Welten aus Papier


Motivische Schwerpunkte

 

Religion
Die Bilderbogen aus der Druckerei von Jean Frédéric Wentzel und seinen Nachfolgern illustrierten die im 19. Jahrhundert geläufigen religiösen Motive. Vorherrschend war der katholische Glauben mit Christus-Darstellungen, vor allem Szenen aus der Passionsgeschichte, die den Leidensaspekt stark betonten. Diese Grundstimmung verkörpern auch die Marienbilder und die „Mater dolorosa“- und „Ecce homo“-Motive, die lange über vielen Ehebetten thronten. Heiligenbilder gab es dagegen weniger. Aufgrund der Vielzahl von Heiligen war die Bandbreite der Motive groß, sodass Andachtsbilder einzelner Heiliger letztlich nur in relativ geringen Auflagen erschienen.

Die wenigen Darstellungen von Reformatoren und bewusst schlicht gehaltene Christusbilder gefielen gewiss im protestantischen Nordelsass. Auch die damals in vielen elsässischen Dörfern lebenden jüdischen Kunden wurden nicht vergessen. Der von Théodore Lix entworfene Misrach (ein an der Hauswand angebrachtes Bild, das den Weg nach Jerusalem weist) war so erfolgreich, dass er in drei Varianten verlegt wurde. Für den muslimischen Markt wurden in Weißenburg sogar arabischsprachige Bogen gedruckt.

Lebensalter
Sehr beliebte Motive waren Ehe, Familie und Kinder. Solche Darstellungen zierten Geschäfte ebenso wie das heimische Umfeld. Auf romantische, aber auch humoristische und mitunter anzügliche Art spiegeln sie die gängigen Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen im 19. Jahrhundert in den verschiedenen Schichten, von Bauer bis Bürgertum. Klassiker waren der Bogen mit den Stufenaltern des Menschen und dessen Variation mit den gesellschaftlichen Stufen bei der die Bauern gewürdigt und die Juden herabgesetzt wurden. In Weißenburg erschienen verschiedene Fassungen dieser Stufenleitern. Eine Besonderheit sind die kleinformatigen Erinnerungsblätter an Taufe und Begräbnis. Sie waren vor allem für die lokal ansässige protestantische Kundschaft bestimmt.

Schmuckbogen
Solche Blätter sollten vor allem schön und dekorativ sein. Zu dieser Kategorie gehören die Bogen mit den vier Jahreszeiten und den Kontinenten, die stets in Viererserien aufgelegt wurden. Erstaunen mögen die Darstellungen junger Schönheiten (als „Freiheit“ oder „Unschuld“) aus der Hand des Malers Dévéria, deren spärliche Bekleidung der Zensur offenbar entgangen ist. Großen Anklang bei der Kundschaft fanden auch Allegorien wie „Handel“ und „Gewerbe“ sowie archetypische Figuren in elsässischen oder schweizerischen Trachten. Als eigenständiges Genre können die beliebten Landschaftsblätter gelten, besonders gefielen Stadtansichten. Sie wurden mit fernen Reisen assoziiert und waren ein Fenster in die Welt, von deren Erkundung damals viele Menschen träumten.

Freizeitbeschäftigungen
Die Vielzahl der Blätter zum Thema Jagd veranschaulicht deren Stellenwert in den Ländern des deutschsprachigen Kulturraums. Das Gleiche gilt für das Schießen, einen seit dem Mittelalter weit verbreiteten Zeitvertreib, der sich allmählich zum Sport entwickelt hatte. Auch Gymnastik, Radfahren und Fußball wurden gern aufgegriffen. Diese gesunden Beschäftigungen hatten allerdings mit der Konkurrenz von Wirtshaus- und Kabarettszenen zu kämpfen. Ab 1880 kam die Alkoholwerbung als Motiv hinzu, und auch Tabak, der damals in Wirtshäusern verkauft wurde, war genau wie das in diesen Etablissements praktizierte Kegelspiel ein wiederkehrendes Thema der Weißenburger Bilderbogen. Humoristische Blätter schmückten öffentliche Orte ebenso wie Haushalte und wurden eifrig kommentiert.

Aktualitätenbogen
Manche Bilderbogen spielten eine der modernen illustrierten Presse vergleichbare Rolle, indem sie zeitgeschichtliche Informationen verbreiteten, allerdings immer mit etwas Verzug. Denn ein elsässisches Unternehmen musste politischen Zugehörigkeiten und Entwicklungen in besonderer Weise Rechnung tragen. Im Mittelpunkt der „Berichterstattung“ standen militärische Ereignisse von landesweiter Bedeutung, ganz gleich, ob es sich um Frankreich oder Deutschland handelte. Die ersten Aktualitätenbogen zeigten Schlachtenszenen aus dem Krimkrieg. Die 1871 von Frankreich abgespalteten Regionen Elsass und Lothringen wurden mehrfach in Zusammenarbeit mit Druckereien aus Paris und Lyon Verlegern thematisiert. Eine spätere Serie hatte den Deutsch- Französischen Krieg von 1870/71 zum Gegenstand. Die bekanntesten Bogen aber war dem Ersten Weltkrieg gewidmet: In sehr ausdrucksstarken Bildern schildern sie das Kampfgeschehen an allen Fronten. Ackermann verlegte auch Bogen mit Darstellungen von Konflikten in anderen Teilen der Welt, wie dem Transvaal-Krieg, sowie von Katastrophen aller Art.

Auch die Porträts von Herrschern und berühmten Persönlichkeiten waren beliebte Sujets. Die Weißenburger Druckerei illustrierte die patriotischen Mythen Frankreichs, u. a. die Ermordung des aus Straßburg stammenden napoleonischen Generals Kléber. Später waren die Porträts der deutschen Kaiser und Bismarcks sehr gefragt.

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