Informationen zur Bergungsgeschichte
Versunkene Städte
Alles begann im Jahre 1984, als der passionierte französische
Unterwasserarchäologe Franck Goddio an der Erforschung eines
Schiffes teilnahm, das 1798 in der berühmten, von Napoleon
verlorenen Seeschlacht von Abukir versenkt worden war. Im
Laufe dieser Mission unterrichteten Archäologen des Supreme
Council of Antiquities of Egypt (SCA) Goddio über den Fund
zahlreicher Architekturfragmente in der Bucht von Abukir,
die vermuten ließen, dass die legendären Städte Kanopus
und Thonis-Herakleion in dieser Bucht begraben liegen. Beobachtungen
entlang der Küste und Hinweise in Archiven zeigten, dass
auch ein Teil des 35 km entfernt gelegenen Großen Hafens
von Alexandria hier versunken ist. Es erwies sich, dass
das historische, auf alten Beschreibungen beruhende Kartenmaterial
einer genaueren Überprüfung nicht standhielt. Es galt, die
archäologisch bedeutsame Bucht detailliert zu erkunden und
ihre Topographie zu vermessen.
Städte und Hafen fielen, vermutlich im 8. Jahrhundert,
durch das Zusammenwirken einer Reihe von Naturkatastrophen
den Fluten zum Opfer: Erdbeben, Absinken des Festlandes
und Anstieg des Meeresspiegels. Ein gewaltiges Unternehmen
entstand: Das Institut Européen d'Archéologie Sous-Marine
(IEASM) unter Leitung seines Direktors Franck Goddio begann
1991, den Meeresgrund der Bucht zu erforschen.
Beispiellose Bergungsarbeiten
Die wissenschaftlichen Methoden der Unterwasserarchäologie
unterscheiden sich grundsätzlich wenig von denen herkömmlicher
Ausgrabungsarbeiten, aber das Wasser macht die Arbeit um
einiges schwieriger. Zunächst ist ein umfangreiches Team
von Wissenschaftlern mit der Prospektion beschäftigt. Ingenieure
und Geophysiker kartieren den Meeresgrund unter Einsatz
modernster Messinstrumente wie Sonargeräte, Sonden oder
NMR-Magnetometer.
Archäologen, Historiker und Ägyptologen stehen bereit,
um die Informationen auszuwerten und mit den historischen
Quellen und den Ergebnissen älterer Forschungen zu vergleichen.
Sie folgen den Bergungsarbeiten Schritt für Schritt und
analysieren die Funde unmittelbar. Unter Wasser sind speziell
ausgebildete Taucher am Werk, die über das nötige Know-how
und die erforderliche körperliche Kondition verfügen. Begleitet
werden sie von zahlreichen Fotografen und Kameraleuten.
Unmittelbar nach der Bergung der Fundstücke sind die Konservierungs-
und Restaurierungsfachleute gefragt. Nicht zu vernachlässigen
ist auch die komplizierte Logistik (Ausrüstung, Transport,
Lagerung und Verpflegung), die von diversen Teams sichergestellt
wird.
Ergebnis der Bergungsarbeiten
Die Funde übersteigen alle Hoffnungen. Die Städte Kanopus
und Herakleion sind nunmehr identifiziert und die Strukturen
des antiken Großen Hafens von Alexandria bekannt. Hunderte
von Statuen, Kultgeräten, Alltagsgegenständen, Keramiken,
Schmuckstücken und Münzen reichen von der frühesten Zeit
bis zur Zerstörung der Städte und decken 16 Jahrhunderte
Geschichte ab (8. Jahrhundert v. Chr. bis 8. Jahrhundert
n. Chr.).
Die Fundstücke zeugen von einer langen Periode der Geschichte
Ägyptens, in deren Verlauf griechische, römische, byzantinische
und arabische Besatzer aufeinanderfolgen. Insbesondere beleuchten
sie die sechs griechisch-römischen Jahrhunderte des Landes,
in denen Ägypten mit seinen griechischen und römischen Bewohnern
einen tief greifenden Wandel erfährt und aus der Begegnung
der Religionen neue Gottheiten entstehen.
Die Ausstellungsbereiche sind den drei antiken Städten
gewidmet und entführen den Besucher in deren faszinierende
Welt.
Zurück zu den Quellen
Die archäologische Forschung beginnt mit dem Studium und
dem Vergleich historischer Quellen - sowohl antiker Texte
als auch von Dokumenten aus den letzen Jahrhunderten. Schon
im 18. Jahrhundert interessierten sich Ingenieure und Historiker
für die Topographie des antiken Alexandrias, das zum Teil
den Fluten zum Opfer gefallen war. Ihre Forschungen bezogen
sich vor allem auf Erzählungen von Reisenden und Gelehrten.
Die antiken Quellen, die sie verwendeten - zum Teil literarische
Meisterwerke - gingen hingegen oft recht frei mit den Tatsachen
um.
Besser dokumentierte Forschungen beginnen Ende des 19.
Jahrhunderts mit Napoleon III. und wurden durch Untersuchungen
vor Ort bereichert. Neue kartographische Techniken ermöglichten
es, fundiertere Hypothesen aufzustellen.
All diese Arbeiten blieben jedoch theoretisch. Die erste
konkrete Unterwasserforschung wurde erst Anfang des 20.
Jahrhunderts in der Bucht von Abukir von Omar Tussun durchgeführt.
In Alexandria entdeckte ein Freizeittaucher 1961 eine zerbrochene
Kolossalstatue. Die UNESCO führte daraufhin im Auftrag der
ägyptischen Regierung eine Erforschung des Meeresgrunds
durch, deren Ergebnisse 1975 in einem Gutachten veröffentlicht
wurden. Dieses spricht von Schätzen im versunkenen Großen
Hafen Alexandrias.
Auf all diesen Vorarbeiten baute das IEASM auf. Sie wurden
bei der Planung der Prospektionen zur Rate gezogen, und
aufgrund dieser Prospektionen können die Hypothesen korrigiert
und verbessert werden. Schließlich begannen die konkreten
Sucharbeiten unter Wasser, und es wurden neue Karten angefertigt
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