Im
Januar 1768 veranstaltete Herzog Carl Eugen die erste Venezianische
Messe - auch St. Markus-Messe oder Maskenmesse genannt -
auf dem Ludwigsburger Marktplatz. Dank seines Einfalls,
eine 14 Tage währende Verkaufsmesse für Luxuswaren mit einem
Maskenfest zu verbinden, etablierte Herzog Carl Eugen ein
unvergleichliches Spektakel in Württemberg und zog damit
gleichermaßen finanzkräftiges Publikum wie Händler aus dem
In- und Ausland in seine Residenzstadt.
Bis zu
Herzog Carl Eugens Tod 1793 wurde die Venezianische Messe
alljährlich abgehalten. Mit der Rückverlegung der Residenz
nach Stuttgart im Jahr 1775 wechselten auch der Messestandort
und die Jahreszeit. Acht der insgesamt 26 Venezianischen
Messen fanden während der Karnevalszeit in Ludwigsburg statt,
18 - im Frühsommer - auf dem Marktplatz in Stuttgart. Trotzdem
hielt Carl Eugen auch in Stuttgart an den Maskenpromenaden
fest - ein Kuriosum, das sich wohl nur mit der Venedigbegeisterung
des Herzogs erklären lässt. Schon mehrere Wochen vor Messebeginn
wurde die Veranstaltung in der Presse angekündigt, was den
Händlern die Gelegenheit bot, sich durch rechtzeitige Anmeldung
einen Standplatz zu sichern. Insgesamt 44 Plätze standen
in Ludwigsburg zur Verfügung, 104 in Stuttgart. Es war der
ausdrückliche Wunsch Herzog Carl Eugens, die Kaufleute auf
der Venezianischen Messe nach Art und Kostbarkeit ihrer
Waren zu platzieren. Die prominentesten Standplätze nahmen
folglich die "herzoglichen Boutiquen" ein, in denen Waren
aus den Manufakturen Carl Eugens verkauft wurden: Ludwigsburger
Porzellan, Spiegel aus Spiegelberg und Ludwigsburger Fayence. Mode
in vielerlei Facetten war das die Messe beherrschende Thema.
Etwa zwei Drittel aller Verkaufsstände boten 1776 Modewaren
feil, mehr als die Hälfte davon Stoffe unterschiedlicher
Art. An Stoffen, Bändern, Spitzen und Borten bestand im
18. Jahrhundert großer Bedarf, zumal in einer Residenzstadt.
Auch Verkaufsstände für Accessoires und für Galanteriewaren,
die hoch begehrten modischen "Nichtigkeiten", waren regelmäßig
in großer Zahl auf der Venezianischen Messe zu finden. Daneben
zählten Gläser, Silber, Genussmittel und Bücher zu den Luxusgütern,
die an bevorzugtem Platz feilgeboten wurden. Da die offiziellen
Messeplätze für auswärtige Kaufleute vorgesehen waren, mussten
die einheimischen Handwerker ihre Stände an der Peripherie
des Marktes und in den angrenzenden Gassen aufschlagen. Neben
dem Warenverkauf diente die Venezianische Messe dem herzoglichen
Hof als Schauplatz zur Selbstdarstellung. Allabendlich fanden
Theateraufführungen, Opern oder Maskenbälle statt. Bei Maskenpromenaden
zu festgesetzten Tageszeiten, im Spielcasino und in eigens
eingerichteten Gastwirtschaften mischte sich die Hofgesellschaft
- hinter der Maske scheinbar inkognito - unter das Volk,
das einerseits mitfeiern durfte, andererseits als staunendes
Publikum benötigt wurde. Das Gestalterbüro space4 hat den
Gedanken der Selbstdarstellung der höfischen Gesellschaft
im 18. Jahrhunderts aufgegriffen und für die Ausstellung
- gleichsam als vergängliche Festarchitektur - einen Bühnenraum
geschaffen, der Herzog Carl Eugen in Szene setzt. Der
Museumsbesucher, der die Exponate, die Waren aus dem 18.
Jahrhundert, besichtigt, bewegt sich zwischen den Bühnenkulissen
und übernimmt so - wie einst der Flaneur auf der Venezianischen
Messe - die Doppelrolle von Akteur einerseits und Publikum
andererseits.
Bild: Am Bügeltisch, Teil der Tafeldekoration „Venezianische
Messe“ © Foto: P. Frankenstein/ H. Zwietasch, Landesmuseum
Württemberg (Ausschnitt)
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