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Der Hertwig-Leuchter

Bedeutung des Leuchters
Der Comburger Hertwig-Leuchter zählt neben dem Azelin- und Hezilo-Leuchter im Hildesheimer Dom sowie dem Barbarossa-Leuchter im Aachener Dom zu insgesamt vier noch erhaltenen romanischen Radleuchtern in Deutschland.
Zusammen mit dem Antependium und drei kleinen Altarleuchtern gehört er zur frühromanischen Ausstattung der St. Nikolauskirche.
Im Rahmen einer Diplomarbeit des Studienganges Restaurierung archäologischer, ethnologischer und kunsthandwerklicher Objekte an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart wurde der Hertwig-Leuchter ausführlich untersucht und dokumentiert. Die in diesem Zusammenhang entstandene Kartierung ergab dabei neue Hinweise zu Restaurierungsgeschichte, Herstellungstechniken und Reparaturphasen des Radleuchters.

Der Hertwig-Leuchter, Gesamtaufnahme

Deckplatte an der Hängung des Leuchters (Unterseite)Der Hertwig-Leuchter
Beim Comburger Radleuchter, dem sogenannten Hertwig-Leuchter, handelt es sich um einen von insgesamt vier nahezu zeitgleich entstandenen und noch erhaltenen Radleuchtern in Deutschland. Zusammen mit den Barbarossa-Leuchter im Dom zu Aachen sowie dem Azelin- und Hezilo-Leuchter im Dom zu Hildesheim zählt er zu den herausragenden Metallschmiedearbeiten des frühen 12. Jh.
Der Hertwig-Leuchter besteht zum größten Teil aus feuervergoldetem bzw. gefärbten Kupfer- und Buntmetallblechen. Die Stützkonstruktion, Träger und Hängegerüst bestehen aus Eisen. Der Leuchter setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die ineinander gesteckt, vernietet und miteinander verdrahtet sind. Als besondere Verzierungstechniken sind neben gravierten und ziselierten Bereichen die mittels Braunfirnis versehenen Applikationen und Schriftbänder zu nennen. Es handelt sich beim Braunfirnis um eine Technik, bei der durch Braunfärbung des Kupfers im Wechsel mit Feuervergoldungen farblich sehr fein abgefasste, samtig braune Zierfelder entstehen.
Der Leuchter hat einen Umfang von ca. 16 Meter und einen Durchmesser von ca. 5 m. Er besteht aus zwei geschmiedeten Eisenreifen, auf die Bronzeplatten mit sogenannten Rödeldrähten montiert sind. Zwischen diesen Platten, auf denen die Kerzenhalter befestigt sind, befinden sich die Türme des himmlischen Jerusalems. Auf diesen Platten befinden sich jeweils mittig Medaillons, die in der Mitte jeweils eine Apostelfigur tragen. Auf der Außenseite verläuft auf zwei übereinander liegenden Bändern je ein Schriftband. Die Türme sind alternierend rund, und viereckig kombiniert ausgebildet. In den Nischen der Türme sind aus Blech getriebene Darstellungen von Rittern zu sehen.
Es muss berücksichtigt werden, dass in romanischer Zeit Halbzeug, wie Bleche und Drähte nur beschränkt vorhanden waren und deren Herstellung für den mittelalterlichen Handwerker bereits eine technische Herausforderung darstellten. Hierfür wurden die verschiedenen benötigten Elemente vorgegossen, geschmiedet, durchbro-chen und getrieben. Metallteile, die miteinander verbunden werden mussten wurden vorwiegend durch Nieten und sog. Rödeldraht aneinandergeheftet.
Die Oberflächenveredlung, mittels Feuervergoldung bzw. -Versilberung und Braunfirnissen, stellte ebenso eine hohe Anforderungen an den Handwerker. Durch dieses Mischverfahren entstanden optisch filigrane Friese, die einen Wechsel von Gold, Silber und Braun zeigen. Eine Besonderheit dieser Technik stellt die sog. Maiestas-Platte dar, die den Verteiler der Aufhängung abdeckt und mit der umlaufenden Inschrift EGO SUM.LVX.MUNDI (ich bin das Licht der Welt) versehen ist. Zu den von unten sichtbaren Zierelementen zählen die Turmböden mit ihren geometrischen und tierischen Ornamenten.
Besonders an ihren unterschiedlichen Ausführungen zeigt sich die Fertigkeit der entwerfenden „Meister“. Die zeitliche Einordnung des Radleuchters kann zwischen 1135 und 1150 angesetzt werden. Ob seine Fertigstellung noch zu Lebzeiten des Abts Hertwig (1104-1139) erfolgte muss offen bleiben. Lediglich seine Stiftung ist nach der angebrachten Inschrift belegbar.

