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Von Raunächten und Lostagen

Eine Vorgeschichte zur Fasnacht im Schwarzwald

An Weihnachten beginnt eine magische Zeit. Ehe sich das Christentum verbreitete, wurden in den Tagen um die Wintersonnenwende am 21./22. Dezember die „Wiedergeburt der Sonne“ gefeiert. Nach der längsten Nacht des Jahres gewinnt das Licht wieder an Kraft und die Tage werden wieder länger. Die Kelten feierten dieses Ereignis im Schwarzwald wohl auf dem Belchen, ihrer einstigen Kultstätte.

Naturpark- und Gästeführer Klaus Millmeier aus Schopfheim im Südschwarzwald kennt sich aus mit den heidnischen Bräuchen zum Jahreswechsel. Gerne schlüpfte er gelegentlich in die Rolle des germanischen Göttervaters Wotan oder „Wode“ wie man im Schwarzwald sagt.

Naturpark- und Gästeführer Klaus Millmeier bei einer Führung zu den sagenumwobenen "Rauhnächten". © Original Schwarzwald / Linda Bucklin
Naturpark- und Gästeführer Klaus Millmeier bei einer Führung zu den sagenumwobenen "Rauhnächten". © Original Schwarzwald / Linda Bucklin, 2014

„In Nebelschwaden und Winterstürmen glaubten die Menschen das furchtbare Geisterheer Wodans zu erkennen“, erzählt er. „Wode“ galt auch als Kriegs- und Totengott. Er soll in Begleitung von 24 Hunden zur Sonnenwende über das Erdreich gestreift sein, um Angst und Schrecken zu verbreiten und in schlecht verschlossene Häuser einzudringen. Im Schwarzwald wurden aber auch regionale Unholde als diese wilden Heerführer gefürchtet. Zum Beispiel der „Wittenbacher“ im Elztal und der „Geißenmeckerer“ in St. Märgen.

In christlicher Zeit rankten sich phantastische Geschichten und kurioser Aberglaube um die „zwölf Weihnachtsnächte“ vom 25. Dezember bis 6. Januar. Daher rührt auch unser Brauch der Weihnachtsgeschenke.

In erster Linie dienten die Bräuche um den Jahreswechsel der Austreibung böser Geister: Mit schwelenden Kräuterruten räucherten die Landbewohner ihre Häuser aus – weshalb die Raunächte auch mancherorts „Rauchnächte“ heißen. Heilkräuter hielt man zu dieser Zeit für enorm wirksam.

Die „Zwölften“ oder „Rauhnächte“ werden im Schwarzwald auch „Lostage“ genannt. An diesen Tagen sollte sich das Schicksal fürs nächste Jahr entscheiden – und damit auch vorhersehen lassen: „Es war besonders wichtig in diesen Nächten auf seine Träume zu achten“, weiß Millmeier. Denn sie konnten von der Zukunft handeln. Die „Zwölften“ wurden gern mit den zwölf Monaten des Folgejahres gleichgesetzt. Man glaubte, das Geträumte würde sich im jeweiligen Monat erfüllen.

Die Bauern notierten sich das Wetter an jedem Tag und trafen Vorhersagen für die Ernte im nächsten Jahr. Raureif stand für fruchtbare Jahre, Nebel für nasse Jahre, ein klarer Himmel für Trockenheit. Wenn besonders starker Wind wehte, glaubte man, dass viele alte Frauen sterben müssten. Das Verschenken von Eiern sollte Fruchtbarkeit und Ernteglück bringen.

Allerlei Ge- und Verbote mussten eingehalten werden, um die Geister fern zu halten und selbst „ungeschoren“ zu bleiben. Der passionierte Gästeführer weiß eine ganze Reihe: Morgens sollte man besser nicht pfeifen. Man durfte nicht spinnen, waschen oder putzen. Und möglichst keine Knöpfe verlieren, denn entsprechend viele Geldstücke würde man im nächsten Jahr einbüßen.

Auch in christlicher Zeit blieb der Aberglaube lebendig. Beim Weihnachtsessen durfte keiner fehlen; denn sonst drohte ein Familienmitglied zu sterben. Wer während der Heiligen Messe durch neun verschiedene Hölzer schaute, konnte angeblich die Hexen unter den Gläubigen erkennen. Und wenn man rückwärts auf dem Kreuzgang ging, sollte man dem leibhaftigen Teufel begegnen können, der dann einen Wunsch erfüllen muss.

Die gefährlichste und zugleich segensreichste Nacht ist in diesem Denken die Dreikönigsnacht. Man öffnete Fenster und Türen, um den „Dreikönigswind“ einzulassen, der Glück und Segen ins Haus bringen sollte. Aber auch die Geister trieben in dieser letzten „Raunacht“ ihr Unwesen besonders aktiv: Um sich davor zu schützen, schrieb mancher die Namen der Heiligen drei Könige auf einen Zettel und steckte sich diesen in die Kniekehlen. Dieser Ritus sollte Schutz gewähren und eine sichere Reise garantieren – und sogar das Gehen erleichtern.

Infos zur Schwäbisch-alemannischen Fasnacht
Auch die schwäbisch-alemannische Fasnacht geht auf die Raunächte zwischen Weihnachten und Dreikönig zurück. Am 6. Januar beginnt ihre hohe Zeit: Das „Häs“, das Narrenkleid, wird abgestaubt. Jetzt werden die Geister endgültig ausgetrieben. Mummenschanz und Narrentreiben regieren im Schwarzwald. Statt des Dreikönigssingens hört man in manchen Dörfern schräge Guggenmusik. In den Kneipen „schnurre und schnaige“ die Narren: Sie machen den Gästen was vor und „schnaigen“ sich das Beste von deren Tellern. Doch kaum irgendwo sind die Fasnachtsbräuche und die Fasnachtskostüme so vielfältig wie im Schwarzwald.

 

Credits Text: Schwarzwald-Tourimus.de
Kopfbild: © TI Schluchsee; Icon: TI Triberg
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