Kunstwerk des Monats
Juli 2008

Tailleur d'Habits, Outils

 

Die von Diderot und d'Alembert herausgegebene "Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société des gens de lettres" stellte die aufwändigste Publikation des 18. Jahrhunderts dar und hat mit ihrem aufklärerischen Geist ganz zweifelsohne der französischen Revolution den Weg geebnet.

Die Idee eines das gesamte menschliche Wissen umfassenden Nachschlagewerkes geht bereits auf antike Schriftsteller wie Vitruv, Plinius oder Horaz zurück. Zahlreiche Enzyklopädien entstanden vor allem im späten 17. und frühen

18. Jahrhundert, von denen die 1728 von dem Engländer Ephraim Charles in zwei Bänden herausgegebene "Cyclopaedia or an Universal Dictionary of Arts and Sciences" am populärsten war. Der französische Verleger Le Breton fasste daher 1745 den Entschluss, dieses englischsprachige Werk ins Französische zu übersetzen. Das Projekt erhielt aber erst 1748 wichtige Impulse, als Le Breton sich potente Mitverleger in Gestalt von Briasson, David und Durand suchte und mit Diderot und d'Alembert als Herausgebern zwei engagierte Persönlichkeiten gewinnen konnte.

Denis Diderot wurde 1713 als Sohn eines Messerschmiedes in der französischen Kleinstadt Langres geboren und erlangte in Paris unter jesuitischer Ägide den akademischen Grad des maître-ès-lettres. Dort verdiente er sich zunächst mit Übersetzungen und Nachhilfe seinen Lebensunterhalt. So übersetzte er z.B. im Auftrag des Verlegers Briasson das englischsprachige Werk "A Medicinal Dictionary", und erhielt aufgrund dessen von Le Breton den Auftrag für die Encyclopédie.

Jean Baptiste le Rond d'Alembert wurde 1717 als uneheliches Kind in Paris geboren und ausgesetzt, erhielt jedoch durch Geldzuwendungen seines Vaters eine umfassende Erziehung. Nach anfänglichen Medizin- und Jura-Studien widmete sich d'Alembert autodidaktisch der Mathematik und Physik und erlangte aufgrund seiner zahlreichen naturwissenschaftlichen Theorien und Veröffentlichungen (u.a. "Traité de dynamique") auch in England, Preußen und dem zaristischen Russland großes Ansehen. Dieses Renommée als wissenschaftlicher Experte trug ihm schließlich im Jahre 1748 die Berufung als Mitherausgeber der Encyclopédie ein.

Rasch waren die anfänglichen Pläne, das englischsprachige Lexikon von Ephraim Chambers lediglich zu übersetzen, überholt, und so kündigte Diderot in seinem 1750 veröffentlichten Prospectus bereits 10 Bände zuzüglich zweier Tafelbände an. Zahlreiche Subskriptionen zeugen von dem hohen Interesse, das Frankreichs gebildete Kreise dem Vorhaben entgegenbrachten. 1751 erschien der erste Band, dem d'Alemberts "Discours préliminaire" vorangestellt war. In diesem Traktat wurde, aufbauend auf dem "Baum des Wissens" des englischen Philosophen Francis Bacon, ein Überblick über die Zusammenhänge allen menschlichen Wissens gegeben.

Der überaus große Erfolg des ersten Bandes, dessen Auflage auf 2.050 erhöht wurde, zog zahlreiche Schmähschriften nach sich. Vor allem die Jesuiten sahen in der Encyclopédie antiklerikale und antiabsolutistische Tendenzen und erwirkten 1752 beim Königlichen Hofrat ein Verbot für das Erscheinen weiterer Bände. Da den Verlegern durch dieses Verbot jedoch nicht das königliche Druckprivileg entzogen wurde, konnten in den Jahren 1753 - 1757 die Bände 3 -7 in noch höherer Auflage herausgegeben werden.

Ein Artikel d'Alemberts über Genève [Genf] im 7. Band erregte am französischen Hofe sowie in geistlichen Kreisen großes Missfallen und fiel der Zensur zum Opfer, die 1756 nach einem Attentat auf König Ludwig XV. noch verschärft worden war. Die Folge war der endgültige Entzug der Druckprivilegien; Papst Clemens XIII. setzte die Encyclopédie gar auf den Index. Jean Baptiste le Rond d'Alembert legte daraufhin seine Tätigkeit nieder, bestärkt durch sein zunehmendes Zerwürfnis mit Diderot aufgrund nicht mehr vereinbarer philosophischer Ansichten. D'Alemberts Stelle übernahm der Chevalier de Jaucourt, der für mehr als 28% der Artikel verantwortlich zeichnete.

