Baden! 900 Jahre


Landeskunde > Baden > Geschichte > 900 Jahre Baden

Ein Gang durch die Große Landesausstellung
„Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes“

 

von Kurator Oliver Sänger M.A.

Trotz der beeindruckenden Anzahl von 400 Objekten auf einer rund 900 qm großen Ausstellungsfläche ist es ein gewagtes Unternehmen, die lange Zeit von 900 Jahren badischer Landesgeschichte in einer Ausstellung darzustellen. Aber wollte man wirklich die „gesamte“ Geschichte erzählen, müsste man unweigerlich scheitern.

Deshalb war eine Orientierung notwendig, sowohl bei der Entwicklung eines Konzepts, als auch bei der Auswahl der Objekte und der Gestaltung der Ausstellung selbst.

 

"Roter Teppich" zur Urkunde mit der ersten Erwähnung des "Markgrafen von Baden" (1112, Staatsarchiv Bamberg)
"Roter Teppich" zur Urkunde mit der ersten Erwähnung des "Markgrafen von Baden" (1112, Staatsarchiv Bamberg)

Zwei wichtige Leitlinien standen dabei im Vordergrund:

1. Chronologie: Der Besucher kann in der Ausstellung einen Gang durch die Landesgeschichte Badens unternehmen, von der erstmaligen Erwähnung des Titels „Markgraf von Baden“ im Jahr 1112 bis zur Gegenwart – und der Frage, was Baden heute noch ist. Die Ausstellung ist in neun thematische Einheiten gegliedert, die jedoch nicht immer einem Jahrhundert entsprechen. Vielmehr liegt ein Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert, dem vier der neun Einheiten gewidmet sind.

2. Geschichten erzählen: Die Ausstellung erzählt die Landesgeschichte in Form einzelner Geschichten, die von wichtigen Ereignissen oder herausragenden Persönlichkeiten handeln, sich aber auch mit Vorstellungen und Stereotypen über Baden beschäftigen. Eine solche Geschichte umfasst jeweils etwa vier bis sechs Objekte und soll vom Besucher als Einheit wahrgenommen werden.

Durch die Ausstellung…

Wusstest du, dass Uhu aus Baden kommt? Sind Bollenhut und Kuckucksuhr typisch badisch? Am Eingang der Ausstellung empfängt den Besucher ein offener Raum, an dessen Wänden ihn einige Statements zum Nachdenken über sein eigenes Bild von Baden anregen sollen: Welche Ideen und Vorstellungen bringt der Besucher mit? Wird er sein Baden-Bild in der Ausstellung bestätigt finden oder entdeckt er Neues, Überraschendes, ihm Unbekanntes? Ein „Roter Teppich“ führt den Besucher direkt zu dem Objekt, das uns den Anlass für das Landesjubiläum und die Große Landesausstellung lieferte: Das Original der Kaiserurkunde aus dem Jahr 1112 mit der erstmaligen Erwähnung eines „Markgrafen von Baden“.

Votivtafel mit einer der frühesten Darstellungen des Seligen Bernhard von Baden.
Votivtafel mit einer der frühesten Darstellungen des Seligen Bernhard von Baden
Oberrhein, 1480-1484. Haus Baden

 

Bevor der Besucher nun seine Reise in die 900-jährige Geschichte startet, fällt ihm vielleicht noch eines ins Auge: Die Ausstellungsarchitektur. Er sieht eine Architektur, deren natur belassene Holzwände sinnbildhaft für Schlichtheit und Bodenständigkeit stehen – Charaktereigenschaften, die den Badenern oft von außen zugeschrieben werden und die sie auch gerne für sich in Anspruch nehmen. Das zweite prägende Element der Ausstellungsarchitektur sind die Blenden vor den Vitrinen: Sie sind farblich den neun Ausstellungsgruppen zugeordnet, so dass eine Orientierung erleichtert wird. Die modernen Farben der Blenden entsprechen der Innovation und dem stetigen Wandel, die den Verlauf der badischen Geschichte bestimmt haben.

