Die
von Diderot und d'Alembert herausgegebene "Encyclopédie ou dictionnaire
raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société
des gens de lettres" stellte die aufwändigste Publikation des
18. Jahrhunderts dar und hat mit ihrem aufklärerischen Geist ganz
zweifelsohne der französischen Revolution den Weg geebnet.
Die Idee eines das gesamte menschliche Wissen umfassenden Nachschlagewerkes
geht bereits auf antike Schriftsteller wie Vitruv, Plinius oder
Horaz zurück. Zahlreiche Enzyklopädien entstanden vor allem im
späten 17. und frühen 18. Jahrhundert, von denen die 1728 von
dem Engländer Ephraim Charles in zwei Bänden herausgegebene "Cyclopaedia
or an Universal Dictionary of Arts and Sciences" am populärsten
war. Der französische Verleger Le Breton fasste daher 1745 den
Entschluss, dieses englischsprachige Werk ins Französische zu
übersetzen. Das Projekt erhielt aber erst 1748 wichtige Impulse,
als Le Breton sich potente Mitverleger in Gestalt von Briasson,
David und Durand suchte und mit Diderot und d'Alembert als Herausgebern
zwei engagierte Persönlichkeiten gewinnen konnte.
Parallel zu den 17 Textbänden entstanden zwischen 1762 und 1772
zwölf Tafelbände mit 2885 Kupferstichtafeln unter dem Titel "Recueil
de planches sur les sciences, les arts libéraux, et les arts méchaniques,
avec leur explication". Diderot widmete sich in diesen Tafeln
anatomischen, zoologischen, botanischen und kunstgeschichtlichen
Bereichen, vor allem aber der umfassenden Darstellung des Handwerks,
welches er als eigene Kunst gewertet haben wollte. Seine Herkunft
aus einer alteingesessenen Handwerksfamilie manifestiert sich
an dieser Stelle deutlich.
Diese Tafeln sind es, die heute die besondere Bedeutung der Encyclopédie
ausmachen, denn sie überliefern uns die Kenntnisse zahlreicher
Handwerksgeräte und Gepflogenheiten sowie den technischen Entwicklungsstand
dieser Zeit. So gewährt uns das vorliegende Blatt "Tailleur d'habits,
outils" - Tafel 1 von insgesamt 24 Tafeln zum Beruf des Schneiders,
Tafelband 9 - Einblick in eine Schneiderwerkstatt um 1770 mit
der bereits erfolgten Arbeitsteilung in Maßnehmen, Zuschneiden
des Stoffes sowie Zusammenfügen und Nähen der Einzelteile. Mit
leichtem, malerischen Duktus wird diese Interieurszene mit Ausblick
auf einen Straßenzug wiedergegeben. Darunter ist detailgetreu
ein Teil des Handwerkszeugs des Schneiders dargestellt, u.a. ein
Nähkästchen mit Schublade für Garn, Nadeln und andere Utensilien.
Auf diesem Nähkästchen konnte ein ebenfalls abgebildeter Kerzenhalter
befestigt werden, der bei den damaligen Lichtverhältnissen unentbehrlich
war. Drei Scheren verschiedener Größe runden das Blatt ab, dem
zwei weitere Tafeln mit Werkzeugen folgen
Kristine Scherer
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