Aufgrund der Protektion durch Madame de Pompadour und den Obersten Leiter der Zensurbehörde, de Malesherbes, konnte Diderot im geheimen die Publikation der restlichen 10 Bände vorbereiten, die im Jahre 1765 zu gleicher Zeit in Paris erschienen, des Verbotes wegen aber das schweizerische Neuchâtel als Erscheinungsort aufführten. Aus Angst vor der Zensur hatte der Verleger Le Breton zuvor jedoch viele Artikel eigenmächtig überarbeitet, worüber Diderot besonders erbost war.

Parallel zu den 17 Textbänden entstanden zwischen 1762 und 1772 zwölf Tafelbände mit 2885 Kupferstichtafeln unter dem Titel "Recueil de planches sur les sciences, les arts libéraux, et les arts méchaniques, avec leur explication". Diderot widmete sich in diesen Tafeln anatomischen, zoologischen, botanischen und kunstgeschichtlichen Bereichen, vor allem aber der umfassenden Darstellung des Handwerks, welches er als eigene Kunst gewertet haben wollte. Seine Herkunft aus einer alteingesessenen Handwerksfamilie manifestiert sich an dieser Stelle deutlich. Die angeblich stark an Tafeln von Réaumur angelehnten Kupferstiche trugen der Encyclopédie den Vorwurf des Plagiats ein, jedoch wirken Diderots Tafeln insgesamt klarer und einheitlicher als die angeblichen Vorlagen. Diese Tafeln sind es, die heute die besondere Bedeutung der Encyclopédie ausmachen, denn sie überliefern uns die Kenntnisse zahlreicher Handwerksgeräte und Gepflogenheiten sowie den technischen Entwicklungsstand dieser Zeit. So gewährt uns das vorliegende Blatt "Tailleur d'habits, outils" - Tafel 1 von insgesamt 24 Tafeln zum Beruf des Schneiders, Tafelband 9 - Einblick in eine Schneiderwerkstatt um 1770 mit der bereits erfolgten Arbeitsteilung in Maßnehmen, Zuschneiden des Stoffes sowie Zusammenfügen und Nähen der Einzelteile. Mit leichtem, malerischen Duktus wird diese Interieurszene mit Ausblick auf einen Straßenzug wiedergegeben. Darunter ist detailgetreu ein Teil des Handwerkszeugs des Schneiders dargestellt, u.a. ein Nähkästchen mit Schublade für Garn, Nadeln und andere Utensilien. Auf diesem Nähkästchen konnte ein ebenfalls abgebildeter Kerzenhalter befestigt werden, der bei den damaligen Lichtverhältnissen unentbehrlich war. Drei Scheren verschiedener Größe runden das Blatt ab, dem zwei weitere Tafeln mit Werkzeugen folgen.

Der Entwerfer des Blattes, J. R. Lucotte, ist zwischen 1760 und 1784 als Ornamentzeichner in Paris nachweisbar und ist vor allem für sein Architekturwerk "Le Vignole moderne" (1772/84) bekannt. Für die Encyclopédie fertigte er zahlreiche Zeichnungen vor allem für die Tafelbände 8 und 9 an. Umgesetzt wurden diese von dem eher unbedeutenden französischen Kupferstecher Robert Bénard (geb. 1743), der vor allem für Buchhändler tätig war.

Kristine Scherer

 

Literatur

Allgemeines Lexikon der bildenden Künste von der Antike bis zur Gegenwart, begr. von Ulrich Thieme und Felix Becker, hrsg. von Ulrich Thieme, Studienausgabe, Leipzig (Seemann) 1999
Bender, A.:"Illustrationen aus Diderot", http://www.marquise.de/de/1700/diderot/index.shtml
Bergner, Till: "D'Alembert, Diderot und die Enzyklopädie", http://www.geocities.com/tillbergner/dde.html
Diderot -d'Alembert: Encyclopédie, Signatur: R 56/23; http://www.ub.uni-konstanz.de/bibliothek/wo-steht-was/ rara-bestand/encyclopedie-von-diderot.html; 05.09.2006
"Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers", http://diderot.alembert.free.fr/B.html
L'Encyclopédie Diderot et d'Alembert, planches et commentaires présentés par Jacques Proust, Paris (Hachette)
Spindler, Ulrike: 1. Die Encyclopédie von Diderot und d'Alembert. Aus: Madame de Pompadour -Die Encyclopédie, in: historicum.net, http://www.historicum.net/no_cache/persistent/artikel/2917/, 16.03.2006

Aus der Encyclopédie von Diderot und d'Alembert, Tafelband 9
gestochen von Bénard nach Lucotte Paris, 1769,
Inv.-Nr. 5 / 427

 
 
siehe auch:

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