"One
of my first impressions" notierte Fritz Henle unter einer Aufnahme
des RCA Gebäudes in New York im Jahre 1937. Auf ihr ist der 70stöckige
Skyscraper im hellen Sonnenlicht mit einem davor stehenden Chevrolet
zu sehen, während auf der Aufnahme von 1945 der Strudel des nächtlichen
Lebens mit der Kamera eingefangen wird. Geräuschlos verschmelzen
alle Lichtpunkte gleich Sternen des Nachthimmels zu einem kreisförmigen
Kometenschweif. Das Getöse des Großstadtdschungels bleibt ausgeblendet,
sogar die stetig aufheulenden Polizeisirenen vermögen diesen Schleier
der Stille nicht zu durchbrechen. Im vielschichtigen Lichterzirkel
lassen sich drei Buchstaben ausmachen: "RCA", die Kürzel der"Radio
Corporation of America".
1936 hatte Fritz Henle, dessen Familie väterlicherseits jüdischen
Ursprungs war, den Hafen von New York City erreicht. Es ließe
sich die Vermutung anstellen, ob "New York at Night" eine Reminiszenz
an Henles "ersten Eindruck" bei seiner Ankunft in dieser pulsierenden
Metropole widerspiegelt.
Henle wurde am 09. Juni 1909 in Dortmund geboren, wo sein Vater
Adolf Henle als Chirurg die städtischen Krankenanstalten leitete.
In Dortmund verbrachte Fritz Henle einen Großteil seiner Jugend,
ging jedoch auch in Heidelberg zur Schule. Nach dem Abitur absolvierte
er eine zweijährige Ausbildung als Fotograf bei Hanna Seewald
an der Bayrischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München.
Die daran anschließende Tätigkeit als Fotografie-Assistent in
Florenz war erster Ausdruck einer Reiselust, welche ihn ein Leben
lang begleiten sollte. So unternahm er von 1933 bis zu seiner
Emigration in die USA Reisen im Mittelmeerraum, nach Indien, China,
Japan und Korea. Später folgten Reisen unter anderem nach Frankreich,
Kanada, Mexiko und in die Karibik. Nach St. Croix auf den Virgin
Islands verlegte er ab 1958 zusammen mit seiner zweiten Frau Marguerite
Williams auch seinen Wohnsitz. Am 31. Januar 1993 verstarb Henle
in einem Krankenhaus in Puerto Rico. Von Beginn an hatte sich
Fritz Henle als Reisefotograf verstanden - und sich "die Dokumentation
des Lebens und der Kultur fremder Länder zur Lebensaufgabe gemacht"
(Helmut Gernsheim). Der lokale Bezug zu Heidelberg ist bei diesem
weltreisenden Fotografen durchaus gegeben. Denn auch nach seiner
Schulzeit zog es ihn in regelmäßigen Abständen hierher - so hielt
sich Henle 1930 ebenfalls längere Zeit in Heidelberg auf. Es entstand
mindestens eine Aufnahme des Heidelberger Schlosses vom Turm der
Heilig-Geist-Kirche aus.
Erst vor kurzer Zeit wurde die mit einem signierten Passepartout
versehene Fotografie "New York at Night" dem Kurpfälzischen Museum
im Rahmen einer Schenkung der Sammlung Waltraut und Reinhold Zundel
übergeben. Sie wird als Neuzugang in der Fotografischen Sammlung
erstmals im Museum ausgestellt.
|