Königin Luise (1776–1810) ist neben Friedrich
dem Großen die populärste dynastische Gestalt
der preußischen Geschichte. Die Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg begeht
ihren 200. Todestag im Jahr 2010 mit drei Ausstellungen
und zahlreichen Veranstaltungen.
Luises Schönheit und Anmut, ihre Natürlichkeit
und ihr harmonisches Familienleben machten sie schon zu
Lebzeiten zur Legende. Der Einsatz der Königin für
bahnbrechende politische Reformen und ihre Gegnerschaft
zu Napoleon ließen sie zur Hoffnungsträgerin
in Preußens "schwerer Zeit" zu Beginn des
19. Jahrhunderts werden. Nach ihrem frühen Tod setzte
eine kollektive Trauer ein, wie sie in der Gegenwart allenfalls
mit der Trauer um den Tod von Diana, Princess of Wales,
vergleichbar ist und historisch betrachtet Parallelen zu
den Prozessen nach dem Tod Elisabeth von Österreichs
und Evita Peróns aufweist.
Die Lebensspanne Königin Luises umfasst die Zeit
um 1800, von der Französischen Revolution über
den europäischen Aufstieg Napoleons, das Ende des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, den Zusammenbruch
Preußens bis zum Beginn der preußischen Reformen
und markiert damit die Schnittstelle von Aufklärung
und Moderne - eine Zeit, die die europäische Entwicklung
maßgeblich beeinflusst hat und die in vielen Bereichen
bis heute prägend wirkt.
Bereits das Leben der preußischen "Königin
der Herzen" bot alle medial bedeutsamen Ingredienzen
wie Erotik, Liebe, Action, Spannung, Drama und Tragik um
einen "Star". So entwickelte sich nach ihrem
Tod ein politischer Mythos um ihre Person, der in Deutschland
ohne Beispiel ist. Er wurde maßgeblich in den Befreiungskriegen
gegen Frankreich wirksam und erreichte seinen Höhepunkt
im Kaiserreich nach 1871. Ihr "Opfertod" begründete
die "Erbfeindschaft" mit Frankreich und bewirkte
ihre Verklärung als Schutzgeist der preußischen
Freiheitskämpfer und deren "Rache". In scheinbarer
Wiederholung der Geschichte wurde ihr Tod 1870/71 erneut "gerächt" und
Luise als Mutter des neuen deutschen Kaisers zur mythischen
Reichsgründerin. Ihre "Standhaftigkeit" vor
dem Feind Napoleon diente noch nach dem Ende der Monarchie
Deutschnationalen zum Vorbild und Nationalsozialisten zum
Instrumentarium für Durchhalteparolen.
Verbunden mit dem untergegangenen Kaiserreich, mit dem
deutschen Nationalismus sowie mit dem negativen Bild eines
militaristischen Preußentums geriet Königin
Luise nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Kreisen zur "persona
non grata". Bis heute bleibt sie jedoch eine kollektive
Erinnerungsfigur. Im gesamten Bundesgebiet wie im europäischen
Ausland begegnet man Erinnerungsorten der Königin.
Zahlreiche Gedenkstätten und diverse andere Einrichtungen
wie Kirchen, Kindergärten, Restaurants und Apotheken, öffentliche
Plätze und Straßen, die nach wie vor nach ihr
benannt sind, bezeugen symbolisch die Anerkennung und öffentliche
Gedächtniskraft.
Im Rahmen der "Preußenrenaissance", die
sich verstärkt nach der Wiedervereinigung entwickelte,
hat sie in der Gegenwart Teil am positiven Bild eines Preußens
des Idealismus und Klassizismus, sowie des Preußens
der einleitenden Reformen Steins und Hardenbergs zur modernen
Gesellschaft.
Als nationale Ikone und Inbegriff der "deutschen
Frau" bildet Königin Luise ein Kernstück
der historischen Mythologie der Deutschen im 19. und 20.
Jahrhundert. Ihre politische Vereinnahmung zu verschiedenen
Zeiten, von verschiedenen Seiten und zu verschiedenen Zwecken
läßt große Teile der preußischen
und deutschen Geschichte sichtbar werden und weist darüber
hinaus auch auf europäische Kontexte, besonders in
der Rezeption Frankreichs, wo sich in der napoleonischen
Propaganda ein eigener, feindlich gesinnter Luisenmythos
entwickelte.
Eine große Ausstellung im Schloss Charlottenburg
bildet den Auftakt zu zahlreichen Veranstaltungen, mit
denen die Stiftung Preußische Schlösser und
Gärten Berlin-Brandenburg der Königin in ihrem
200. Todesjahr 2010 gedenkt. Der Charlottenburger Ausstellung
folgen Projekte im ländlichen Schloss Paretz mit einer
Präsentation der Kleider Luises im Kontext der Mode
ihrer Zeit, sowie auf der Pfaueninsel, wo sich Gegenwartskünstler
in einem Konzept der Verknüpfung von Kunst und kultureller
Bildung mit dem Ort und der preußischen Königin
auseinander setzen.