Die erste Ausstellungsgruppe „Die Markgrafschaft – Ursprung und Ausbau“ beschäftigt sich mit der Entwicklung Badens im Mittelalter. Zentral im Raum steht die Inszenierung eines „Burgbergs“ mit den drei wichtigsten Burganlagen der Markgrafen von Baden: die Namen gebende Burg Hohenbaden bei Baden-Baden, die Hochburg bei Emmendingen, und die Burg Rötteln bei Lörrach. Zentrale Objekte dieser Gruppe sind ein Messkelch aus der Stiftskirche Baden-Baden und das sogenannte Pfälzer Lehenbuch aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe, das aus konservatorischen Gründen allerdings nur für drei Monate im Original gezeigt werden kann. Diese beiden Objekte stehen für den Aufstieg und Fall der Markgrafen von Baden im Mittelalter.

Aus dem Besitz des Hauses Baden kommt eine auf 1490-1494 datierte Votivtafel mit einer der ältesten bildlichen Darstellungen des seligen Bernhard von Baden. Und schließlich dokumentiert ein Teil einer romanischen Türlaibung aus dem Alten Schloss in Stuttgart, die noch immer Erstaunen hervorrufende Tatsache, dass die württembergische Residenz eine Gründung der Markgrafen von Baden ist.

Die zweite Ausstellungsgruppe trägt den Titel „Geteiltes Land – entzweit und wiedervereint“, hier geht es um die Zeit der badischen Landesteilung zwischen 1535 und 1771. Höhepunkt dieses Ausstellungsbereichs ist die sogenannte „Markgrafentafel“ von Hans Baldung gen. Grien von 1509/10 aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, ein Objekt, das dieses Haus normalerweise nicht verlässt. Zu Ehren des Landesjubiläums wurde eine Ausnahme gemacht, da die „Markgrafentafel“ in der Großen Landesausstellung hier in ihrem historischen Kontext gezeigt werden kann: als ein Schlüsseldokument für die badische Landesteilung.

Streitobjekt in der Vergangenheit und bedeutendes Werk der badischen Geschichte: Die Markgrafentafel, ein Werk Hans Baldung Griens von 1509/10. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Streitobjekt in der Vergangenheit und bedeutendes Werk der badischen Geschichte: Die Markgrafentafel, ein Werk Hans Baldung Griens von 1509/10. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Außergewöhnlich schön sind die Blätter aus einem der wenigen erhalten gebliebenen „Tulpenbücher“ des Karlsruher Stadtgründers Markgraf Karl Wilhelm.

In der Ausstellung werden allerdings nicht die bekannten Motive aus dem Band gezeigt, der sich in der Badischen Landesbibliothek befindet, sondern die weithin unbekannten Darstellungen aus dem Besitz des Generallandesarchivs. Diese Handzeichnungen sind in ihrer originalen Farbigkeit bis heute erhalten geblieben, weshalb aus konservatorischen Gründen jeweils nur ein Blatt im monatlichen Wechsel gezeigt werden kann. Ins Auge springt schließlich in dieser Gruppe noch ein Diorama, das den Bau einer Schanze zur Zeit des „Türkenlouis“ genannten Markgraf Ludwig Wilhelm zeigt. Es wurde gefertigt von der AG MINIFOSSI, einer Arbeitsgemeinschaft der Friedrich-Ebert-Schule Schopfheim, die sich seit Jahren mit großem Engagement der Erforschung der Schanzen und Linien des Türkenlouis im Schwarzwald widmet.

Der dritte Ausstellungsbereich „Baden in Bewegung – Reformen, Recht und Reaktionen“ beginnt mit einem Modell des Karlsruher Ständehauses, des zentralen Orts der politischen Entwicklung Badens im 19. Jahrhundert. Bei diesem Thema dürfen natürlich die badische Verfassung, der Liberalismus und die Revolution von 1848/49 nicht fehlen.

