Mumien – Der Traum vom ewigen Leben

Rundgang durch die Ausstellung

Der nächste große Ausstellungsbereich lädt den Besucher zu einem "Gang durch die Kulturen" ein. Die Mumifizierung in unterschiedlichen Kulturkreisen steht hier im Mittelpunkt. Auch die Haltungen, die hinter dem Wunsch nach Konservierung von Verstorbenen stehen, finden Beachtung. Der Besucher begibt sich auf eine spannende Wanderung durch Regionen und Zeiten.

Der Wunsch der Ägypter nach der Bewahrung des Körpers auch über den Tod hinaus basiert auf ihrem Totenglauben: Ein Weiterleben der unsterblichen Seele ist nur möglich, wenn auch der Körper erhalten bleibt. Denn ohne ein Behältnis verirrt sich die Seele und vergeht im Nichts. Die Methoden der Mumifizierung wurden aus diesem Grund immer weiter verfeinert. Die Eingeweide und das Gehirn wurden entfernt, durch das Einreiben mit Natron wurde dem Körper Feuchtigkeit entzogen, wodurch Muskeln und Haut erhalten blieben, und durch Trocknung in der Sonne oder über Feuer konnte auch die Restfeuchte bekämpft werden. Anschließend wurde der Körper ausgestopft, mit duftenden und desinfizierenden Ölen eingerieben und mit Textilien umwickelt. Insgesamt dauerte dieser Vorgang sechs Wochen. Ursprünglich war diese aufwendige Mumifizierung nur Königen und ihren Familien vorbehalten, dann hohen Beamten. Schließlich wurde der Kreis immer größer. Die Ausstellung zeigt zahlreiche ägyptische Mumienfunde. Ein besonderes Highlight ist die Mumie des Nes-pa-kai-schutis. Er hatte das Priesteramt des "Vorstehers der Sänger" im Tempel des Fruchtbarkeitsgottes Min inne und wurde in höchst kunstvoll bemalten Sarkophagen beigesetzt. Die Mumienwicklung ist noch vollständig erhalten.

Vielfach wird der Begriff Mumie ausschließlich mit dem Alten Ägypten in Verbindung gebracht. Die Ausstellung macht deutlich, dass sich auch in anderen Kulturen Mumifizierungen finden. An einer präkolumbischen Kindermumie (Themenbereich Südamerika) gelang den Wissenschaftlern des rem-Mumienforschungsprojektes ein sensationeller Nachweis. Man fand auf der Haut Reste eines harzigen Balsams. Damit konnte erstmals an einer Mumie bewiesen werden, dass die Ägypter nicht - wie lange Zeit geglaubt - die einzige Hochkultur waren, die ihre Verstorbenen durch Balsamierung konservierten, sondern dass diese Methode auch in Altamerika Anwendung fand.

Neben natürlich mumifizierten Körpern trifft man in Asien auch auf aufwendige Bestattungsformen und Grabanlagen, die bewusst auf die Konservierung des Körpers eines Verstorbenen zielen. Erhaltene asiatische Mumien sind außerhalb Asiens eine Rarität. Die Reiss-Engelhorn-Museen haben eine solche Seltenheit in ihren eigenen Beständen. Genetische Untersuchungen im Rahmen des rem-Mumienforschungsprojekts ergaben, dass die Mumie nordostasiatischen Ursprungs ist und es sich dabei um einen männlichen Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren handelt.

Die nächste Station der Reise durch die Kulturen führt den Besucher nach Ozeanien. In diesem Bereich sind eine Ganzkörpermumie sowie zwei tätowierte Köpfe aus Neuseeland ausgestellt. Die Maori wollten die Köpfe ihrer Ahnen erhalten und unterzogen sie einer Mumifizierung, indem sie sie in den Rauch von Feuern hielten und die Höhlungen mit bakterientötenden Kräutern ausstopften.

Das Klima der Wüsten am Pazifik sowie der Höhenregionen der Anden begünstigte die Erhaltung von Körpern in Südamerika. Teilweise nutzte man wohl gezielt die natürlichen Milieus zur Mumifizierung der Verstorbenen, beispielsweise bei den Gräberfeldern von Paracas und Ancon. In Paracas fand man Hunderte von Mumienbündeln. Die hockend zusammengeschnürten Toten waren mit besticktem Gewebe umhüllt. In Ancon fand man die Mumien eng verschnürt in Körben sitzend.

Die typische Hock-und Sitzposition südamerikanischer Mumien findet man auch bei den ausgestellten Objekten wieder, z. B. bei einer Frau mit zwei Kindern. Die südamerikanischen Mumien stammen großteils aus den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen und wurden im Rahmen des rem-Mumienforschungsprojekts wissenschaftlich untersucht. Neueste Untersuchungsmethoden ermöglichten wichtige Erkenntnisse über Alter, Krankheiten, Todesursache, Drogenkonsum und Essgewohnheiten der Verstorbenen.

Es gibt bisher keinen sicheren Nachweis dafür, dass die frühen europäischen Kulturen Mumifizierung betrieben. Das europäische Interesse an Mumien stand in engem Zusammenhang mit der starken Nachfrage nach dem Heilmittel "Mumia vera", einem Erdwachs, das man auch in Mumien vermutete. Das "Wundermittel" aus zerstoßenen Mumienteilen war eine der meistgebräuchlichen Arzneien des 16. und 17. Jahrhunderts. Es wurde unter anderem zur Heilung von Verrenkungen, Knochenbrüchen, Quetschungen und Blutungen eingesetzt. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein konnte man "Mumia vera seu Aegyptiaca" in deutschen Apotheken kaufen. Die Ausstellung widmet sich diesem bisher noch nie behandelten pharmaziegeschichtlichen Themenkomplex. Der Besucher erhält Einblick in alte Kräuterbücher und Rezepturen.

Zu interessanten Ergebnissen führte der Fund eines Mannes auf dem Gelände des mittelalterlichen Friedhofs der Jenaer Stadtkirche Sankt Michael. Im Schädel des Mannes aus dem 12. Jahrhundert konnte man ein Bitumen aus dem mittleren Osten feststellen und die Knochen wiesen auf eine Austrocknung durch Natron hin. Beides sind Indizien dafür, dass der Mann nach altägyptischem Verfahren mumifiziert wurde. Wahrscheinlich verstarb er auf einer Ägyptenreise und seine Begleiter, die den Toten in die Heimat überführen wollten, ließen ihn deswegen nach lokalen Methoden konservieren. Die Mumifizierungstechnik war damals zwar seit über 1.000 Jahren nicht mehr allgemein gebräuchlich, aber auch unter muslimischer Herrschaft wohl noch bekannt. Der Befund ist ein einzigartiger archäologischer Beleg für eine Balsamierung nach ägyptischem Vorbild im Mittelalter.

 
Text: Reiss-Engelhorn-Museen

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