Das rem-Mumienforschungsprojekt
Seit dem Frühjahr 2004 betreiben die Reiss-Engelhorn-Museen
ein Mumienforschungsprojekt. Es ist zur Zeit eines der größten
und interessantesten Forschungsprojekte weltweit. Zusammen
mit Experten aus unterschiedlichen Disziplinen und mithilfe
modernster Methoden gelingt es den rem, den Mumien einige
ihrer Geheimnisse zu entlocken. Untersucht wurden bisher
20 Mumienfunde unterschiedlicher Herkunft. Sämtliche Forschungsergebnisse
werden jetzt erstmals in der bisher weltweit größten rem-Sonderausstellung
"MUMIEN - Der Traum vom ewigen Leben" und im dazugehörigen
Ausstellungs-katalog der Öffentlichkeit präsentiert .
Die "Wiederentdeckung" von 19 Mumienobjekten in den Depots
der Reiss-Engelhorn-Museen im Jahr 2004 gab den Sammlungsleitern
und Restauratoren einige Rätsel auf. Woher stammen die Mumien?
Welches Geschlecht haben sie? Woran sind sie gestorben?
Diese und noch mehr Geheimnisse galt es zu lüften. Schon
bei der ersten Begutachtung der Mumien wurde klar, dass
sie eine den ethischen ICOM-Richtlinien entsprechende Aufbewahrung
und Behandlung bekommen sollten. Um die Objekte zu schonen
und nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder bewegen zu
müssen, beschlossen die Verantwortlichen, einhergehend mit
der Restaurierung und der modernen Aufbewahrung auch ein
wissenschaftliches Untersuchungsprogramm durchzuführen.
Dies sollte es nicht nur erleichtern, die optimale Aufbewahrungsmöglichkeit
für die einzelnen Mumien zu finden, sondern auch die Informationslücken
schließen.
Den Reiss-Engelhorn-Museen gelang es, renommierte Wissenschaftler
aus dem In- und Ausland für das rem- Mumienforschungsprojekt
zu gewinnen, darunter Dr. Dr. Frank Rühli von der Universität
Zürich, der bereits an der Neuuntersuchung von Tutanchamun
beteiligt war. Anthropologen, Anatomen, Mediziner, Chemiker,
Physiker, Biologen, Genetiker und Spezialisten anderer Bereiche
arbeiten seit nunmehr drei Jahren bei diesem interdisziplinären
Projekt Hand in Hand. Alle Untersuchungen werden so objektschonend
wie möglich durchgeführt und notwendige Probenentnahmen
bleiben auf ein Minimum beschränkt. Mumien brechen aus dem
natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen aus. Sie sind
ein einzigartiges Archiv, das Aufschluss über das menschliche
Dasein gibt. Ihre Untersuchung ermöglicht Rückschlüsse auf
die Lebensumstände längst vergangener Kulturen. Mittels
Computer-Tomographie, DNA-, Drogen- und Kollagenisotopen-analyse
sowie radiometrischer Datierung ist es möglich, nicht nur
etwas über Geschlecht, Individualalter, Größe und Herkunft
der Mumien zu erfahren, sondern auch, ob der Verstorbene
an Krankheiten litt oder Drogen nahm, wie er sich ernährt
hat und woran er gestorben ist. Die rem-Mumienforschung
setzt auch auf Methoden, die noch niemals zuvor bei Mumien
zur Anwendung kamen. Mit dem Rapid-Prototyping macht sie
sich zum Beispiel ein hochmodernes Verfahren aus der Medizintechnik
zu Nutze. Auf der Basis von CT-Scans wurde der Schädel einer
präkolumbischen Kindermumie rekonstruiert. Dies erlaubte
es, eine speziell angepasste Kopfstütze herzustellen, die
eine zerstörungsfreie Präsentation der Kindermumie gewährleistet.
Die Wissenschaftler förderten bei ihren Untersuchungen
Erstaunliches zu Tage. Erstmals konnte nachgewiesen werden,
dass die Ägypter nicht, wie lange Zeit angenommen, die einzige
Hochkultur waren, die Mumifizierung durch Einbalsamierung
betrieben, sondern, dass diese Methode auch in Altamerika
angewandt wurde. Die Ergebnisse der rem-Mumienforschung
machen folglich eine Neubewertung des bisherigen Forschungsstandes
notwendig und bringen für sicher gehaltene Einsichten ins
Wanken. Untersuchungen haben auch ergeben, dass sich unter
den Mumien der rem eine wahre Rarität befindet: eine asiatische
Mumie.$An sich sollte das rem-Mumienforschungsprojekt zu
Beginn der Ausstellung beendet sein. Seit 2004 haben sich
die Reiss-Engelhorn- Museen jedoch als Mumienforschungsstandort
etabliert. Deswegen werden die Untersuchungen auch während
und nach der Sonderausstellung weiter gehen. Mehrere Leihgeber
haben bereits ihr Interesse bekundet, auch ihre Mumien durch
das erprobte Team untersuchen zu lassen. Die rem sind auch
Kooperationspartner des "Swiss Mummy Projects" der Universität
Zürich. Durch die großzügige Schenkung der Siemens AG, die
den rem ein eigenes CT-Gerät zur Verfügung stellt, wird
die Arbeit zukünftig erleichtert.
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