Modell des 1944 zerstörten Ständehauses, Sitzungsort des badischen Landtags
Modell des 1944 zerstörten Ständehauses, Sitzungsort des badischen Landtags

Der Blick des Besuchers soll aber auch auf weniger bekannte oder schwierige Aspekte der Geschichte des 19. Jahrhunderts gelenkt werden. So nimmt eine englische Karikatur die bisweilen grotesk anmutenden Umstände der Gründung des Großherzogtums Baden von Napoleons Gnaden gezielt aufs Korn. Ein „alemannisches“ Fastnachtskleid aus Venezuela bringt ein Stück Baden aus der Fremde in die Ausstellung, und eine patriotische Bronzefigur aus der Zeit des Krieges von 1870/71 belegt, dass nationalistische Überlegenheitsgefühle auch in Baden Verbreitung fanden. Schließlich ist der Stab des Freiburger Erzbischofs Hermann von Vicari ein eindrucksvolles Dokument für den sogenannten „Kulturkampf“, die Auseinandersetzung des liberalen Staats mit der katholischen Kirche.

Erfindungen aus Baden bilden den Schwerpunkt des vierten Teils „Stadt-Land- Fluss – Innovationen im langen 19. Jahrhundert“. Hier ist die Laufmaschine von Karl Drais in einer historischen und einer modernen Variante zu sehen, eine Medienstation macht die erste Fernfahrt mit einem Automobil durch Bertha Benz für den Besucher erfahrbar, und ein Stoffdruckmodel steht für die Anfänge der Industrialisierung. Bekannte Marken aus Baden wie Rothaus, Maggi, Gütermann, Uhu und Vivil sind vertreten, aber auch die Werbung für diese Marken: Historische Glasplakate und Emailschilder, die in Offenburg und Ortenberg produziert wurden, wo sich bis ins 20. Jahrhundert ein Zentrum der Werbemittelindustrie befand.

Bekannte Namen wie Johann Peter Hebel, Heinrich Hansjakob oder Hermann Hesse sind im fünften Bereich der Ausstellung „Kultur-Land Baden – erlesen und anregend“ zu finden. Johann Peter Hebel ist eine für die badische Identität prägende Figur, denn mit seinen „Alemannischen Gedichten“ machte er den Dialekt salonfähig. In einer Hörstation ist der Sprachklang dieser Gedichte zu hören – für Nicht-Badener auch auf Hochdeutsch. Heinrich Hansjakob, Pfarrer und Volksschriftsteller, war zeitlebens ein unbequemer Kopf. Die Ausstellung präsentiert eine Büste, die er sich eigens anfertigen ließ. Sie zeigt eine Personifikation der römisch-katholischen Kirche – blind, taub und stumm! Und auch Hermann Hesse darf im Kanon der kulturellen Landesvertreter nicht fehlen. In seinem Refugium in Gaienhofen am Bodensee war er von der Menge der ihm unerwünscht zugesandten Schriften so genervt, dass er eine originelle Art der „Entsorgung“ erfand: Ein Bodenschnitt durch einen Gartenweg beweist, dass sie dort als „literarisches Fundament“ dienten.

Eine große Wand voller Kuckucksuhren bildet den Blickfang im sechsten Themenbereich „Baden bunt – Blick hinter die Klischees“ und liefert damit ein sicher vielen Besuchern aus zahlreichen Souvenirshops des Schwarzwalds bekanntes Bild. Doch ist die Kuckucksuhr wirklich so typisch für den Schwarzwald? Was auf den ersten Blick eindeutig erscheint, hinterfragt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte. Gleichzeitig dokumentieren moderne Uhren des Offenburger Künstlers Stefan Strumbel und des Schwarzwälder Traditionsherstellers Rombach & Haas, dass Kuckucksuhren auch ganz anders aussehen können. In ähnlicher Form werden in der Ausstellung weitere Klischees und Stereotypen hinterfragt: Die Trachten (mehr als nur Bollenhut), der Bollenhut selber (eigentlich ein Württemberger), das Badnerlied (eigentlich ein Soldatenlied), und Kaspar Hauser (wahrscheinlich kein badischer Prinz).

