Landeskunde [> Territorien & Regionen] > Baden > Traditionen

Badner und Schwaben

Die Aufforderung, Badner mit Schwaben zu vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu benennen, kommt einem definitorischen Kraftakt gleich. Man könnte auch – ohne jetzt anzüglich werden zu wollen, Äpfel mit Maulwürfen vergleichen. Spontane Antwort wäre – beide können nicht klettern!

Im Ernst. Schwaben und Badner sind zwei ganz unterschiedliche Begriffe. Schwaben ist eine historische Region, die sich aus dem hochmittelalterlichen Herzogtum Schwaben entwickelt hat. Das ist die Zeit des 12. Jahrhunderts, das ist die Familie der Staufer, die zu ihren Glanzzeiten Herzöge von Schwaben, deutsche Könige und Römische Kaiser waren. Der heutige Begriff Schwaben ist dreigeteilt: Man kennt Oberschwaben, das Land zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee, und man kennt Bayerisch Schwaben, das Land zwischen Augsburg und Allgäu. Von Nieder- oder Unterschwaben ist weniger die Rede, das wäre der Raum des alten Herzogtums Württemberg um Stuttgart und Tübingen.

In Schwaben spricht man Schwäbisch – das ist jetzt einmal unbestritten, und das Schwäbische reicht von den Dialekten am Mittleren Neckar über Oberschwäbisch bis zum schon ans Bayerische anklingende Schwäbisch des Allgäus. Einen politischen Raum „Schwaben“ aber gibt es seit 1245 nicht mehr, so sehr sich auch der Fürst des württembergischen Landes bemüht hatte, dieses Herzogtum wieder zu erstehen zu lassen – unter seiner Herrschaft natürlich.

Dann gab es noch den Schwäbischen Reichskreis, begründet als einer der zehn Reichskreise 1500 und 1510 unter Kaiser Maximilian. Er war ein politisch-militärischer Rahmen für den Raum zwischen Oberrhein und Lech, bei der allerdings die vorderösterreichischen Länder, die Ortenau sowie die geistlichen Gebiete draußen blieben.

Mehr Baden geht nicht. Friedrichsbad in Baden-Baden mit dem Turm der Stiftskirche, der Grablege der Markgrafen von Baden-Baden, im Hintergrund.Baden dagegen ist, typisch hochmittelalterlich, zunächst der Ort, nach dem sich die Fürstenfamilie nannte. Baden eben. Im 20. Jahrhundert nach dem Land zubenannt, um es von anderen Baden-Orten zu unterscheiden, Baden-Baden. Die Fürsten mit dem Titel Markgrafen nannten sich „von Baden“, und hier ging der Fürstenname im Lauf der Zeit, aber ziemlich schnell, auf das Land über. Ähnlich war es in Württemberg, ganz anders in Bayern. Bayern heißt Bayern, weil Bayern älter ist als die Familie, die Wittelsbacher, die es regiert haben. Der letzte Markgraf (also der letzte, der diesen Titel trug, Karl Friedrich) wurde 1806 Großherzog und zum Monarchen eines um ein Vielfaches vergrößerten Landes befördert, das aber weiterhin Baden hieß.

Bild: Mehr Baden geht nicht. Friedrichsbad in Baden-Baden mit dem Turm der Stiftskirche, der Grablege der Markgrafen von Baden-Baden, im Hintergrund.

Die Bewohner Badens sind Badner (sagen Sie NIE Badenser!), aber das kennzeichnet nur ihre politische Zugehörigkeit zum Staat Baden. Mit dem gleichen Maßstab gemessen, wären die Schwaben zum größten Teil Württemberger. Die Sprache in Baden ist vielfältig: Das reicht vom Seealemannisch am Bodensee über das harte, für Ungeübte fast schon schweizerisch anmutende Hochalemannisch am Hochrhein, das Oberalemannisch im Markgräflerland und im Breisgau, das Niederalemannisch in der Ortenau, bis zu den fränkischen Mundarten um Karlsruhe (Brigantendeutsch), Mannheim (kurpfälzisch), im Odenwald (Ourewällerisch) und am Main (Mainfränkisch). Einen gemeinsamen Dialekt, ein „Badisch“, gibt es trotz größter sprachlicher Verrenkungen in diversen Medien definitiv nicht.

