Projekt kulturer.be
17.4.20
Peter Anton von Verschaffelt: Sterbender Hirsch
Der große, aus Zirkelhäusern und Berceaux de Treillage gebildete Kreis des Parterres wird an seinem westlichen Scheitel abgeschlossen von einer Gruppe aus zwei spiegelbildlich aufgestellten Hirschen, die von Jagdhunden erlegt werden und aus deren Maul eine Wasserfontäne springt. Sie galten in den Jahren nach dem Krieg als das Symbol für den Rokokogarten.
Der Volksmund will wissen, dass hier, an dieser Stelle, währen der Bauarbeiten am Garten, also um 1760, ein Hirsch aus den nahen Wäldern, von Hunden gehetzt, in den Schlossgarten geflohen sei - hier, mitten im Garten hätten ihn die Hunde erreicht und erlegt.
Das ist eine nette Geschichte, aber kaum würdig für die Ausstattung eines fürstlichen Gartens.
Hirsch und Hunde weisen dagegen zurück in die antike Sage vom jungen Jäger Aktäon, wie sie z.B. Ovid in seinen Metamorphosen aus alten griechischen Quellen erzählt. Aktäon frevelte, indem er die Jagdgöttin Artemis beim Nackt-Baden beobachtete. Zur Strafe verwandelte sie ihn in einen Hirsch und hetzte seine eigenen Hunde auf ihn, die ihn zerrissen. Der ganze Hintergrund mit Totemkult und Jahresopfer bei den frühen Griechen war natürlich schon zu Ovids Zeiten nicht mehr bekannt, aber erzählfreudige Gartenführer machen daraus ein spannendes Stück vom jugendlichen Spanner, der seiner eigenen Neugierde zum Opfer fällt.
Ovid mit seinen Geschichten vom Eingreifen der Götter in das Leben der Menschen war überhaupt die Lieblingslektüre des Rokoko, und so passt auch diese antike Szene trefflich in den Schwetzinger Garten. Was nun gerenell die Zeit des Barock an der Geschichte um Aktäon so gefiel, mögen andre erklären - Tatsache ist, dass Aktäon eines der Lieblingsmotive in dieser Zeit ist.Das Deckengemälde im Rittersaal des Mannheimer Schlosses stellt die Hochzeitstafel zur Vermählung von Thetis und Peleus dar. Die Götter feiern und schmausen - in der Ecke wird Aktäon von den Hunden zerrissen.
Die dritte Ebene dieser Hirschgruppe ist eine symbolische Ebene und bezieht sich auf den großen Zyklus des Jahres und des Lebens. Der sterbende Hirsch steht hier für den Abend, den Abend des Tages und den Abend des Lebens. Damit steht er in einer Reihe mit dem Schloss, über dem die Sonne morgens aufgeht (schließlich weiß sie, was sich gehört) und mit dem Zirkelbassin des Arionbrunnens (das ist der Mittag). In den frühen Abendstunden folgt sie dem Weg, den ihr die acht Goldenen Kugeln im Westen der Hirschgruppe weisen, bis sie schließlich blutrot im Ozean (der hier in Schwetzingen nur der Große Weiher ist) versinkt. In der Nacht kehrt sie zu ihrem Ausgangspunkt zurück und wiederholt Tag für Tag diese zyklische Bewegung.
Heinrich Heine sah diese Geschichte etwas sachlicher:
Ein Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang
Mein Fräulein, sein sie munter,
Das ist ein altes Stück
Da vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
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