Schlossgarten Schwetzingen

Aktuell

Projektbeschreibung "Bild – Zeit – Raum"

Von Siegfried Albrecht, künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für Darstellen und Gestalten, Universität Stuttgart

Bildräume der Gartenkunst im Schwetzinger Schlossgarten. Angewandte Wahrnehmungsforschung in analytischer Fotografie

Ausstellung fotografischer Arbeiten zur Erkundung des Gartens im Jahreszyklus
Orangerie im Schlossgarten Schwetzingen 23.06. – 24.07.2011

Raumwahrnehmung als Bild in der Zeit:
Die Arbeiten von Studierenden der Fakultät Architektur der Universität Stuttgart entstanden im Rahmen zweier Veranstaltungen des Institutes für Darstellen und Gestalten und der Werkstatt für Photographie unter der Leitung von Siegfried Albrecht und Boris Miklautsch. Sie versuchen, sich dem bildräumlichen Erleben in Montagen von Bildsequenzen im Medium der Fotografie anzunähern. Die experimentelle Fotografie versteht sich hier als Schule des Sehens. Hier wird sowohl der linearen Zeit des Betrachters, wie der zyklischen Zeit des Tages- und Jahreszeitenwechsels und den witterungsbedingten Veränderungen der Raumerscheinungen entsprochen, wie dies einst die Theoretiker der Gartenkunst gefordert hatten.

Gartenräume sind Kunsträume im Medium der Natur. Aus einer Zeit historischer Umbrüche haben sich in Schwetzingen zwei strukturell gegensätzliche Gartenformen des 18. Jahrhunderts erhalten und im Neben- und Miteinander zu einer Synthese der Gegensätze gefunden. Gemeinsam ist beiden - dem "geometrischen" und dem "englischen" Garten - eine Auffassung von Raumgestaltung als Folge von Bildräumen.

Die klassische Moderne des 20.Jahrhunderts hat sich von bewusst bildhafter Gestaltung öffentlicher Außenräume abgewandt. So erscheint es besonders reizvoll, den Blick eines heutigen Betrachters, der an den neuesten Erkenntnissen der Wahrnehmungs- und Neurowissenschaften geschult ist, auf historische Anlagen zu richten und so dem Verhältnis von Bild und Raum neue Aktualität zuzumessen.

Friedrich Ludwig von Sckell, neben Nicolas Pigage der maßgebliche Schöpfer des Schwetzinger Landschaftsgartens, klassifiziert die Gartenformen als „symmetrisch und natürlich“. Symmetrie erscheint in der Tat als oberstes Gestaltungsprinzip der barocken Anlagen, die aus einem idealen Betrachtungspunkt gedacht wurden. Im Auge, zu dieser Zeit als „camera obscura“ aufgefasst, bildet sich diesem Konzept zufolge der Bildraum in perspektivisch-geometrischer Konstruktion ab.

Der „bildende Gartenkünstler“ eines englischen Landschaftsgartens rechnet mit Blickbahnen des sich bewegenden Betrachters - mit einer Vielzahl landschaftsräumlicher Bildeindrücke, wenn er die natürlich schwingenden Wege entlanggeht. Die Bildräume, orientiert an Landschaftsmalerei, erscheinen in asymmetrischer Schichtung und gegenseitiger Überschneidung der botanischen Bildelemente immer in Anschnitt und Ausschnitt, sodass der aktive Betrachter gefordert wird, den Raum in seiner Vorstellung zu ergänzen.

Die moderne Betrachtungsweise unterscheidet sich von den älteren Positionen vor allem durch die Erkenntnis des Sehens als aktivem, kognitivem Vorgang. Die Anatomie des Auges hatte schon in den vergangenen Jahrhunderten zu zahlreichen Spekulationen um die Gestalt und Gestaltung von Bildern geführt. Die Struktur des Auges erfordert Bewegung, da nur ein kleiner Teil des Bildeindrucks (von der Größe eines Daumennagels bei ausgestrecktem Arm) scharf gesehen wird. So wird das Auge in schnellen Blickbewegungen (drei je Sekunde) wie ein Scheinwerfer oder Fühler über die Oberflächen größter Informationsdichte geführt.

In der Bewegung des Betrachters gerät die visuelle Anordnung ins Fließen, wobei sich die Oberflächen der Objektwelt an den Kanten wechselseitig sukzessive verdecken und zeitgleich freigeben. Dieser Vorgang visuellen Raumerlebens wurde schon von den Schöpfern der Landschaftsgärten für Folgen neuer, sich permanent verschiebender Bildelemente genutzt. Dabei war auch hier die Neugierde des Betrachters das Motiv zur Erforschung des Gesehenen: Was verbirgt sich hinter einer Baumgruppe, die den Raum verstellt? Neues, Unerwartetes lässt die visuelle Komplexität und das innere Spannungsniveau ansteigen, wenn etwa ganz unerwartet eine Moschee hinter einer Baumgruppe erscheint. Durch die erfolgte Erkundung reduziert sich die Spannung - ästhetische Lust entsteht.

 

 

 

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