24.8.17

Neue Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert

Geschichte der Migration im Landkreis Rastatt (Teil 2)

Vor allem das folgende 19. Jahrhundert wurde zu einem Jahrhundert der Auswanderung von Baden nach Russland oder in das gelobte Land nach Amerika. Der erste namentlich bekannte Auswanderer aus Durmersheim in dieser Wanderungsphase war der Kuhhirt Jörg Tritsch, der 1808 mit seiner Ehefrau Margret und den zwei Söhnen Lukas und Johann nach „Russisch Polen“ ausgewandert ist. In diesen Jahren nahm die Auswanderungswelle nach Russland zahlenmäßig immens zu. Alleine aus Durmersheim waren das nur für die Jahre von 1808 bis 1819 insgesamt 34 Familien, die sich auf den ungewissen und langen Weg in den Osten aufmachten.

Erweitert man diesen Zeitraum von 1804 bis einschließlich 1842, so lässt sich fest-stellen, dass alleine im Kreis Rastatt in diesen 38 Jahren insgesamt 243 Familien ausgewandert sind. Das entspricht etwa 923 Menschen oder beispielsweise der doppelten Einwohnerzahl von Illingen. Damit belegt der Amtsbezirk Rastatt im Großherzogtum Baden den zweiten Platz. Nur der Amtsbezirk Sinsheim bei Heidelberg hat mehr Menschen verloren. Durmersheim belegt in dieser Statistik den dritten Platz. Nur in Steinmauern und in Bietigheim sind mehr Menschen ausgewandert. Eines der wichtigsten Ziele der Durmersheimer Russlandfahrer war das Schwarzmeergebiet, und dort vor allem die 1809 und 1810 gegründeten Kolonien Rastatt und Karlsruhe am Beresan in der heutigen Ukraine. „Dort schuf man sich ein Stück Heimat und das ganz fern von ihr“. Dieser eher sentimentale Satz aus der Fachliteratur legt eine Idylle nahe, die sich die Auswanderer fern der Heimat geschaffen haben sollen. Aber gab es diese Idylle tatsächlich?

In den Zeitungen jener Jahre steht etwas ganz anderes zu lesen. Das Rastatter Wo-chenblatt berichtet ab 1804 mehrfach über den „jammervollen Zustand der deutschen Auswanderer“: „Es ist doch in der Tat traurig, zu sehen, dass mit dem kommenden Frühling dieses Jahres auch zugleich die Pest der Auswanderung aufs Neue in unserem deutschen Vaterlande beginnt. Die Unglücklichen, die von dieser Seuche ergriffen werden, sind umso mehr zu bedauern, da sie die Wüsten am Schwarzen Meer zu ihrem Zielpunkt machen, und mit dem Wahn sich täuschen, dort glücklicher zu werden, als sie es in ihrem Vaterland bisher waren.“

In ähnlicher Weise war dies auch in anderen Zeitungen jener Jahre zu lesen. Aber die Auswanderungswelle ließ sich nicht stoppen. Die Not der Menschen war zu groß. Zwischen 1846 und 1885 wanderten kaum vorstellbare 165 Familien aus Durmersheim aus. Diese 165 Familien entsprachen etwa einem Viertel der damaligen Durmersheimer Bevölkerung.

Doch diesmal hatte sich das Ziel geändert. Vor allem ging es nun in die neue Welt, nach Amerika. Die Agenturen, die die Überfahrten nach New York organisierten, warben sehr offensiv in den Tageszeitungen und mit Plakaten. Die Mannheimer Agentur „Stoll und Companie“ beispielsweise machte schon 1841 auf ihre günstigen Überfahrten von Hamburg aus aufmerksam. Die Durmerheimer und die Würmersheimer waren damit aber nicht alleine. In den beiden Jahrzehnten zwischen 1851 bis 1870 sind über 104.000 Menschen aus Baden und Württemberg nach Nordamerika ausgewandert. Eine unvorstellbar hohe Zahl.

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