4.3.15
Frauenschicksale an baden-württembergischen Höfen:
Liselotte von der Pfalz – eigenwillige Chronistin
ihrer Zeit
Zum Themenjahr Barock der Staatlichen Schlösser und
Gärten
(ssg) Im Themenjahr Barock beleuchten die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg Frauenschicksale im 17.
und 18. Jahrhundert. Die lange Zeit männlich geprägte
Geschichtsschreibung hat sie kaum, häufig gar nicht gewürdigt.
Von Liselotte von der Pfalz weiß die Nachwelt jedoch recht
viel. Von ihrer regen Korrespondenz sind einige Tausend Briefe
erhalten geblieben. Durch Heirat zur Duchesse d’Orléans
geworden, schrieb Liselotte ihren Verwandten in der Kurpfalz regelmäßig
aus Frankreich – nicht wie üblich auf Französisch,
sondern meist in Deutsch. Für Historiker sind ihre lebendigen
Schilderungen vom Hofleben in Versailles von großem Wert.
Geliebte Heimat Kurpfalz
Prinzessin Elisabeth Charlotte von der Pfalz, genannt Liselotte,
die einzige Tochter des Kurfürsten Karl Ludwig und seiner
Ehefrau Charlotte von Hessen-Kassel, kam 1652 im Schloss Heidelberg
zur Welt. Aus der Beziehung stammten noch zwei Söhne, von
dem einer bald nach der Geburt starb. Entfremdet von seiner Frau,
fand Liselottes Vater Gefallen an deren Hofdame und machte Luise
von Degenfeld 1658 nach der Auflösung seiner Ehe zu seiner
Frau „linker Hand“. 13 Kinder gingen aus dieser morganatischen
Ehe hervor. Zu einigen ihrer Halbgeschwister hielt Liselotte
später von Frankreich aus Briefkontakt.
Glückliche Jahre in Hannover und Heidelberg
Um Liselotte von den familiären Wirren fernzuhalten, wurde
sie zu ihrer Tante Sophie, der Schwester ihres Vaters, nach Hannover
geschickt. Vier glückliche Jahre verbrachte sie bei der innig
geliebten Verwandten. Wie dankbar Liselotte ihrer Tante für
die bei ihr genossene Erziehung und Zuwendung war, wird sie später
immer wieder in Briefen an Sophie zum Ausdruck bringen. 1663 kehrte
die Elfjährige ans Heidelberger Schloss zurück. Es folgten
unbeschwerte, ausgelassene und für eine Prinzessin recht volksnahe
Jugendjahre.
Bild: Atelier Hycinthe Rigaud, Liselotte von der Pfalz. Vermutlich
gleichzeitige Kopie
Unterwerfung unter machtpolitische Interessen
Aus politischem Kalkül wurde die 19-Jährige Liselotte
1671 mit dem verwitweten Philipp von Orléans verheiratet
und musste dafür ihre Konfession ändern: Die tolerant
erzogene Protestantin wurde Katholikin. Die Ehe machte sie nicht
nur zur Duchesse d’Orléans, sondern auch zur Schwägerin
des Sonnenkönigs: Ludwig XIV. Liselotte, die von Kindesbeinen
an Französisch sprach, hatte es nicht leicht am Hof von Versailles.
Denn ihr Ehemann zeigte deutlich, dass er ein Herz für Männer
hatte. Seine Gespielen machten Liselotte mit Intrigen das Leben
schwer. Aber zumindest in den ersten Jahren hatte sie beste Verbindungen
zum König, der als Gegenfigur zu ihrem Mann eine wichtige
Rolle in ihrem Leben spielte.
Berichte von Hofschranzen und Giftmorden
Der fleißigen Briefeschreiberin – mehr als 36.000 Schriftstücke
sind erhalten! – verdankt die Nachwelt detaillierte und anschauliche
Schilderungen des höfischen Lebens in Versailles. Mit Humor,
Frische und Gradlinigkeit, manchmal auch derb, berichtete sie vom
Eifer der „Hofschranzen“, von Giftmorden unter Rivalen
und gab Zeugnis von der Kunst, der Politik, den Festen, der Philosophie
und den Gepflogenheiten am Hof des Sonnenkönigs. Als sich
dieser jedoch Madame de Maintenon zuwandte, legte sich ein Schatten über
die Freundschaft von Liselotte und Ludwig XIV. Denn die Pfälzerin
machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die neue Mätresse
des Königs. In ihren Briefen nennt sie Madame de Maintenon „alten
teufel“ und Schlimmeres. Liselotte hatte jedoch die Freundschaft
des Königs endgültig verloren, und damit die Hochachtung
des ganzen Hofes.
Liselottes Heimat wird zerstört
In den Jahren 1688 bis 1697 wurde die Pfalz durch die Truppen des
französischen Königs grauenhaft verwüstet. Betroffen
waren insbesondere die Städte Heidelberg, Mannheim, Speyer
und Worms. Auch Liselottes Elternhaus, das Heidelberger Schloss,
wurde damals zerstört. Zum sogenannten Pfälzischen
Erbfolgekrieg kam es, nachdem Liselottes Bruder, Kurfürst
Karl, kinderlos gestorben war. Ludwig XIV. meldete im Namen seiner
Schwägerin Ansprüche auf die Kurpfalz an – natürlich
ohne Zustimmung Liselottes. Als der Plan der Inbesitznahme nicht
aufging, machte der König seinen Zorn deutlich, indem er
das Land niederbrennen ließ. Ohne die Orte ihrer Kindheit
jemals wiedergesehen zu haben, starb Liselotte von der Pfalz
70-jährig im Dezember 1722 in Schloss Saint Cloud bei Paris.
Von ihren drei Kindern erreichten zwei das Erwachsenenalter:
Philipp II., Herzog von Chartres, übernahm 1715-1723 die
Regentschaft für den noch unmündigen Ludwig XV. Elisabeth
Charlotte de Bourbon-Orléans, genannt Mademoiselle de
Chartres, war durch Heirat Herzogin von Lothringen und ab 1736
Fürstin von Commercy.
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