Der plötzliche Tod Luises traf Preußen 1810
auf einem historischen Tiefpunkt wie ein "Blitzschlag".
Die verschiedenen Rollen der Königin als Schönste
der Frauen, als tugendhafte und "bürgerlich" lebende
Mutter und Gattin, als politisch aktive, national denkende
und "standhafte" Königin, als Märtyrerin,
Heilige und nationaler Schutzgeist sowie ihre kaiserzeitliche
Instrumentalisierung als "imperialistische" Reichsgründerin
werden thematisiert. Die Rollen und Facetten der Königin
verdeutlichen unter anderem Modelle weiblicher Familienrollen
und weiblicher Bildung, bürgerliche Hoffnungen auf
eine Erneuerung von Monarchie und Gesellschaft und die
Entwicklung von nationalen Mythenkonstrukten bis in die
Gegenwart im internationalen Kontext wie auch gegenläufige
Reaktionen darauf.
Unter dem Motto "Luise heute" wird die aktuelle
Relevanz der historischen Figur aufgezeigt, deren Bedeutung
und Einfluss auf kulturgeschichtliche Zusammenhänge
nach wie vor eine breite Öffentlichkeit anspricht.
Ausstellungssorte
Schloss Charlottenburg bildet den Mittelpunkt des Luisenjahres
2010. Hier wird der Besucher der Königin in den Sonderausstellungsräumen
im Neuen Flügel und an authentischen Orten begegnen.
Die Sonderausstellung im Neuen Flügel des Schlosses
geht der Entstehung des Mythos "Luise" nach.
Ausgehend von Lebensstationen und wichtigen Rollen der
Königin, wird nach der Person hinter dem Mythos gefragt.
Das Konzept orientiert sich an den wichtigsten Eigenschaften,
die die Luisenvorstellungen prägten und prägen.
Die Darstellung der verschiedenen Facetten holt das Phänomen "Luise" in
aktuelle Bezüge, da die medialen Inszenierungen der
Königin bis in die Gegenwart reichen.
Ü
ber 350 Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Dokumente,
darunter Meisterwerke von Karl Friedrich Schinkel, Johann
Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, laden in
der Ausstellung im Neuen Flügel zu einer Annäherung
an das Leben und Nachleben von Königin Luise ein.
Ein großer Teil der Exponate entstammt dem Besitz
der SPSG, die über die maßgeblichen "Luisenobjekte" verfügt.
Außerdem präsentiert die Ausstellung außer
Spitzenexponaten aus Museen des Berliner Raums auch hochkarätige
Leihgaben aus Deutschland und dem europäischen Ausland.
Das Mausoleum beherbergt Luises Grabstätte und die
bedeutende Marmorsarkophagskulptur von Christian Daniel
Rauch. Anlässlich des Luisenjahres wird die Sarkophagskulptur
fachkundig gereinigt und restauriert. Die Gruft mit den
Särgen unterhalb der Gedenkhalle wird erstmals seit
ihrer Aufstellung 1814 zu besichtigen sein, und das auch
nur im Rahmen der Sonderausstellung.
Die Luisenwohnung wird entsprechend der erhaltenen Inventarlisten
von 1800 und 1810 nahezu authentisch rekonstruiert. Hierfür
stehen fast 90% der originalen Möbel zur Verfügung,
handbemalte Seidentapeten werden nach alten Entwürfen
neu gefertigt. Die Einrichtung stellt einen Höhepunkt
während der Ausstellungsdauer und darüber hinaus
dar.
Weiterhin kann der Besucher die gärtnerische Wiederherstellung
der Luiseninsel und des Mausoleumsumfeldes erleben.
"Luise. Leben und Mythos der Königin"
Berlin, Schloss Charlottenburg - Neuer Flügel | Luisenwohnung | Mausoleum
| Luiseninsel
6. März – 30. Mai 2010
Öffnungszeiten:
Mo, Mi, Fr, Sa, So von 10 bis 18 Uhr
Dienstag von 12 bis 18 Uhr
Donnerstag von 10 bis 21 Uhr
Letzter Einlass jeweils ½ Stunde vor Schließzeit
Mausoleum immer bis 18 Uhr
Eintritt:
Ausstellung Neuer Flügel, Wohnräume und Mausoleum: 12 Euro / ermäßigt
10 Euro
Familienkarte: 24 Euro (2 Erwachsene, 3 Kinder)
inkl. Audioguide in dt. + engl. sowie Audioguide für Kinder; für
Ausstellung, Schloss, Garten und Mausoleum.
Kombikarte für alle drei Luisen-Ausstellungen (gültig für jeweils
einen Besuch) inkl. Audioguide in Charlottenburg: 20 Euro / ermäßigt
15 Euro
Gruppenführungen: pauschal 160 Euro (max. 25 Personen)
Zur Ausstellung wird ein umfassendes Begleitprogramm
für Erwachsene und Kinder angeboten
Ausstellungsführer "Luise. Leben und Mythos
der Königin." Ca. 130 Seiten mit zahlreichen
Farbabbildungen, Herausgeber SPSG, 9,95 Euro |
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