Licht fangen


Das Bild des Bürgers.
Zur Kultur- und Mediengeschichte der Fotografie 1840–1900

    

„Licht fangen – den magischen Moment der Fotografie des 19. Jahrhunderts ausloten – heißt neben den künstlerischen und psychologischen Dimensionen auch die Kultur- und Mediengeschichte der Fotografie in den Blick nehmen. Es gilt, den Rahmen abzustecken für die Entwicklung eines Mediums in einem Jahrhundert, von dem man sagt, es sei das Jahrhundert des Bürgertums gewesen. Bekanntlich war die Fotografie, neben dem Brief und der Presse, ein bevorzugtes Kommunikationsmittel des Bürgertums. So liegt es auf der Hand, Movens und Charakter dieses neu entdeckten Mediums näher zu betrachten.

Die Fotografie stiftete Sinn und Zusammenhalt im Bürgertum. Sie belehrte und vergnügte. Sie trug zur Verbreitung der bürgerlichen Tugend- und Ordnungsvorstellungen bei.

Der Gang zum Fotografen wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts zum bürgerlichen Ritual. Die Atelierinszenierung wurde konstitutives Merkmal bürgerlicher Kultur. Zwar zielte der Abbildungswunsch des Publikums auf eine „Individualisierung“, doch insgesamt entstand durch das Atelierporträt eine Art „bürgerliche Typologie“.

Fotografie wurde zur Dokumentation von Familiengeschichten, Reisen oder kulturellen und politischen Loyalitäten genutzt.

Die Welt, wie sie abgebildet wurde, war eine von bürgerlichen Sichtweisen geprägte Welt. Das ist bei jeder Betrachtung von heutiger Warte aus zu berücksichtigen.

Die Fotografie hatte sich neben Kunst und Wissenschaft als drittes Standbein bürgerlicher Kultur etabliert.

Die Fotografie transportierte bürgerliche Leitfiguren („große Persönlichkeiten“, „Persönlichkeitstypen“).

Umgekehrt gewährt uns die fotografische Praxis auch Einblick in Tabu- und Grenzbereiche bürgerlicher Kultur.

Damit stößt die historische Bildforschung – über die traditionelle Interpretation schriftlicher Quellen weit hinausgehend – bislang verschlossene Türen zu einem umfassenden mentalitätsgeschichtlichen Verständnis der Lebenswelten des Bürgertums im 19. Jahrhundert auf.“

Textauszug aus dem Katalog zur Ausstellung:
LICHT FANGEN. Zur Geschichte der Fotografie im 19. Jahrhundert. Erscheint bei snoek, Köln: ISBN 978-3-940953-28-5. Mit Essays aus Beiträgen zur Tagung, die in Kooperation mit dem SWR2 als Vorbereitung zur Ausstellung in Baden-Baden stattfand.
Katalogbeitrag von Dr. Eberhard Illner, Direktor Historisches Zentrum und Fuhlrott-Museum, Wuppertal

     

im Detail:

weiter:

siehe auch:

 

zurück:

Startseite | | Service | Aktuelles | zur ZUM | © Badische Heimat/Landeskunde online 2009