20.6.17

Society-Schönheit und Liebesgeschichte: Neuerwerbung für Schloss Kirchheim

(ssg) Eine ungewöhnliche Neuerwerbung ist den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg gelungen: das Porträt einer eleganten jungen Frau des 19. Jahrhunderts. Die Schönheit konnte identifiziert werden als Gräfin Claudine Rhedey, Ehefrau des Prinzen Alexander von Württemberg. Das großformatige Gemälde, ein Meisterwerk der Bildniskunst des 19. Jahrhunderts, wird nach seiner Restaurierung in Schloss Kirchheim unter Teck zu sehen sein. Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg präsentierte das Bild nun gemeinsam mit Dr. Nicole Bickhoff, der Leiterin des Hauptstaatsarchivs Stuttgart im Archiv: Denn dort wird das Tagebuch der jungen Gräfin aufbewahrt.

Direkter Blick auf Zeitgeschichte und Leben
Als „weiteren Baustein in der Präsentation von Schloss Kirchheim unter Teck“ bezeichnete Geschäftsführer Michael Hörrmann das Gemälde. „Wir wollen unseren Besucherinnen und Besuchern in den Schlössern ein möglichst suggestives Bild der historischen Situation zeigen“ erläutert Hörrmann. „Das 19. Jahrhundert ist eine Zeit, in der man vor allem im Adel das Beziehungsgeflecht besonders pflegte. Die hochkarätige Neuerwerbung wird daher die vielfältigen Porträts im Kirchheimer Schloss ergänzen.

Das Portrait zeigt die ungarische Gräfin Claudine Rhedey von Kis-Rhede (1813-1841).Liebesgeschichte im Hochadel
Das Portrait zeigt die ungarische Gräfin Claudine Rhedey von Kis-Rhede (1813-1841). Sie heiratete 1835 Prinz Alexander von Württemberg (1804-1885), den Sohn von Herzog Ludwig (Louis) von Württemberg und seiner Frau Henriette von Nassau-Weilburg und damit Neffe von König Friedrich I. von Württemberg. Er wuchs zusammen mit vier Schwestern in Schloss Kirchheim unter Teck auf. Als junger Mann trat er in den österreichischen Militärdienst und verkehrte am Kaiserhof und in der Wiener Gesellschaft. 1832 lernte er die neunzehnjährige Claudine kennen, die für ihre Schönheit in der ganzen Wiener Gesellschaft berühmt war. Die jungen Leute verlieben sich schnell und heftig. Wegen des Standesunterschiedes – die Gräfin entstammt dem landsässigen Adel, der Prinz ist direkt mit dem regierenden württembergischen Königshaus verwandt – stehen der Heirat Schwierigkeiten entgegen. Alexander verzichtet schließlich auf alle Rechte in der württembergischen Thronfolge für sich und alle Kinder.

Tragisches Ende
Nach nur wenigen gemeinsamen Jahren kam die junge Gräfin im Alter von 28 Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben: Sie wollte ihren Mann bei einer Truppenübung überraschen, wurde aber von Reitern übersehen und durch einen Pferdetritt schwer verletzt. Die Gräfin, mit dem vierten Kind schwanger, erlitt eine Fehlgeburt, an deren Folgen sie am 1. Oktober 1841 starb. Auf ihren Wunsch hin wurde sie in der Gruft ihrer ungarischen Familie in Erdőszentgyörgy (im heutigen Rumänien) bestattet. Alexander soll die Kutsche mit ihrem Leichnam über vier Wochen hinweg selber bis zur Gruft gelenkt haben. Ihr Herz soll von Alexander in einer Urne bis zu seinem Tod auf seinem Schreibtisch aufbewahrt worden sein. Nach ihrem Tod blieb er unverheiratet.

Tagebuch der Gräfin erhalten
Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart verfügt, ergänzend zum neu erworbenen Porträt der Staatlichen Schlösser und Gärten, über das persönliche Tagebuch der jungen Gräfin – ein anrührendes Zeugnis aus dem Leben in der Gesellschaft jener Zeit. Das Tagebuch der Jahre 1833–1839 spiegelt die Persönlichkeit der jungen Frau von gerade mal 20 Jahren, zuhause in der eleganten Wiener Gesellschaft. Sie schreibt von der Begegnung mit dem württembergischen Prinzen und von der Verliebtheit der beiden. Künftig werden in Schloss Kirchheim Auszüge aus dem Tagebuch zu sehen und zu lesen sein: „Wir wollen diese einmalige Gelegenheit nutzen und im Kirchheimer Schloss damit die private Seite der Herrscherfamilie noch mehr sichtbar machen“, erklärt Dr. Peschel.

Im Kunsthandel entdeckt
Das Gemälde, dessen Entdeckung der Kunsthistorikerin Dr. Patricia Peschel im Frühjahr gelungen ist, stammt vom österreichischen Maler Johann Nepomuk, einem gefragten Bildnismaler der eleganten Gesellschaft. Das großformatige Porträt – es misst 117 x 86 cm – in prächtigem Goldrahmen zeigt eine elegante junge Dame der vornehmen Gesellschaft in einem Kleid aus schwerem weißem Seidenstoff, das der Mode der 1830er-Jahre angehört, mit Fächer und üppiger Samtstola. Aus der kurzen Ehe der jungen Gräfin mit dem württembergischen Prinzen entstammen drei Kinder. Ein Sohn, Franz, heiratet in das hannoveranische bzw. britische Königshaus ein. „Durch diese Verbindung sind Alexander und Claudine heute die Ur-Ur-Großeltern von Queen Elizabeth II. von Großbritannien“ erklärt Patricia Peschel. „Wir haben daher auch Kontakt mit der Royal Collection und dem Archiv des Hauses Windsor aufgenommen. Denn auch in der dortigen Sammlung gibt es kaum ein Bildnis dieser Verwandten“, erklärt die Konservatorin.

Schloss Kirchheim als Wohnort
In Schloss Kirchheim unter Teck, wo das Gemälde nach seiner Restaurierung voraussichtlich ab Spätsommer zu sehen sein wird, zeigen die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg die private Seite einer Herrscherfamilie. Hier lebten über Generationen die Witwen der Herzöge. Im 19. Jahrhundert war es Wohnort der Henriette von Württemberg, verheiratet mit dem jüngeren Bruder des ersten württembergischen Königs. Durch ihre Wohltätigkeit hat sich der Ruf der Herzogin noch lange nach ihrem Tod lebendig gehalten. Herzogin Henriette gelang es, ihre Kinder mit mächtigen Herrscherfamilien in ganz Europa zu verheiraten. „Dieses Networking des 19. Jahrhunderts können wir in Schloss Kirchheim besonders gut zeigen“, erläutert Michael Hörrmann.

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