Licht fangen


Die Kamera als Projektor

    

„Der Fotoapparat ist nicht nur Aufnahmegerät, sondern zugleich und vielleicht vor allem Projektor. … Fotografie strahlt aus, projiziert, beeinflusst und verändert, was sie angeblich nur neutral und getreu abbildet. … In diesem Sinn befrage ich Fotografie nicht als mechanische und chemische Technik, sondern als magische Praxis, als Einflussnahme und Machtausübung auf Situationen und Subjekte, eine Praxis zudem im Grenzgebiet zwischen sichtbar und unsichtbar.“

„[…] Roland Barthes hat dies im Blick, wenn er am Genre des Portraits – derjenigen bildlichen Gattung, die für Subjektivität und persönliche Eigenheit steht – die Enteignung des Subjekts beschreibt, und zwar von Anfang an, bei Daguerre. „Die PHOTOGRAPHIE [sic] hat das Subjekt zum Objekt gemacht […] für die ersten Porträtaufnahmen (um 1840) war es erforderlich, das der Abzubildende in langen Sitzungen unter einem Glasdach in vollem Sonnenlicht ausharrte; Objekt werden hieß wie unter einem chirurgischen Eingriff leiden; man erfand daher einen Apparat, Kopfhalter genannt, eine Art Prothese, die für das Objektiv unsichtbar war; sie gab dem Körper bei seinem Übergang in die Unbeweglichkeit Halt und hielt ihn fest: dieser Kopfhalter war der Sockel der Statue, die ich werden sollte, das Korsett meines imaginären Wesens.“ ...

„Der positivistisch selbstgewisse Blick auf die Welt, verstärkt und aufgerüstet durch den Fotoapparat, unterwirft, was in seinen Blickwinkel gerät. Eine unterschwellige und unverstandene Umkehrung: Der wissenschaftsbegeisterte Kult der Evidenz, welche insbesondere die Fotografie so unbezweifelbar zu gewährleisten schien und sie zum „Sekretär“ und „Protokollant“ der Wissenschaften (Baudelaire) prädestinierte, gründete auf der nie zuvor erreichten Exaktheit und der scheinbar neutralen Treue der Abbildung gegenüber dem Abgebildeten. Wenn sich nun gerade daraus ein Eigenwert des fotografischen Abbildes ableitet, wertet dies das Abgebildete (dem all seine neutrale Treue gilt) entscheidend ab."

Textauszug aus dem Katalog zur Ausstellung:
LICHT FANGEN. Zur Geschichte der Fotografie im 19. Jahrhundert. Erscheint bei snoek, Köln: ISBN 978-3-940953-28-5. Mit Essays aus Beiträgen zur Tagung, die in Kooperation mit dem SWR2 als Vorbereitung zur Ausstellung in Baden-Baden stattfand.
Katalogbeitrag von Prof. Dr. Matthias Winzen, Direktor des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts

     

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