regionen von Nord nach Süd. Symbolischen Eingang in jede Region bietet jeweils eine inszenierte Toranlage als Sinnbild vergangener Toranlagen aus der jeweiligen Region. Unter den hier präsentierten architektonischen Kunstschätzen befindet sich auch das eindrucksvolle Ensemble der Brückenfiguren aus Capua. Die Geschichte ausgewählter Orte entfaltet sich dem Besucher in dieser Themeneinheit auf einzigartig erlebbare Weise: Neuartige Filminszenierungen erwecken die mittelalterlichen Städte Worms, Mailand und Palermo anhand detailreicher Rekonstruktionen erstmalig zum Leben. In diesem Ausstellungsbereich erwartet den Besucher das Titelmotiv der Ausstellung, der „Thronende König“ aus dem New Yorker Metropolitan Museum. Ursprünglich stand die Steinskulptur wohl in Italien. Wissenschaftler vermuten, dass sie ursprünglich in der Nähe eines öffentlichen Gebäudes, beispielsweise einem Stadttor oder Gerichtshof, aufgestellt wurde.

V. Gelebte Vielfalt

Die Begegnung mit vergangenen Lebenswelten prägt den weiteren Verlauf des Ausstellungsrundgangs. Als Herrscher über weite Teile Mittel- und Südeuropas regierten die staufischen Könige und Kaiser zweifelsohne eine hohe Bevölkerungszahl und vereinten eine Vielzahl unterschiedlichster Lebensordnungen unter ihrer herrschenden Hand. Ungleiche Voraussetzungen führten nördlich wie südlich der Alpen zu verschiedenen Ausprägungen der Lebensverhältnisse. Die nun folgende Themeneinheit „Gelebte Vielfalt“ hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Lebenswelten historisch erfahrbar zu machen und miteinander zu vergleichen.

Wie hat man sich die mittelalterliche Lebenswelt vorzustellen? Die Sachkultur des Mittelalters bietet viele Hinweise, den „Alltag" des 12. und 13. Jahrhunderts wieder erstehen zu lassen. Archäologische Befunde dokumentieren die Wohn- und Esskultur und geben spannende Einblicke in die Lebensverhältnisse eines Wohnhauses in der Rhein-Main- Neckar-Region oder eines königlichen Kastells in Süditalien. Erhaltene Inschriften und Schriftzeugnisse berichten vom Nebeneinander unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen multiethnischer Prägung, die in einer städtischen Gemeinschaft ein friedliches Auskommen miteinander suchten, wie beispielsweise die Araber in Messina, die jüdischen Gemeinschaften in Parma oder in den rheinischen Bischofsstädten Worms und Speyer. Schriftliche und künstlerische Zeugnisse ermöglichen interessante Einsichten in Denkweise und Mentalität der Menschen unterschiedlichen Standes. Wissensstand und Wissensvermittlung der Menschen des Hochmittelalters werden exemplarisch an den Schriften der Hildegard von Bingen nachvollziehbar. Das staufische Jahrhundert gilt als Hochblüte der höfisch-ritterlichen Kultur. Jagd und Minne als Formen adeligen Zeitvertreibs stehen daher auch im Mittelpunkt des Interesses dieser Abteilung, die frühe mittelhochdeutsche Dichtung und adelige Repräsentationsobjekte zeigt.

VI. Verwandlungen des Stauferreichs

Der nun folgende Themenbereich „Verwandlungen des Stauferreichs“ will Aspekte des Wandels, wie ein verändertes Herrschaftsverständnis, die neuen kirchlichen Strukturen und Heiligkeitsideale, die aufblühende Wissenskultur und der Aufstieg der Universitäten, die gesellschaftlichen Umbrüche, die neuen künstlerischen Aktivitäten und die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen in ihren Grundlagen und Auswirkungen für die drei ausgewählten Regionen untersuchen. Die Frage nach dem Wandel der Welt in den drei Regionen steht jetzt im Mittelpunkt.

