Figürliches
Porzellan war im Rokoko ein fester Bestandteil der vornehmen
Festtafel und - auch thematisch - eingebunden in das jeweilige
Festprogramm. Neben ihrer schmückenden Funktion dienten
Porzellanfiguren als Anregung für geistreiche Tischgespräche,
die man damit auch lenken konnte.
Herzog
Carl Eugen hatte erstmals im Januar 1768 seine Idee verwirklicht,
eine Verkaufsmesse für Luxuswaren als Maskenfest in seiner
Residenzstadt aufzuziehen. Sich und seinen faszinierenden
Einfall alsbald mit einer entsprechenden Tafeldekoration
feiern zu lassen, lag nahe. Außergewöhnlich ist die Wahl
des Miniaturformats. Die den Manufakturarbeitern bei der
Anfertigung so winziger Figürchen abverlangte hohe Kunstfertigkeit
setzte die Tafelgesellschaft gewiss in Erstaunen. Ihre Bewunderung
galt freilich in erster Linie dem Herzog selbst, der eine
derart leistungsfähige Manufaktur sein Eigen nennen konnte.$Wie
aus einem Formenverzeichnis der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur
von 1793 hervorgeht, umfasste die Tafeldekoration ursprünglich
außer einer unbekannten Anzahl von Verkaufsbuden mindestens
173 unterschiedliche Figuren und Figurengruppen. Die Buden,
Figuren und Gruppen, die erstmals wohl im Winter 1768/1769
- vielleicht während der zweiten Venezianischen Messe im
Jahr 1769 - die herzogliche Tafel zierten, wurden danach
in der Ludwigsburger Manufaktur für den Verkauf oder zu
Geschenkzwecken immer wieder ausgeformt. 72 Teile aus der
Tafeldekoration befinden sich im Bestand des Landesmuseums
Württemberg und sind seit 2004 im Keramikmuseum in Schloss
Ludwigsburg zu besichtigen.$Mit viel Glück gelang es, für
die Sonderausstellung im Alten Schloss zusätzlich eine 120
Stücke umfassende Privatsammlung als Leihgabe zu erhalten.
Diese Stücke in privater Hand stammen aus Schloss Bruchsal,
aus der Hofhaltung der Fürstbischöfe von Speyer. Zusammen
mit dem übrigen Schlossinventar sind sie bei der Säkularisation
an die Markgrafen von Baden gefallen und 1995 bei der großen
Auktion im Neuen Schloss von Baden-Baden versteigert worden.$Die
einmalige Kombination beider Ensembles führt dem Ausstellungsbesucher
die überwältigende Vielfalt nicht nur des Tafelschmucks
sondern auch der realen Messe vor Augen. Darüber hinaus
liefern die Buden und Figuren eine Fülle von kulturgeschichtlichen
Informationen. Um die Bestimmung der Miniaturporzellane
als Tafeldekoration augenfällig zu machen und gleichzeitig
eine Vorstellung von den Dimensionen einer Festtafel des
18. Jahrhunderts zu vermitteln, wird in der Ausstellung
ein Schnitt durch eine "gedeckte" Tafel gelegt. Etwa die
Hälfte der Miniaturporzellane ziert diese Tafel. Die andere
Hälfte der Buden und Figuren - für den Betrachter auf eine
angenehme Schauhöhe gebracht - begleitet und illustriert
die einzelnen Ausstellungskapitel über das Waren- und Vergnügungsangebot
auf der Venezianischen Messe.
Bild: Beim Schuhmacher, Teil der Tafeldekoration „Venezianische
Messe“ © Foto: P. Frankenstein/ H. Zwietasch, Landesmuseum
Württemberg (Ausschnitt)
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