Radleuchter, Detail

Restaurierungsgeschichte
Der früheste erhaltene Hinweis auf eine Restaurierung des Radleuchters stammt aus dem Jahr 1569/70. In den Comburger Jahresabrechnungen wird unter Gemeinausgaben ein Betrag von 18 Gulden genannt, der an „zwaien Goldschmieden von Würzburg, und zwaien von Schwäbische Hall, fur die Kron in der Kirche, auch das Gulden Kreutz zu Renoviren, sampt Plech, meßing Droth, große vnd kleine negelein, Innerhalb des Manuals“ bezahlt wurde. Anhand dieser Rechnung lässt sich sogar nachvollziehen, dass der Leuchter bei dieser Restaurierung mit einem Anstrich oder einer Ölvergoldung versehen wurde. Den Schriftquellen zufolge wurde in diesem Zusammenhang auch die Inschrift „IN CORONAM COMBURGENSEM RENOVATAM ANNO MCLXX: LONGO OBDUCTA SITU NEC RUBIGINE TURPICORROSA HAEC PRIDEM TOTA CORONA FUIT.NEUSTETTERUS EAM IUSSIT RENOVARE DECANUSPICTURAQUE SACRAM CONDECORARE DOMUM“ (= von großem Schmutz bedeckt und von hässlichem Rost zerfressen war längst die ganze Krone, der Dekan Neustetter ließ sie renovieren und das heilige Haus mit Malerei schmucken) angebracht. Diese Inschrift wurde vermutlich um 1850 bei einer neuerlichen Restaurierung des Leuchters nach einem Absturz wieder entfernt. Sie ist am Leuchter nicht mehr auffindbar.
Bei der Barocksanierung 1706-15 behielt der Radleuchter seinen Platz in der Vierung.
In der Säkularisation des Stifts wurde alles Silber, auch das des Leuchters herausgebrochen, Größtenteils blieb der Radleuchter jedoch unversehrt. Wie anhand früher Fotografien sichtbar ist kam es während der Säkularen Zeit der Comburg zu erheblichen Schäden. Der weitaus größte Schaden entstand jedoch in der Christnacht des Revolutionsjahres 1848. Es wird berichtet, dass der Leuchter nach der Christmesse „mit lautem Getöse auf das Gestühl gestürzt“ ist. Eduard Herdtle aus Stuttgart fertigte danach erstmals eine genaue Dokumentation des Leuchters. Diese ist heute leider größtenteils verschollen.
Die letzte Restaurierung des Radleuchters wurde im Zusammenhang mit Sanierungsarbeiten der Comburg in den 1960er Jahren durchgeführt. Diese Maßnahme wurde unter der fachlichen Aufsicht des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg nach damaligem Standard durchgeführt. Bei dieser Restaurierung wurden alle zwischen 1848 und 1851 angebrachten Ergänzungen entfernt. Zahlreiche Bereiche wurden neu verlötet. Der Leuchter wurde im Stil der Zeit ergänzt. 

Radleuchter, Detail

Neuzeitliche Benutzung des Leuchters
Zur Weihnachts-, Silvester- und Oster-Messe wird der Leuchter herabgelassen und fachgerecht mit Kerzen bestückt. Er dient dann als einziges Beleuchtungsmittel der Kirche. 

Bestand und Kartierung
Hauptschädigungsfaktor am Leuchter ist die starke Oberflächenverschmutzung durch Stäube die dick auf den nach oben weisenden Flächen aufliegen. Mitte Dezember 2017 bot sich anlässlich des Vorstellungstermins zum neuen Flyer am abgelassenen Objekt die Möglichkeit einer Bestandsaufnahme. Durch die optischen, mikroskopischen und radiologischen Untersuchungen der letzten Restaurierung sowie durch historische Bild- und Schriftdokumentationen konnten somit die Maßnahmen gezeigt werden.

Text: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (ldp / rps)

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