Die Ausstellung ist entsprechend der Folge der Szenen in der gebundenen Handschrift
thematisch angeordnet. Sie beginnt mit 12 Kalenderblättern, von denen
jede mit einer typischen Monatsarbeit am Kopf und einer Darstellung des Tierkreiszeichens
am Fuß der Seite ausgestattet ist. Andere Teile enthalten Lesungen
aus den Evangelien, den Marien-Horen, den Passions-Horen, den Martyrologien
der Heiligen sowie Bilder aus der Lebens- und Leidensgeschichte der heiligen
Katharina, des heiligen Hieronymus und anderer. Die Ausstellung endet mit
einem Gebet für die Reisenden, in dem der Herzog selbst porträtiert
ist, wie er auf dem Rücken seines Pferdes mit seinem Gefolge seine Burg
verlässt.
Geburtsort der Brüder Herman, Paul und Johann von Limburg war Nijmegen
im Herzogtum Geldern, heute Niederlande. Um 1398 nahmen Herman und Johann eine
Lehre bei einem Goldschmied in Paris auf, die eigentlich sechs Jahre dauern
sollte, die sie aber vermutlich im November 1399 abbrachen – „weil
der Tod in Paris umging“, evtl. ein Hinweis auf den Schwarzen Tod in
der Stadt. Die Brüder wurden bald darauf von Herzog Philipp dem Kühnen
von Burgund als Illuminatoren eingestellt. Nach dessen Tod 1404 nahm sie sein
Bruder Jean de Berry in seinen Dienst, wo sie bis zum Ende ihres Lebens bleiben
sollten. Innerhalb von einigen Monaten starben sie nacheinander im Jahr 1416.
Die Belles Heures sind eine von drei Handschriften, von
denen bekannt ist, dass sie daran arbeiteten, aber sie
sind die einzige Handschrift, die auch vollständig
von ihnen illuminiert wurde. Obwohl von geringer Größe – das
Buch misst nur 23,8 x 16,8 cm – sind die Bilder von
gewaltigem Eindruck, und seine jungen Künstler schufen
ein Meisterwerk an leuchtenden Farben, erstaunlicher Detailtreue
und enormer Anziehungskraft.
Kernstück eines Stundenbuchs – der verbreitetsten
Art von privaten Gebetbüchern im Mittelalter – ist
eine als Marien-Horen bekannte Reihe von Gebeten. Darunter
sind Psalmen, Hymnen, Lobgesänge und Gebete zur Lesung
während der acht kanonischen Stunden des Tages. Viele
Stundenbücher wurden illuminiert, was ihre Beliebtheit
mit Sicherheit steigerte. In den Belles Heures wird jede
einzelne Marien-Hore mit einer prächtigen Illumination
eingeleitet, wie etwa mit der Verkündigung zum Morgengebet
oder der Flucht nach Ägypten zur Komplet. Obwohl Frömmigkeit
ein wichtiger Faktor für viele Auftraggeber solcher
Bücher war, war für andere die pure Liebe zur
Schönheit solcher Bücher mit Sicherheit ein wichtiges
Motiv. Jean de Berry besaß bereits mehrere Stundenbücher,
als er die Belles Heures in Auftrag gab und seine Fülle
an Bilder-Geschichten war ohne Beispiel.
Die Belles Heures des Herzogs Jean enthalten neben allen
typischen Bestandteilen eines französischen Stundenbuchs
noch sieben zusätzliche prächtig ornamentierte
und illuminierte Abschnitte. Diese Einschübe bilden
das Rahmenwerk, innerhalb dessen die Brüder Limburg
Licht, Farbe und realistisches Detail in den Dienst der
Bilderzählung stellten. Entstanden während einer
drei- oder vierjährigen Arbeit zwischen 1405 und 1408/09,
besteht das Buch aus 224 Blättern aus feinstem vellum
(Pergament aus Kalbshaut) – so fein bearbeitet, dass
jedes Blatt durchscheint und Text und Ornament der einen
Seite auch von der anderen Seite gelesen werden können.
Jede Seite sprüht gewissermaßen durch die auf
den Rändern aufgemalten Blattgoldornamente und ein
ungewöhnlichere Farbumfang – einschließlich
des brillanten und kostbaren, aus Afghanistan kommenden
Ultramarins – blendet fast die Augen.
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