Die ehemals hochberühmte Gemäldesammlung des
Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz wird erstmals
seit 300 Jahren wieder in ihrer ganzen Breite in München
der Öffentlichkeit präsentiert. Für die
Dauer der Ausstellung wird die Alte Pinakothek zur barocken
Gemäldegalerie und entfaltet ein sinnliches Panorama
der Augenlust.
Den größten Teil Flanderns habe Kurfürst
Johann Wilhelm leer gekauft, um die schönste Galerie
Europas einzurichten. So berichtet der Sprachsekretär
des pfälzischen Hofes, Giorgio Maria Rapparini, 1709 über
die Bedeutung der kurfürstlichen Sammlung in Düsseldorf.
Die Kunstleidenschaft des Kurfürsten sei so groß,
dass er nach eigener Aussage nicht zögere, für
ein Meisterwerk der Malerei die Hälfte seines Vermögens
zu opfern. Johann Wilhelm richtete für seine Kunstschätze
in Düsseldorf nicht nur eines der ersten öffentlichen
Galeriegebäude Europas ein, sondern ließ auch
in seinen privaten Kabinetten »die Bilder tanzen«,
wie seine Gemahlin Anna Maria Luisa de’ Medici die
Sammellust des Kurfürsten umschrieb.
Während Johann Wilhelm als Herrscher in unruhigen
Zeiten eine von zweifelhaften Erfolgen gekennzeichnete
Politik betrieb, ist sein Ruhm als kenntnisreicher und
rastloser Sammler flämischer, holländischer und
italienischer Barockmaler noch heute unangefochten. Tatsächlich
war es eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen Europas,
die der Kurfürst, der dem Neuburger Zweig der Wittelsbacher
Dynastie angehörte, zu Beginn des 18. Jahrhunderts
zusammentrug.
Zahlreiche Werke erstrangiger Meister fanden den Weg nach
Düsseldorf, darunter vor allem eine immense Anzahl
großformatiger Gemälde von Peter Paul Rubens,
daneben aber auch zentrale Arbeiten von Jan Brueghel d. Ä.,
Rembrandt, Van Dyck, Raphael und Reni. Der Ruhm der Galerie
verbreitete sich im 18. Jahrhundert in ganz Europa.
Bildungs- und Kunstreisende kamen eigens nach Düsseldorf,
um die Kunstschätze des Kurfürsten zu erleben.
Dieser einmalige Bilderschatz gelangte durch die Erbfolge
Johann Wilhelms in der Kurpfalz zunächst zum einen
Teil nach Mannheim, auf Grund von Wittelsbacher Erbverträgen
dann 1799 nach München. Der in Düsseldorf verbliebene
Teil wurde 1805 ebenfalls dorthin geschafft. Hier zählen
Johann Wilhelms Bilder, darunter Rubens „Geißblattlaube“,
Raphaels »Heilige Familie«, Rembrandts »Passionszyklus« oder
Renis »Himmelfahrt Mariae« zu den Höhepunkten
der Alten Pinakothek. Aber auch zahllose neu zu entdeckende
Meisterwerke, die nun erstmals seit vielen Jahrzehnten
gezeigt werden können, gehören zu Johann Wilhelms
Bildern, in erster Linie die Gemälde seiner niederländischen
Hofmaler Adriaen van der Werff, Jan Frans van Douven, Godfried
Schalcken oder Rachel Ruysch.
Das Zentrum der Ausstellung bildet die Rekonstruktion
der beiden kurfürstlichen Gemäldekabinette mit
ihrer dichten, die Wände fast lückenlos bedeckenden
Hängung. Auf der Grundlage von vier detaillierten
Zeichnungen und der erstmaligen Identifikation zahlreicher
Gemälde konnten diese Kabinette, die ursprünglich
220 Werke enthielten, aufwändig rekonstruiert werden.
Nur die umfassenden Münchner Bestände ermöglichen
es, diese barocke Gemäldepräsentation für
kurze Zeit wieder in ihrem räumlichen Zusammenhang
erlebbar zu machen und heutige Sehgewohnheiten um eine überraschende
Perspektive zu erweitern.
Die Ausstellung eröffnet zugleich die Möglichkeit,
bekannte und geliebte Meisterwerke Jan Brueghels d. Ä.,
Adam Elsheimers und anderer im Verbund mit zahlreichen
seit Jahrzehnten nicht mehr ausgestellten, eigens restaurierten
Gemälden zu präsentieren.
Wichtige Wiedererwerbungen sowie Leihgaben, die aus Paris,
Florenz, London, Los Angeles, Rotterdam und Wuppertal erstmals
nach Jahrzehnten in die Alte Pinakothek zurückkehren,
tragen zur Vervollständigung der Rekonstruktion bei.
Das Geschmacksideal am Hofe Johann Wilhelms wird in der
Kabinettpräsentation mit den hoch vollendeten Werken
der Feinmaler nachvollziehbar. Eine weitere Abteilung der
Ausstellung ist eigens der Gruppe von Johann Wilhelms Hofmalern
gewidmet, die hier mit wichtigen Arbeiten vorgestellt werden.
Schließlich ist der Besucher eingeladen, auch in
allen übrigen Galerieräumen der Alten Pinakothek
auf Johann Wilhelms Spuren zu wandeln: Einprägsame
Medaillons kennzeichnen all diejenigen Bilder der Dauerausstellung,
die aus dem Besitz des kunstsinnigen Kurfürsten stammen
und machen auf diese Weise anschaulich, welch hohen Anteil
die Sammlung Johann Wilhelms zum Ruhm und der Schönheit
der Alten Pinakothek beisteuert. Auf diese Weise leistet
die Ausstellung einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung
der Sammlungsgeschichte der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Historische Werkbestände werden zusammengeführt
und erstmals in historischer Anordnung inszeniert.
In drei umfangreichen Begleitpublikationen wird Johann
Wilhelm als europaweit agierender Sammler und Auftraggeber
vorgestellt, die barocke Repräsentation und die Rezeption
der Galerie beleuchtet sowie die Rekonstruktion der Gemäldekabinette
dokumentiert. Der vollständige Gemäldebestand
Johann Wilhelms wird auf Basis einer umfangreichen Aufarbeitung
früher Kataloge und Inventare erschlossen. Zusätzlich
erscheint ein Nachdruck von Nicolas de Pigages berühmtem
Galeriekatalog von 1778, der mit seinen detaillierten Kupferstichen
nach den Gemälden dem heutigen Besucher einen imaginären
Rundgang durch die Düsseldorfer Galerie des 18. Jahrhunderts
ermöglicht.
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