Im siebten Teil „Grenzlage – Ankommen im 20. Jahrhundert“ ist ein zentrales Exponat aus der Dauerausstellung des Badischen Landesmuseums in einem veränderten Kontext zu sehen. Die großherzogliche Krone, ansonsten im Thronsaal zu finden, verpackt im Koffer. Die Monarchie ist zu Ende, Baden wird Republik. In der Zeit der sogenannten „Weimarer Republik“ herrschten in Baden weitgehend stabile 4 politische Verhältnisse, vielerorts machte sich Aufbruchstimmung breit. Im Bereich der Architektur und des Städtebaus versinnbildlichen diese Aufbruchstimmung die neuen Gartenstädte und insbesondere die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe. Sie und die Gartenstadt Freiburg-Haslach sind in der Ausstellung durch Architekturmodelle vertreten, die eigens für diesen Anlass von Studenten der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft angefertigt wurden.

Auch das dunkelste Kapitel badischer Geschichte wird in der Ausstellung nicht ausgespart: die Zeit des Nationalsozialismus. In Baden ging es keineswegs „liberaler“ zu als in anderen Teilen Deutschlands. „Zwischen Tätern und Opfern“ ist dieser achte Themenbereich überschrieben, der sich beiden Sichtweisen zuwendet. Einen Blick auf die Täter wirft die Geschichte der beiden prominentesten badischen Nationalsozialisten Robert Wagner und Walter Köhler, deren verschiedene Schicksale exemplarisch aufzeigen, wie unterschiedlich mit den Tätern nach der NS-Zeit verfahren wurde: Der Eine wurde kurz nach Kriegsende zum Tode verurteilt und hingerichtet, der Andere kam durch die Entnazifizierung und wurde später ein erfolgreicher und angesehener Geschäftsmann. Beklemmung lösen Exponate wie das Ausgangsbuch der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen aus, in dem ab 1940 mit dem nüchternen bürokratischen Vermerk „verlegt im Zuge planwirtschaftlicher Maßnahmen“ die Patienten aufgelistet sind, die im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“-Maßnahme zur Ermordung bestimmt waren. Gezeigt wird zudem ein Häftlingsgeschirr aus dem KZ-Außenlager Haslach im Kinzigtal, welches die primitiven Lebensumstände dokumentiert, unter denen viele Häftlinge den Tod fanden.

Die Vereinigung der Länder Baden und Württemberg zum neuen Südweststaat 1952 ist schließlich eines der Themen im neunten und letzten Ausstellungsbereich „Dasein im deutschen Südwesten – Badische Identitäten“. In einer Hörstation kommt mit dem damaligen (süd-)badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb der wohl prominenteste und vehementeste Kämpfer für ein selbständiges Land Baden zu Wort. Und was kann nach 1952 noch an „badischen“ Geschichten erzählt werden? In den 1970er Jahren waren die Erfahrungen Badens als Grenzland sicherlich auch bestimmend für den Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk Wyhl in Südbaden. Nachvollziehen kann der Ausstellungsbesucher dies dank einer Hörstation, in der Teilnehmer des damaligen Protestes von ihren Beweggründen erzählen. Schließlich wartet die Ausstellung an ihrem Ende nochmals mit einem Höhepunkt auf: Mit Porträts des badischen Unternehmerpaares Franz und Aenne Burda von Andy Warhol.

Am Ende der Ausstellung sind noch einmal die Besucher gefragt, wenn die eingangs gestellte Frage nach ihrem Bild von Baden wieder aufgegriffen wird: Es erwartet sie eine Wand mit Monitoren, auf denen zu sehen – und über Kopfhörer auch zu hören – ist, was heutige Badener und nicht-Badener über den Landesteil im Südwesten denken. Diese Statements wurden bereits im Vorfeld der Ausstellung in der „Baden-Box“ aufgezeichnet, die über mehrere Wochen im Einkaufszentrum „Ettlinger Tor“ in Karlsruhe stand. Für die Dauer der Ausstellung wird sie im „Baden-Forum“, dem museumspädagogischen Aktionsraum zu finden sein. Dort können alle Besucher ihre eigene badische Geschichte erzählen. Originelle, geistreiche, witzige, hintergründige, eben „typisch badische“ Beiträge haben eine gute Chance, in die Monitorwand aufgenommen und somit Teil der Ausstellung zu werden.

    Text: blm

im Detail:

weiter:

siehe auch:

 

zurück:

Startseite | Service | Aktuelles | zur ZUM | © Landeskunde online/kulturer.be 2012-13