Der "Naos der Dekaden"
Von besonderer Bedeutung ist die Entdeckung des "Naos der
Dekaden", eines Schreins aus schwarzem Granit. Auf ihm ist
der älteste bekannte astrologische Kalender dargestellt.
Als Werk des Aberglaubens und der Götzenanbeterei wurde
er von Christen zerstört und in Stücke zerschlagen. Eines
der Fragmente - das pyramidenförmige Dachstück - wurde bereits
1777 bei Ausgrabungen an Land entdeckt und war bisher im
Louvre in Paris ausgestellt. Im Jahr 1940 fanden Taucher
in der Bucht von Abukir ein weiteres großes Fragment des
Tabernakels.
Doch erst die von Franck Goddio entdeckten Platten erlauben
nun eine fast vollständige Rekonstruktion des einzigartigen
Bauwerkes. Der dem ägyptischen Gott Schu - der die Luft
zwischen Himmel und Erde verkörperte und als Schöpfer des
Universums und Herr über die Sterne galt - gewidmete schwarze
Granitschrein wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. von Pharao
Nektanebos I. geweiht. In dem Schrein war Schu in Gestalt
eines sitzenden Löwen aus Silber, mit Feingold überzogen,
dargestellt. Die Priester haben auf dem ‚Naos' den Lauf
verschiedener Himmelskörper in der Nacht festgehalten und
deren astrologische Bedeutung für Menschen und Tiere beschrieben.
Hieroglyphen dokumentieren auf dem Schrein den Ursprung
des altägyptischen Kalenders mit seinen 36 Dekaden. Jede
von ihnen ist mit einer Prophezeiung verbunden. Den Inschriften
zufolge führt das Wandern der Sterne zu unbeschreiblichem
Unheil, zu Krankheit, Pest und Tod für die Feinde Ägyptens.
Durch Opfergaben an Schu wird Ägypten vor seinen Feinden
geschützt.
Im Gegensatz zur modernen Astrologie, die das persönliches
Schicksal vorhersieht, verfügte der Pharao als Mittler zwischen
Göttern und Volk mit dem "Naos der Dekaden" über ein Werkzeug
der Vorsehung, um das Volk zu schützen, ihm zu Reichtum
zu verhelfen und Feinde abzuwehren - übermenschliche Macht
war so in dem Tabernakel gebündelt. Der "Naos der Dekaden"
stellt ein unschätzbares Zeugnis für die Entwicklung der
Ideengeschichte dar, denn er erhellt, wie sich - ausgehend
von der wissenschaftlichen Beobachtung astronomischer Vorgänge
- die Astrologie und Mythologie entwickelt haben und nicht
umgekehrt.
|