Die Staufer und Italien


Staufermythos

 

Keine andere mittelalterliche Dynastie ist in vergleichbarem Maße zum Gegenstand mythischer Verklärung geworden wie die der Staufer. Mit dem angeblich im Kyffhäuser schlafenden Friedrich Barbarossa, der eines Tages erwachen und die Herrlichkeit des Reiches wiederbringen werde, und mit Friedrich II., dem vermeintlich „ersten modernen Menschen auf dem Thron“, der seiner Zeit weit voraus gewesen sei, verfügten die Staufer über zwei Protagonisten, die sich in besonderem Maße für die politisch motivierte Ausdeutung eignen sollten. Als historische Gestalten boten sie auf faszinierende Weise eine Projektionsfläche für die Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen in den nachfolgenden Jahrhunderten.

Schon die stauferfreundlichen Geschichtsschreiber und Poeten des 12. und 13. Jahrhunderts waren bestrebt gewesen, Friedrich Barbarossa und Friedrich II. unvergänglichen Nachruhm zu sichern. Doch ab dem 16. Jahrhundert rückte die staufische Geschichte in den Mittelpunkt vaterländischer und humanistischer Ausdeutung. Philipp Melanchthon etwa empfahl die Beschäftigung mit „Teutschen Historien“ und beschrieb Friedrich Barbarossa als Herrscher, der sich in Krieg und Frieden als „thewrer Held“ erwiesen habe. Friedrich II. wiederum erlangte im Zeitalter der Reformation eine wichtige Vorbildfunktion als der Kaiser, der seine Unabhängigkeit gegenüber dem Papst bewahrt und klerikale Einflussnahme abzuwehren vermocht habe.

Im Sinne einer legitimationsstiftenden Vorgeschichte des deutschen Nationalstaats fand die staufische Geschichte dann vor allem im 19. Jahrhundert besondere Aufmerksamkeit.

Weitaus mehr als Friedrich II. eignete sich allerdings Friedrich Barbarossa als Garant der Reichseinheit. Folglich wurde der Rotbart zu einer enthusiastisch stimmenden Heldengestalt stilisiert, die das Verlangen nach einer nationalen Einheit und Größe verkörperte. Diese sollte schließlich durch den in Analogie als Weißbart (Barbablanca) bezeichneten Kaiser Wilhelm I. Realität werden.

Die Vorstellung von Friedrich II. als einer Herrscherpersönlichkeit, die überzeitlich geltende Maßstäbe setzte, wurde durch das Werk Ernst Kantorowicz’ endgültig gefestigt. 1927 veröffentlichte der Historiker, der zum Kreis des Dichters Stefan George gehörte, seine Biographie Friedrichs II. Darin entwarf er das Bild eines genialen Individuums, das sein Deutschsein gerade durch die Errichtung eines effektiven, fast modernen Verwaltungsapparats im Königreich Sizilien bewiesen hätte. In der Zeit des „Dritten Reiches“ wurde das Bild der Staufer-Kaiser dann rechtsnational vereinnahmt, etwa als Friedrich II. „neben Adolf Hitler (zur) größten Führergestalt der deutschen Geschichte“ ernannt wurde oder als Hitler selbst seiner Siegeserwartung im Russland-Feldzug mit der Bezeichnung als „Unternehmen Barbarossa“ Ausdruck verlieh.

Trotz dieses Missbrauchs wirkt der staufische Mythos bis in unsere Tage fort. In weiten Teilen der Öffentlichkeit gilt Friedrich II. heute als für das Mittelalter anachronistische Persönlichkeit, die – ganz modern – die unterschiedlichen Kulturen miteinander verband.

Friedrich Barbarossa ist hingegen inzwischen vor allem für eines berühmt: Für seinen tiefen, unerschütterlichen Schlaf im Innern des Kyffhäusers.

    Texte & Bilder: rem
 

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