Im Übrigen klingt z.B. für kurpfälzische Ohren manches Alemannische fast wie Schwäbisch.

In ihren Traditionen leben bei den Bewohnern Badens die alten kulturellen Bindungen fort: Vorderösterreich, Hanauer Land, Kurpfalz, Würzburg sind hier Bezugspunkte.

Erstes Fazit: Wollte man „den“ Schwaben einen korrekten Begriff gegenüber stellen, müsste man sagen „Bewohner alemannischer und rhein- und mainfränkischer Herkunft“. Zu kompliziert.

Umgekehrt dürfte man, wenn man auf die klassischen Nachbarschafts-Frozzeleien zurückkommen will, nicht von Schwaben reden, sondern von Württembergern.

Das wäre insofern auch korrekt, weil man dann die Neckarfranken um Heilbronn und die Nordwürttemberger generell mit einbeziehen könnte. Diese wehren sich nämlich ab und zu dagegen, als „Schwaben“ tituliert zu werden. Ähnlich übrigens den bayerischen Schwaben und den Ober-, Mittel- und Unterfranken in Bayern, die man tunlichst nicht, und schon gar nicht am Stammtisch, als Bayern bezeichnen sollte.

Interessanterweise ist die Abgrenzung des Oberrheinlandes von „Schwaben“ bereits im Mittelalter zu beobachten. Nicht nur, dass der Pfalzgraf und Kurfürst bei Rhein mit seinem Land um Heidelberg und Mannheim nie zu „Schwaben“ gezählt wurde, auch das Herzogtum der Zähringer (mit dem Hauptort Freiburg), im 12. Jahrhundert, hatte in seiner Geschichte eine deutliche Abgrenzung vom „innerschwäbischen“ Herzogtum durchsetzen können. Heute würde man sagen, von Stuttgart aus gesehen liegt Freiburg ohnehin jenseits des Gebirges. Von Freiburg aus gesehen gilt das für Stuttgart im Übrigen genauso.

Und so gibt es in Freiburg eben ein „Schwabentor“, durch das man die Stadt in Richtung Osten verlassen konnte (Bild rechts). Das hätte keinen Sinn gehabt, wenn Freiburg als „in“ Schwaben gegolten hätte.

Und die Herren von Geroldseck teilten ihren Besitz 1277 und nannten neben dem Schwarzwälder Kerngebiet auch Gebiete „in Richtung Schwaben“ und „in Schwaben“.

Die sich daraus ergebende Alternative, statt „Badener“ als Gegenbegriff zu Schwaben „Oberrheiner“ zu nennen, ist allerdings auch wieder abwegig. Weil der Oberrhein ja bekanntlich zwei Seiten hat, eine deutsche in Baden, und eine französische im Elsass.

Bleiben wir also frohgemut beim Begriffspaar „Badener“ und „Schwaben“, wohl wissend, dass die einen den Greif haben, die anderen den Hirsch. Und dass sie ganz wichtige Gegensätze in ihren angestammten Charakteren haben. Genauso aber ganz wichtige Gemeinsamkeiten.

Und warum SOLLTE man jetzt den Begriff „Badenser“ vermeiden? Weil er unsinnig und sprachlich falsch ist. Das „s“ wurde irgendwann im 19. Jahrhundert eingefügt, als man bildungsbürgerlich beflissen den Namen ans Lateinische anklingen lassen wollte. „Badenses“ waren die Badner. Kein Mensch spricht heute von Hamburgensern oder von Stuttgartensern. Das ausklingende –en verantwortlich machen? Keine Chance. Es gibt Tübinger und Reutlinger. Die Kürze von „Baden“? Auch keine Chance, man spricht von Singenern und Engenern als den Bewohnern von Singen und Engen. Abgesehen davon sehen einige Badner in dieser Bezeichnung einen leicht abwertenden Ton heraus.

 

im Detail:  
siehe auch:  
weiter:  

Startseite | Service | Aktuelles | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2017