2.2.16
Badisches Landesmuseum Karlsruhe
OMG! - Objekte mit Geschichte
Wenn Dinge sprechen könnten… – sie hätten
unglaubliche Geschichten zu erzählen! Manche davon muten so
skurril und überraschend an, dass dem Zuhörer ein verblüfftes „Oh
my God!“ entfährt. Diese Geschichten überhaupt
erst zu entdecken und sie in einer Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit
lebendig zu präsentieren, ist die Leistung der Nachwuchswissenschaftler,
der Volontärinnen und Volontäre, am Badischen Landesmuseum.
Mit ihrer frischen Herangehensweise und neuen Methoden vermitteln
sie, wie faszinierend die Arbeit im Museum und am Exponat selbst
sein kann – und wie wertvoll der Ansatz der Provenienzforschung
für das grundsätzliche Verständnis von Museumsgut
ist.
Seit dem 18. Dezember präsentiert die Sonderausstellung „OMG!
Objekte mit Geschichte“ vor allem nie zuvor gezeigte Exponate,
berichtet von ihren Schicksalen sowie den Menschen hinter den
Dingen. Angefangen bei einer großen Depotinstallation
im Foyer führt ein Wegeleitsystem die Besucherinnen und
Besucher zu 27 Stationen auf allen vier Etagen des Karlsruher
Schlosses.
Im Unterschied zu einer konventionellen Ausstellung steht bei „OMG!“ nicht
die kulturgeschichtliche oder künstlerische Bedeutung der
Objekte im Vordergrund. Vielmehr liegt der Fokus auf Erzählungen,
wie die einzelnen Stücke oftmals auf verschlungenen Wegen
ins Museum gelangt sind. Die Herkunft – Provenienz – der
Sammlungsgegenstände ist heute mehr denn je Gegenstand der
Forschung. Dabei ist das Ziel, die Geschichte eines Objektes und
seiner Besitzer vollständig aufzuklären. Aktuell bekannt
sind derzeit vor allem die Forschungen zu während der NS-Diktatur
verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut.
Neben diesem sehr ernsten Thema erzählt die Ausstellung
aber auch von kuriosen oder ganz persönlichen „Objektgeschichten“.
Die von den Jungwissenschaftlern bei ihren Forschungen aufgedeckten
Geschichten sind sehr amüsant. Da hat z. B. vor knapp 100
Jahren ein Pfarrer bei Grabungsarbeiten mitgewirkt – und
von den gefundenen Objekten aus der vorrömischen Eisenzeit
drei Gefäße als Souvenir einfach behalten. Selbst
nach mehrmaliger Aufforderung verweigerte der Kirchenmann die
Rückgabe.
2010 stieß die Urenkelin auf den damaligen
umfangreichen Briefverkehr zwischen ihrem Urgroßvater und
dem Badischen Landesmuseum. Sie entschloss sich, die kostbaren
Schätze an das Haus zu übergeben. Doch die Töpfe
waren derweil kaum wiederzukennen: Jemand hatte sie mit Tarnfarbe
angestrichen… Ob der Pfarrer doch ein schlechtes Gewissen
hatte?
Die
skurrilen Geschichten, die die Nachwuchswissenschaftler bei ihren
Recherchen aufgetan haben, verraten auch viel über
die ehemaligen Besitzer der Objekte. Sich in deren Persönlichkeit
hineindenken zu können, macht die Ausstellung umso interessanter:
Was sind das für Menschen, die sammeln, tauschen, gar stehlen
und rauben – oder Dinge einfach loswerden wollen? So hat
etwa eine Dame im Zweiten Weltkrieg ihre Sammlung zum Schutz
an das Badische Landesmuseum übergeben. Zurück wollte
sie später alles – nur nicht das Bild ihres ver-storbenen
Mannes. Und ein griechischer Antiquitätenhändler gab
seine wertvolle mykenische Bügelkanne her – im Tausch
gegen einen elektrischen Phillips-Rasierer…
Bild links: Zweifelhafte Nubier. Ist dieses Relief eine
Fälschung?
Relief, Ende 14. Jh. v. Chr. (?) © Badisches Landesmuseum
Karlsruhe, Foto: Uli Deck
Ein frisches Ausstellungsdesign unterstreicht die unkonventionelle
Herangehensweise dieser Ausstellung. Die Vitrinen stehen auf
Europaletten – eine
Anspielung auf die Lagerung in den hausinternen Depots. Aber
die Jungwissenschaftler nut-zen auch parallel zu den gängigen
analogen Vermittlungsmethoden neue Medien. Zum ersten Mal bietet
das Badische Landesmuseum für „OMG!“ eine Augmented
Reality App an. Smartphone oder Tablet „erkennen“ das
Exponat und lassen die jungen Kuratoren direkt neben den Objekten
auftreten. In einer kurzen Filmsequenz erzählen sie „persönlich“ den
Besucherinnen und Besuchern die Objektgeschichten: knapp und
prägnant.
Von der Recherche, der Auswahl der Objekte, der Umsetzung, über
die Erstellung eines Kataloges, des Begleitprogramms bis hin
zur Realisierung der Augmented Reality App – das Gemeinschaftsprojekt
ermöglichte den Volontärinnen und Volontären eine
umfassende berufliche Qualifizierung. Damit orientiert sich das
Ba-dische Landesmuseum an den Leitlinien des Deutschen Museumsbundes.
Der breiten Öffentlichkeit vermittelt die Sonderausstellung „OMG!“ Einblicke
in die museale Forschungsarbeit und das Verständnis für
die Bewertung von Kulturgut im Lichte historischer Zusammenhänge.
„OMG! Objekte mit Geschichte“
19.12.2015 – 29.5.2016
Badisches Landesmuseum, Schloss Karlsruhe
Di – Do 10 – 17 Uhr,
Fr – So, Feiertage 10 – 18
Uhr,
Eintritt: 4 €, erm. 3 €
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