Ein Blick „Über den
Tellerrand“ in das Zauberreich der Fayence:
Mokka, Mops & Muffelfarbe
Das erste Museum Deutscher Fayencen in Schloss
Höchstädt zeigt nicht nur prunkvolles Geschirr
Am 29. April 2010 eröffnet in Schloss Höchstädt
das erste Museum Deutscher Fayencen. „Über den
Tellerrand…“ heißt die Ausstellung, die
einen einzigartigen Einblick in die Welt der Keramik-Kunst
bietet. Die Sammlung der Bayerischen Schlösserverwaltung
zählt mit rund 1000 Exponaten aus 58 Manufakturen
zu den größten und bedeutendsten in Europa – und
verblüfft mit ihrer Vielseitigkeit.
Fayence ist Keramik mit einer weißen Zinnglasur,
die farbig bemalt wird, und ähnelt Porzellan. Tatsächlich
entstand es einst aus dem Versuch, das teure importierte
Geschirr aus China oder Japan nachzuahmen. Als preiswerte
Alternative verbreitete die Fayence sich bald rasch in
ganz Europa. Ihre Blütezeit war das 17. und 18. Jahrhundert.
Den Namen gab ihr die italienische Stadt Faenza.
Das neue Museum Deutscher Fayencen macht Herkunft, Geschichte
und Technik der Fayence anschaulich erlebbar. Verständlichkeit
und Besucherfreundlichkeit standen bei der Planung der
Ausstellung an erster Stelle: Sie schildert die Arbeitsweise
und Produkte der Manufakturen, informiert über typische
Dekore, Formen oder Materialien wie die „Muffelfarben“ und
erklärt die Bedeutung der Fayence für die Tafel-
und Wohnkultur der Zeit.
Vom Nachttopf bis zur Tischskulptur
Das Museum blickt aber über den sprichwörtlichen
Tellerrand hinaus und zeigt viel mehr als nur prunkvolles
Geschirr. Es entführt in ein Zauberreich der Fayence:
Anmutige Plastiken und putzige Figuren überraschen
und amüsieren den Besucher. Prächtige Duftgefäße
beschwören Wohlgerüche herauf. Kunstvoll gearbeitete
Blumen auf den Fayencen betören mit ihren leuchtenden
Farben. Kuriose Jagdtrophäen im Miniaturformat kontrastieren
mit den Utensilien für die Morgentoilette feiner Herrschaften.
Es gibt einen Tischbrunnen in Gestalt eines Adlers, der
einen Fisch angreift, eine Terrine in Form eines Blumenkohls
oder einen Mops, der das Pfötchen reicht. Kurz: Zauberhafte
Begegnungen sind im Museum Deutscher Fayencen garantiert.
Tintenzeug in Festungsform, Manufaktur Nürnberg,
um 1730
„Schmunzeln und Schwelgen ist erwünscht“,
so Dr. Friederike Ulrichs vom Ausstellungsteam der Schlösserverwaltung.
Das Museum beschränke sich aber nicht auf eine Auswahl
schöner Objekte: „Wir wollen die Arbeit in den
Manufakturen und den sozialgeschichtlichen Hintergrund
ebenso darstellen wie die große Bedeutung der Fayence
für die Wohn- und Tischkultur des Barock und Rokoko“.
Ein hart umkämpfter Markt
Auch den Fayenciers mit ihren oft schwierigen Arbeitsbedingungen
widmet sich die Ausstellung. Herstellungstechniken, Erfahrung
und Materialfragen entschieden wesentlich über den
Erfolg der Produktion von Fayencen. In Deutschland gab
es im 17. und 18. Jahrhundert rund 100 Manufakturen, die
versuchten, sich auf dem hart umkämpften Keramikmarkt
zu behaupten.
Küche, Kaffeehaus, Kachelofen: Eine kleine
Kulturgeschichte
Die Ausstellung inszeniert ideenreich die vielfältige
Nutzung der Fayence: Eine prachtvoll gedeckte Tafel illustriert
die Hauptverwendung als Geschirr. Die im 17. Jahrhundert
aufkommende Mode des Kaffee- und Teetrinkens, bei der die
Fayence eine wichtige Rolle spielte, wird in einem Kaffeehaus-Zimmer
anschaulich erklärt. Auch für die Heizung des
Hauses war Fayence wichtig, wie eine Kachelofennische zeigt.
Rund um einen nachgebauten Brennofen erfährt man,
wie die Erfolgsgeschichte der Keramik ihren Lauf nahm.
Außerdem wartet eine Schauküche mit Geschirr
und historischen Kochrezepten auf die Besucher.
Chinesisches Motiv als Dekoration einer Kanne. Manufaktur
Künersberg, um 1750
Zahlreiche unterhaltsame Geschichten und Anekdoten illustrieren
diese kleine Kulturgeschichte der Fayence. Das interaktive
Element ist den Ausstellungsmachern wichtig: „Kleine
und große Gäste sollen nicht nur betrachten,
sondern auch mitmachen“, so Dr. Uta Piereth vom Museumsteam. „Mit
spielerischen und sinnlichen Elementen in der Ausstellung
wollen wir zum genauen Hinsehen und Ausprobieren anregen“.
Kinderstationen laden in jedem Raum kleine Forscher zum
Fühlen, Rätseln, Hören und Begreifen ein.
Begleitet von einem umfangreichen didaktischen Programm,
vor allem für Schulen, verspricht das neue Museum
ein kultureller Schwerpunkt zu werden, der weit über
die Region hinaus ausstrahlt.
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