Neue Herrschaft

Als Kaiser und König von Sizilien erhebt Friedrich II. ganz neue Herrschaftsansprüche, die in einem neuen Gesetzeswerk (Liber Augustalis) und neuen Herrschaftszeichen sichtbaren Ausdruck finden. Der speziell für die Ausstellung restaurierte sogenannte Mantel Karls des Großen, den Friedrich II. anlässlich seiner Krönung getragen hat, ist hier ausgestellt und sicherlich eines der Glanzstücke der Schau.

Neue Ordnung

Die größte gesellschaftliche Veränderung lag in der Entstehung der städtischen Kultur, die an Rhein, Main und Neckar um 1190 fassbar wird, in Oberitalien bereits zuvor. In Oberitalien lag mit Mailand, das zum Jahr 1285 200 000 Einwohner zählte, die Stadt mit der höchsten Einwohnerzahl. Kommunen dieser Größenordnung konnten nur durch eine wohl durchdachte und organisierte schriftliche Verwaltung gesteuert werden. Welch hoch entwickelte Verwaltungsinstrumentaria in Oberitalien damals entstanden, zeigt die Ausstellung anhand früher Verwaltungscodices auf. Sozialer und wirtschaftlicher Wandel riefen die Entstehung neuer Frömmigkeitsbewegungen, wie den Bettelorden der Franziskaner, hervor. Die heilige Elisabeth von Thüringen gilt als Vorreiterin dieser Armutsbewegung im Reich nördlich der Alpen. Ihr Gewand, das in diesem Ausstellungsbereich zu sehen ist, wurde in der Rhein- Main-Neckar Region früh als Reliquie verehrt.

Neues Wissen

Das stauferzeitliche Italien ist der Ort epochemachender Neuerungen im Bereich der Wissenskultur. Das führende Zentrum medizinischen Wissens lag im Königreich Sizilien, in Salerno. Die medizinische Ausbildung an diesem Zentrum erfuhr durch Kaiser Friedrich II. (1212-1250) Unterstützung, während im Rechtswesen sich Bologna bereits unter Friedrich Barbarossa (1152-1190) zu dem Ort entwickelte, der Studenten aus ganz Europa anzog.

Nicht zufällig ist mit Bologna die Gründung der ersten Universität zu verbinden. Die Innovationen des 13. Jahrhunderts schlechthin gehen jedoch auf den Kreis der Gelehrten am Hofe Friedrichs II. wie den Herrscher selbst zurück. Die prächtig ausgestatteten Wissenschaftscodices spielen in diesem Ausstellungsbereich eine zentrale Rolle.

Neuer Glanz

Eng verbunden mit der Bildung kommunaler Zentren war die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Regionen. Unter herrschaftlichem Schutz der Staufer entwickelte sich Frankfurt zum führenden Handelszentrum der Rhein-Main-Neckar-Region und wichtigen europäischen Messeplatz. Der Aufbau weiter Handelssysteme wurde durch ausgedehnte Geldwirtschaft gefördert. Messeprivilegien und Handelprodukte aus dieser Zeit, sind bis heute erhalten geblieben und verdeutlichen in der Ausstellung die herausragende Rolle Frankfurts. Aus den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Wandlungsprozessen resultierten neue Bedingungen der Kunst, deren Veränderungen wie neue Materialien, eine neue Situation in den Werkstätten, eine neue soziale Stellung der Künstler und in ihrer Folge z.B. der Künstlersignatur oder ein neuer Umlauf der Artefakte mit Exponaten aus den drei Regionen vorgestellt werden.

Am Ende des Rundgangs – wie auch der staufischen Geschichte – steht Karl von Anjou (1226 – 1285), der der französischen Herrscherdynastie der Kapetinger entstammte. Der Ausstellungsbesucher begegnet einer imposanten Steinskulptur, die Karl von Anjou als Garant für Recht und Frieden darstellt. Karl von Anjou besiegte Manfred von Sizilien, den Sohn Friedrichs II., in der Schlacht bei Benevent und ließ den letzten Staufer in männlicher Abstammung, den erst sechzehnjährigen Konradin, 1268 öffentlich hinrichten. Damit fand die staufische Herrschaft, die im Heiligen Römischen Reich schon zuvor untergegangen war, auch in Sizilien ein Ende.

www.staufer2010.de

    Texte & Bilder: rem
 

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