23.8.17

Vielfältige Wanderungsbewegungen prägen die Migrationsgeschichte im Landkreis Rastatt (Teil 1)

„Migration“ hat die Menschen in Mittelbaden schon immer bewegt. Das Wort Migration stammt von dem lateinischen Verb „migrare“ ab und meint in der deutschen Übersetzung „wandern“ oder „auswandern“
und bezeichnet genauer formuliert Wanderungsbewegungen von Menschen.

Grundsätzlich meint Migration aber immer zweierlei, die Zuwanderung (Imigration) aber auch die Auswanderung (Emigration). Beides erfolgt in der großen Mehrzahl nicht immer freiwillig. Auslöser sind meist politische Ereignisse wie Krieg, Verfolgung oder auch wirtschaftliche Gründe, Verarmung, Verelendung, mangelhafte Ernährungslage oder eine grundsätzliche Perspektivlosigkeit in bestimmten Gesellschaften.

Wer allerdings einen Blick in die eigene Geschichte wirft, der wird feststellen, dass Migration in ganz unterschiedlichen Ausprägungen allgegenwärtig ist.

Die Römer sind schon vor 2000 Jahren in das Gebiet am Oberrhein gezogen. Der Archäologe Ernst Wagner untersuchte 1911 die römischen Funde in Baden zum allerersten Male. Er nennt in seinem Werk auch bedeutende Funde im Gebiet des Landkreises Rastatt. Mit anderen Worten bedeutet dies auch, dass schon lange vor der Existenz heutiger Gemeinwesen einzelne Gebäude, Bauernhöfe, Verkehrswege zur Römerzeit existiert haben und dass Menschen von der anderen Seite der Alpen zu uns gekommen sind. Auch das ist Migration.

Das Thema Auswanderung findet natürlich auch im Landkreis Rastatt statt. Und das in oft sehr erheblichem Ausmaße. Die Quellen in den Archiven der Region belegen umfassende Auswanderungswellen, die uns heute kaum mehr bewusst ist.

Um in etwa einschätzen zu können, welche Dimensionen dieses Phänomen im 18. Jahrhundert hatte, soll dies anhand des Fallbeispiels von Durmersheim dargestellt werden.
In den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts nahm die Bevölkerung von Durmersheim und Würmersheim von etwa 170 auf rund 450 Personen im Jahr 1733 enorm zu. Sie verdreifachte sich schlichtweg. Diesen Anstieg belegen die Kirchenbücher auch in den folgenden knapp zehn Jahren ganz deutlich. 1742 hatte Durmersheim mit Würmersheim gemeinsam 179 Familien mit insgesamt 688 Einwohnern, wobei etwa 80 Prozent auf Durmersheim entfallen. Daraus ergibt sich ein Familienindex von 3,8 Personen. Die nächsten verlässlichen Zahlen gibt es aus dem Jahr 1804. Hier sind es 748 Einwohner. Das ist zwar zunächst sehr stattlich und belegt, dass Durmersheim nach wie vor zu den größten Landgemeinden im Bezirksamt Rastatt zählt. Aber der Bevölkerungsanstieg über diese Zeitspanne von 62 Jahren hinweg von gerade einmal 60 Personen - also eine Person pro Jahr - ist erstaunlich niedrig.

Warum ist das so? Die Durmersheimer, wie auch die Bewohner aller anderen Orte im Amtsbezirk Rastatt, wanderten aus. Die erste große Auswanderungswelle fand in den Jahren nach 1745 statt und reichte bis ins Jahr 1789. Insgesamt waren es 47 Durmersheimer und Würmersheimer Familien, die ihr Glück in „Ungarn“ suchten, wobei das mit der Angabe Ungarn in den Kirchenbüchern nur eine sehr vage Ortsangabe ist. Diese 47 Familien umfassten etwa 178 Personen. Wenn man die uns bekannten Einwohnerzahlen von 1742 mit dieser Zahl vergleicht, dann haben wir eine Auswanderungsquote von rund 26 Prozent.

Über die Einzelschicksale und die Beweggründe dieser Menschen sind wir allzu oft nur sehr unzureichend informiert. Meist wissen wir nur Bescheid, wenn private Briefe erhalten sind oder uns das Bezirksamt bzw. eine Gemeindeverwaltung eine Einschät-zung der Auswanderungsgründe hinterlassen hat. So berichtet der Bürgermeister von Durmersheim dem Bezirksamtmann in Rastatt über einen gewissen Gabriel Zellern, der 1747 im Alter von 25 Jahren an einen uns nicht bekannten Ort ausgewandert ist. Das Amt schreibt „Hat nicht viel ererbt, dass er acht Tage damit leben könne“. Damit wird die wirtschaftliche Not der Menschen in der Mitte des 18. Jahrhunderts tatsächlich greifbar.

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