Wem gehörte die Zunfttruhe mit der Lackmalerei?
Zünfte waren eine Art Zwangsverbände. Die Mitgliedschaft
war Voraussetzung zur Ausübung eines Handwerks. Zünfte
waren ursprünglich mit einem weitgehenden eigenen Hoheitsrecht
ausgestattet, so auch bei der Entscheidung über die Aufnahme
von Mitgliedern in die Zunft oder bei den Handwerksprüfungen.
Dadurch konnten unwillkommene Handwerksgenossen ferngehalten,
Fehlverhalten sanktioniert und einer Überfremdung des Gewerbes
vorgebeugt werden.
Auch in den reichen Sammlungsbeständen des Kurpfälzischen
Museums haben sich Objekte erhalten, die den Zünften zugeordnet
werden, darunter wertvolle Pokale und kostbare Zunfttruhen aus
der Zeit vom Ende des 17. Jahrhunderts und aus der 1. Hälfte
des 18. Jahrhunderts.
Allerdings ist nicht immer klar, welche Zunfttruhe welcher Handwerksinnung
gehörte. Nur gelegentlich lassen Angaben im Zugangsregister
des Kurpfälzischen Museums oder Dekorationselemente diesbezügliche
Schlussfolgerungen zu. Das prächtigste Exemplar unter den
Zunfttruhen im Kurpfälzischen Museum kommt laut Inventar
aus dem Besitz der Heidelberger Metzger. Es handelt sich um eine
Kassette, die reich mit Chinoiserien bemalt ist. Die von verkröpften
Profilen gerahmten Kissenfüllungen an der Außenseite
sind mit einer zinnoberroten Grundierung, mit lasierendem Schwarz
und mit einer schildpattimitierenden Oberfläche versehen.
Außerdem zeigt sie eine Bemalung mit Landschaftsstaffagen
und exotischen Vögeln mit Gold- und Silberfarbe, die zusätzlich
partiell radiert wurde. Zwischen goldfarbenen Blütenzweigen
tummeln sich fein gemalte Vögel und andere Tiere, teilweise
sind auch Lattenzäune und pagodenartige Häuser zu erkennen.
Ein bemerkenswertes Detail, das einen Hinweis auf die ursprüngliche
Nutzung der Truhe gibt, befindet sich oben auf dem Deckel. Die
Platte, die das Schloss verdeckt, zeigt einen aufgemalten Bohrer.
Bei diesem Bohrer handelt es sich nicht um ein herkömmliches
Handwerkszeug, sondern um ein medizinisches Gerät. Mit vergleichbaren
Bohrern führten Chirurgen im 18. Jahrhundert Schädeloperationen
durch.
Das genannte Detail legt den Schluss nahe, dass die Zunfttruhe
ursprünglich nicht für die Metzger, sondern für
die Wundärzte und Heiler bestimmt war. Die Truhe kann als
Zeugnis der Chinoiseriemode gelten, der genaue Ort der Herstellung
lässt sich allerdings nicht bestimmen. Im Anschluss an eine
vom Import bestimmte Phase, in der originale Lackmöbel aus
dem Fernen Osten eingeführt wurden, etablierte sich seit
etwa 1680 die Eigenproduktion von asiatisch anmutenden Lackarbeiten.
Um ein vollständiges Bild des Heidelberger Zunftwesens
um 1700 zu entwerfen, bedarf es einer intensiven Grundlagenforschung,
die zum einen die vorhandenen Quellen systematisch auswertet
und zum anderen nach erhaltenen Realien forscht. Leider sind
Provenienzen nur in seltenen Fällen belegt, was eine Einordnung
von historischen Handwerkserzeugnissen erschwert. Bedeutsam wäre
auch, die Auswirkung und den Umfang der Zuwanderung von Handwerksmeistern
aus anderen Gebieten zu erhellen. Hinzu kommt die fast vollständige
Dezimierung kunsthandwerklicher Objekte aus Heidelberg durch
die Zerstörung der Stadt 1693 im Orléansschen Erbfolgekrieg.
Karin Tebbe
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